Drucksache - DS/1559/VI
Die Bezirksverordnetenversammlung wolle beschließen: Die BVV Lichtenberg erklärt sich solidarisch mit Mumia
Abu-Jamal und schließt sich den Forderungen der weltweiten Solidaritätsbewegung
nach Aufhebung des Todesurteils gegen Mumia Abu-Jamal und der Gewährleistung
eines neuen, fairen Verfahrens an. Sie unterstützt die Kampagne von Amnesty
International und des Berliner Free-Mumia-Bündnisses zur Abwendung der
Vollstreckung des Todesurteils. Zugleich erklärt sie, dass die Anwendung der Todesstrafe mit
den humanistischen Werten einer Gesellschaft, die sich dem Schutz der Würde des
Menschen verschrieben hat, prinzipiell nicht vereinbart werden kann. Die
Todesstrafe negiert das unveräußerliche Menschenrecht auf Leben. Folglich kann
ein Staat nicht gleichzeitig die grundlegenden Menschenrechte achten und die
Todesstrafe anwenden. Als eine besonders grausame, unmenschliche und
erniedrigende Form der Strafe und als barbarischer Akt staatlicher Gewalt muss
sie weltweit geächtet werden. Die BVV Lichtenberg unterstützt die in der Bremer
Bürgerschaft und in Städten und Gemeinden gefassten Resolutionen gegen die
Todesstrafe und für ein faires, neues Verfahren für Mumia Abu-Jamal. Der Vorsteher wird ersucht die Resolution den Fraktionen des
Abgeordnetenhauses mit der Bitte zu übermitteln, das Anliegen zu unterstützen. Begründung: Berlin ist Mitglied im Bündnis „Städte für das Leben
– Städte gegen die Todesstrafe“, dessen 8. Internationaler
Aktionstag gegen die Todesstrafe am 30. November stattfand. Im Fall Mumia
Abu-Jamal in den USA, der im Kampf gegen die Todesstrafe weltweit von hoher
symbolischer Bedeutung ist, kann es in Kürze zur Vollstreckung eines die
fundamentalen Menschenrechte verletzenden Todesurteils kommen. Auf der ganzen
Welt engagieren sich Solidaritätsbündnisse seit Jahrzehnten für die Rechte
Mumia Abu-Jamals. Auch Städte und Kommunen leisteten ihren Beitrag: So wurde er
2003 zum Ehrenbürger der Stadt Paris ernannt. Und auch in Deutschland ist die
Solidaritätsbewegung bereits seit vielen Jahren aktiv. Aufgrund der neuerlichen Wendung des Falles (siehe unten)
haben die Bremer Bürgerschaft und die Stadträte von München und Fürth
Resolutionen gefasst, in denen ein neues, faires Gerichtsverfahren für Mumia
Abu-Jamal und die Aufhebung des Todesurteils gefordert werden. Zusammen mit den
zahlreichen Solidaritätsbündnissen und Prominenten wie Günter Wallraff, Klaus
Staeck, Rolf Becker, Volker Ratzmann u. v. a. sollen sich auch das
Abgeordnetenhaus von Berlin und die BVV Lichtenberg für die Rechte Mumia
Abu-Jamals einsetzen. Die Solidaritätsbewegung lebt von breitem, weltweiten
Engagement und nur dieses scheint gewährleisten zu können, dass die Forderung
nach Anerkennung und Achtung der Menschenrechte überhaupt das nötige Gewicht in
der öffentlichen Debatte in den USA erhält. Der Fall Mumia Abu-Jamal Seit mehr als 27 Jahren sitzt der afro-amerikanische
Bürgerrechtler und Journalist Mumia Abu-Jamal in den USA in der Isolation des
Todestraktes. Ihm wurde zur Last gelegt, am 9. Dezember 1981 den Polizisten
Daniel Faulkner erschossen zu haben. Der Prozess, der im Jahre 1982 zu einer
Verurteilung wegen „first degree murder“ (ungefähr: Mord in
besonders schwerem Fall) führte, wird von Amnesty International als fehlerhaft
und nicht den minimalen internationalen Standards einer fairen Verhandlung
genügend eingeschätzt. So wurden Mumia Abu-Jamal die Wahrnehmung wesentlicher
Prozessrechte wie die Beschaffung der für seine Verteidigung notwendigen
Informationen erschwert und die Staatsanwaltschaft lehnte nach offenbar
ethnischen Gesichtspunkten potentielle Jury-Mitglieder afro-amerikanischer
Abstammung ab. Der verhandlungsführende Richter Albers F. Sabo darf als
befangen gelten. Nach Angaben von Amnesty International hat Judge Sabo in einem
14-Jahreszeitraum mehr Angeklagte zum Tode verurteilt als jeder andere Richter
der Vereinigten Staaten von Amerika. Von den insgesamt 31 zum Tode Verurteilten
waren 29 Angehörige einer ethnischen Minderheit. Wiederholt kam es im
Gerichtssaal zu Streitigkeiten zwischen Sabo und dem Angeklagten um die
