Drucksache - DS/1559/VI  

 
 
Betreff: Nein zur Todesstrafe - Hinrichtung von Mumia Abu-Jamal verhindern
Status:öffentlich  
 Ursprungaktuell
Initiator:BVO Rim Farha, Kirill Jermak, Uwe Schwenzer, Michael NiedworokBVO Rim Farha, Kirill Jermak, Uwe Schwenzer, Michael Niedworok
   
Drucksache-Art:DringlichkeitsantragDringlichkeitsantrag
Beratungsfolge:
Bezirksverordnetenversammlung Lichtenberg von Berlin Entscheidung
17.12.2009 
36. Sitzung in der VI. Wahlperiode der Bezirksverordnetenversammlung Lichtenberg von Berlin mit Änderungen in der BVV beschlossen   

Sachverhalt
Anlagen:
Dringlichkeitsantrag BVO Farha, Jermak, Schwenzer, Niedworok PDF-Dokument

Die Bezirksverordnetenversammlung wolle beschließen:

Die Bezirksverordnetenversammlung wolle beschließen:

 

Die BVV Lichtenberg erklärt sich solidarisch mit Mumia Abu-Jamal und schließt sich den Forderungen der weltweiten Solidaritätsbewegung nach Aufhebung des Todesurteils gegen Mumia Abu-Jamal und der Gewährleistung eines neuen, fairen Verfahrens an. Sie unterstützt die Kampagne von Amnesty International und des Berliner Free-Mumia-Bündnisses zur Abwendung der Vollstreckung des Todesurteils.

 

Zugleich erklärt sie, dass die Anwendung der Todesstrafe mit den humanistischen Werten einer Gesellschaft, die sich dem Schutz der Würde des Menschen verschrieben hat, prinzipiell nicht vereinbart werden kann. Die Todesstrafe negiert das unveräußerliche Menschenrecht auf Leben. Folglich kann ein Staat nicht gleichzeitig die grundlegenden Menschenrechte achten und die Todesstrafe anwenden. Als eine besonders grausame, unmenschliche und erniedrigende Form der Strafe und als barbarischer Akt staatlicher Gewalt muss sie weltweit geächtet werden.

 

Die BVV Lichtenberg unterstützt die in der Bremer Bürgerschaft und in Städten und Gemeinden gefassten Resolutionen gegen die Todesstrafe und für ein faires, neues Verfahren für Mumia Abu-Jamal.

 

Der Vorsteher wird ersucht die Resolution den Fraktionen des Abgeordnetenhauses mit der Bitte zu übermitteln, das Anliegen zu unterstützen.

 

Begründung:

Berlin ist Mitglied im Bündnis „Städte für das Leben – Städte gegen die Todesstrafe“, dessen 8. Internationaler Aktionstag gegen die Todesstrafe am 30. November stattfand. Im Fall Mumia Abu-Jamal in den USA, der im Kampf gegen die Todesstrafe weltweit von hoher symbolischer Bedeutung ist, kann es in Kürze zur Vollstreckung eines die fundamentalen Menschenrechte verletzenden Todesurteils kommen. Auf der ganzen Welt engagieren sich Solidaritätsbündnisse seit Jahrzehnten für die Rechte Mumia Abu-Jamals. Auch Städte und Kommunen leisteten ihren Beitrag: So wurde er 2003 zum Ehrenbürger der Stadt Paris ernannt. Und auch in Deutschland ist die Solidaritätsbewegung bereits seit vielen Jahren aktiv.

 

Aufgrund der neuerlichen Wendung des Falles (siehe unten) haben die Bremer Bürgerschaft und die Stadträte von München und Fürth Resolutionen gefasst, in denen ein neues, faires Gerichtsverfahren für Mumia Abu-Jamal und die Aufhebung des Todesurteils gefordert werden. Zusammen mit den zahlreichen Solidaritätsbündnissen und Prominenten wie Günter Wallraff, Klaus Staeck, Rolf Becker, Volker Ratzmann u. v. a. sollen sich auch das Abgeordnetenhaus von Berlin und die BVV Lichtenberg für die Rechte Mumia Abu-Jamals einsetzen. Die Solidaritätsbewegung lebt von breitem, weltweiten Engagement und nur dieses scheint gewährleisten zu können, dass die Forderung nach Anerkennung und Achtung der Menschenrechte überhaupt das nötige Gewicht in der öffentlichen Debatte in den USA erhält.

 

Der Fall Mumia Abu-Jamal

Seit mehr als 27 Jahren sitzt der afro-amerikanische Bürgerrechtler und Journalist Mumia Abu-Jamal in den USA in der Isolation des Todestraktes. Ihm wurde zur Last gelegt, am 9. Dezember 1981 den Polizisten Daniel Faulkner erschossen zu haben. Der Prozess, der im Jahre 1982 zu einer Verurteilung wegen „first degree murder“ (ungefähr: Mord in besonders schwerem Fall) führte, wird von Amnesty International als fehlerhaft und nicht den minimalen internationalen Standards einer fairen Verhandlung genügend eingeschätzt. So wurden Mumia Abu-Jamal die Wahrnehmung wesentlicher Prozessrechte wie die Beschaffung der für seine Verteidigung notwendigen Informationen erschwert und die Staatsanwaltschaft lehnte nach offenbar ethnischen Gesichtspunkten potentielle Jury-Mitglieder afro-amerikanischer Abstammung ab.