Zulassung eines nicht-lizenzierten Rechtsbeistandes, die abgelehnt wurde,
obwohl es gängige und zulässige Praxis im Staat Pennsylvania war, auch
Nicht-Juristen zu ermöglichen, am Tisch der Verteidigung Platz zu nehmen. Mumia Abu-Jamal verteidigte sich zunächst selbst, nachdem er
den ihm zugewiesenen Pflichtverteidiger Anthony Jackson in der Vorverhandlung
abgelehnt hatte, da er mit seiner Leistung nicht zufrieden war. Dieser wurde
daraufhin als Nebenverteidiger eingesetzt. In einer Eidesstattlichen Erklärung
Jacksons aus dem Jahr 1995 räumte er ein, dass er als Nebenverteidiger
„unvorbereitet“ in das Verfahren ging und drei Wochen vor seinem
Beginn „alle Anstrengungen zur Verfahrensvorbereitung aufgegeben“
hatte.[1]Im
Zuge der Streitigkeiten um den Rechtsbeistand wurde Abu-Jamal schließlich das
Recht entzogen, sich selbst zu verteidigen, woraufhin Jackson - trotz der
Ablehnung im Vorverfahren – wieder
zum Hauptverteidiger wurde. Von diesem Zeitpunkt an wurde überwiegend in
Abwesenheit des Angeklagten verhandelt. Aufgrund zu geringer bewilligter Finanzmittel konnte die
Verteidigung während des gesamten Prozesses ihren Aufgaben nur unzureichend
nachkommen. So war es ihr nicht möglich eigene ballistische und pathologische
Gutachten vorzulegen. Auch konnte sie nur einen Bruchteil der Zeugen vernehmen,
die Polizei und Staatsanwaltschaft verhört hatten. Ein erstmals zwei Monate
nach der Schießerei durch zwei Polizisten und einen Wachmann bezeugtes
vermeintliches Geständnis Mumia Abu-Jamals aus der Tatnacht führte dann
schließlich maßgeblich zur Verurteilung. Im anschließenden Prozessabschnitt der Strafmaßfindung rief
Pflichtverteidiger Jackson keinen einzigen Leumundszeugen auf, obwohl ein Abgeordneter
des Staates Pennsylvania bereit war, für Abu-Jamal auszusagen und seinen guten
Leumund unter Eid zu bekräftigen. Ebenso wurden seine Mutter und Schwester
nicht gehört, die vorbereitet waren, im Zeugenstand zu erscheinen, um die
Berücksichtigung mildernder Umstände zu erwirken. Trotz dieser schwerwiegenden Verfahrensmängel gelang es den
Anwälten Mumia Abu-Jamals bis heute nicht, eine Neuverhandlung durchzusetzen.
Zweimal (1995 und 1999) konnte die Vollstreckung der Todesstrafe durch die
Einreichung von Berufungsanträgen – unterstützt und begleitet von
internationalen Solidaritätsaktionen – verhindert werden. Zwei Urteile
von US-Bundesgerichten bestätigten 2001 und 2008 die Möglichkeit der Umwandlung
der Todesstrafe in lebenslängliche Freiheitsstrafe. Da das Todesurteil von 1982
zu keinem Zeitpunkt aufgehoben wurde, sitzt Mumia Abu-Jamal seit diesem
Zeitpunkt ununterbrochen im Todestrakt unter Haftbedingungen, die nach
herrschender Meinung in Deutschland gegen die Menschenwürde verstoßen. Durch
die Entscheidung des Supreme Courts of the United States (des Obersten
Gerichtshofs der Vereinigten Staaten von
Amerika) vom 6. April 2009 ist ein neuer Prozess nunmehr ausgeschlossen worden,
Mumia Abu-Jamal bleibt damit wegen Mordes rechtskräftig verurteilt. Offen ist
zurzeit noch, wie der SCOTUS über die Rechtmäßigkeit des Strafmaßes befinden
wird, was im günstigen Fall zu seiner Neuverhandlung führen könnte. Begründung der Dringlichkeit: Am 6. April 2009 hat der Supreme Court of the United States
entschieden, dass die Verurteilung wegen Mordes rechtskräftig bleibt. In einer
zweiten, separaten Entscheidung, mit der nun jederzeit gerechnet werden muss,
wird über die Rechtmäßigkeit des Strafmaßes befunden werden. Im Falle der
Bestätigung des Todesurteils, will Governor Ed Rendell (Gouverneur von
Pennsylvania und einer der an den Ermittlungen zum ursprünglichen Prozess
beteiligten Staatsanwälte) den Hinrichtungsbefehl unverzüglich unterzeichnen.
Die Bremer Bürgerschafts-Fraktionen der Parteien DIE LINKE., BÜNDNIS 90/DIE
GRÜNEN und SPD haben einen ähnlichen Antrag bereits im November 2009 als
Dringlichkeitsantrag eingereicht. [1] Vgl. Amnesty International: United States of America. A life in the balance. The case of Mumia Abu-Jamal. o.O. 2000. S. 12. ( http://www.amnesty.org/en/library/info/AMR51/001/2000 ) Zuletzt aufgerufen: 15. Dezember 2009. |
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