Der verhandlungsführende Richter Albers F. Sabo darf als befangen gelten. Nach Angaben von Amnesty International hat Judge Sabo in einem 14-Jahreszeitraum mehr Angeklagte zum Tode verurteilt als jeder andere Richter der Vereinigten Staaten von Amerika. Von den insgesamt 31 zum Tode Verurteilten waren 29 Angehörige einer ethnischen Minderheit. Wiederholt kam es im Gerichtssaal zu Streitigkeiten zwischen Sabo und dem Angeklagten um die Zulassung eines nicht-lizenzierten Rechtsbeistandes, die abgelehnt wurde, obwohl es gängige und zulässige Praxis im Staat Pennsylvania war, auch Nicht-Juristen zu ermöglichen, am Tisch der Verteidigung Platz zu nehmen.

 

Mumia Abu-Jamal verteidigte sich zunächst selbst, nachdem er den ihm zugewiesenen Pflichtverteidiger Anthony Jackson in der Vorverhandlung abgelehnt hatte, da er mit seiner Leistung nicht zufrieden war. Dieser wurde daraufhin als Nebenverteidiger eingesetzt. In einer Eidesstattlichen Erklärung Jacksons aus dem Jahr 1995 räumte er ein, dass er als Nebenverteidiger „unvorbereitet“ in das Verfahren ging und drei Wochen vor seinem Beginn „alle Anstrengungen zur Verfahrensvorbereitung aufgegeben“ hatte.[1]Im Zuge der Streitigkeiten um den Rechtsbeistand wurde Abu-Jamal schließlich das Recht entzogen, sich selbst zu verteidigen, woraufhin Jackson - trotz der Ablehnung im Vorverfahren  – wieder zum Hauptverteidiger wurde. Von diesem Zeitpunkt an wurde überwiegend in Abwesenheit des Angeklagten verhandelt.

 

Aufgrund zu geringer bewilligter Finanzmittel konnte die Verteidigung während des gesamten Prozesses ihren Aufgaben nur unzureichend nachkommen. So war es ihr nicht möglich eigene ballistische und pathologische Gutachten vorzulegen. Auch konnte sie nur einen Bruchteil der Zeugen vernehmen, die Polizei und Staatsanwaltschaft verhört hatten. Ein erstmals zwei Monate nach der Schießerei durch zwei Polizisten und einen Wachmann bezeugtes vermeintliches Geständnis Mumia Abu-Jamals aus der Tatnacht führte dann schließlich maßgeblich zur Verurteilung.

 

Im anschließenden Prozessabschnitt der Strafmaßfindung rief Pflichtverteidiger Jackson keinen einzigen Leumundszeugen auf, obwohl ein Abgeordneter des Staates Pennsylvania bereit war, für Abu-Jamal auszusagen und seinen guten Leumund unter Eid zu bekräftigen. Ebenso wurden seine Mutter und Schwester nicht gehört, die vorbereitet waren, im Zeugenstand zu erscheinen, um die Berücksichtigung mildernder Umstände zu erwirken.

 

Trotz dieser schwerwiegenden Verfahrensmängel gelang es den Anwälten Mumia Abu-Jamals bis heute nicht, eine Neuverhandlung durchzusetzen. Zweimal (1995 und 1999) konnte die Vollstreckung der Todesstrafe durch die Einreichung von Berufungsanträgen – unterstützt und begleitet von internationalen Solidaritätsaktionen – verhindert werden. Zwei Urteile von US-Bundesgerichten bestätigten 2001 und 2008 die Möglichkeit der Umwandlung der Todesstrafe in lebenslängliche Freiheitsstrafe. Da das Todesurteil von 1982 zu keinem Zeitpunkt aufgehoben wurde, sitzt Mumia Abu-Jamal seit diesem Zeitpunkt ununterbrochen im Todestrakt unter Haftbedingungen, die nach herrschender Meinung in Deutschland gegen die Menschenwürde verstoßen. Durch die Entscheidung des Supreme Courts of the United States (des Obersten Gerichtshofs der Vereinigten Staaten  von Amerika) vom 6. April 2009 ist ein neuer Prozess nunmehr ausgeschlossen worden, Mumia Abu-Jamal bleibt damit wegen Mordes rechtskräftig verurteilt. Offen ist zurzeit noch, wie der SCOTUS über die Rechtmäßigkeit des Strafmaßes befinden wird, was im günstigen Fall zu seiner Neuverhandlung führen könnte.

 

Begründung der Dringlichkeit:

Am 6. April 2009 hat der Supreme Court of the United States entschieden, dass die Verurteilung wegen Mordes rechtskräftig bleibt. In einer zweiten, separaten Entscheidung, mit der nun jederzeit gerechnet werden muss, wird über die Rechtmäßigkeit des Strafmaßes befunden werden. Im Falle der Bestätigung des Todesurteils, will Governor Ed Rendell (Gouverneur von Pennsylvania und einer der an den Ermittlungen zum ursprünglichen Prozess beteiligten Staatsanwälte) den Hinrichtungsbefehl unverzüglich unterzeichnen. Die Bremer Bürgerschafts-Fraktionen der Parteien DIE LINKE., BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und SPD haben einen ähnlichen Antrag bereits im November 2009 als Dringlichkeitsantrag eingereicht.

 



[1]    Vgl. Amnesty International: United States of America. A life in the balance. The case of Mumia Abu-Jamal. o.O. 2000. S. 12. ( http://www.amnesty.org/en/library/info/AMR51/001/2000 ) Zuletzt aufgerufen: 15. Dezember 2009.

 
 

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