Der Ausschuss Kultur empfiehlt der Bezirksverordnetenversammlung:
Die parallel zur Hauptstraße verlaufende Anliegerstraße am Quartier Artists Village III (nordöstlich des Alice-und-Hella-Hirsch-Rings) im Gebiet Rummelsburger Bucht wird in
Vicki-Baum-Straße
benannt. Die Querverbindungsstraßen zur Straße „An der Bucht“ sind in die Benennung einzubeziehen.
Sollte der Name bereits zeitgleich vergeben worden sein, wird die betreffende Straße in Helene-Lange-Straße benannt. Die Straßennamensschilder sind mit Erläuterungsschildern gemäß Abs. 14, 19 und 20 der AV Benennung zu versehen.
Begründung:
Der Ausschuss Kultur hat in seiner Sitzung am 20. November 2008 über mehrere Namensvorschläge einer Bürgerinitiative künftiger Anwohner beraten und sich auf o. g. Benennungsvorschlag verständigt. Da der unmittelbar bevorstehende Bezug der Häuser ein beschleunigtes Verfahren erfordert, hat sich der Ausschuss auf eine Alternativvariante verständigt, die für den Fall greift, dass gleiche Benennungsabsichten anderer Bezirke bereits bestehen. Für die Benennung könnte dann ohne nochmalige Beschlussfassung die Alternativvariante umgesetzt werden. Beide Benennungsvorschläge korrespondieren mit den bisherigen Benennungen in den umliegenden Quartieren. In Übereinstimmung mit der AVO zum Berliner Straßengesetz kann mit dieser Benennung eine Übertragung des in Berlin mehrfach geführten Straßennamens „Hauptstraße“ für diese Anliegerstraße vermieden werden. Der Ausschuss würdigt die Initiative der künftigen Anwohner mit Namensvorschlägen zur Würdigung verdienstvoller Frauen im Lichtenberger Straßenbild beizutragen.
Begründung der Dringlichkeit:
Die Dringlichkeit ergibt sich aus dem Baufortschritt und dem unmittelbar bevorstehenden Bezug der dortigen Häuser, der eine rasche Benennung der Straßen erfordert.
Abstimmungsergebnis: 10/0/0
Anlagen: Skizze zum Straßenverlauf
Biografien
Vicki Baum
Musikerin und Schriftstellerin
Geb. 24. Januar 1888 in Wien
Gest. 29. August 1960 in Los Angeles/USA
Bekannt ist Vicky Baum vor allem als eine der ersten deutschsprachigen Bestsellerautorinnen. Bis heute ist ihr Berlin-Roman „Menschen im Hotel“ in 15 Sprachen erhältlich. Mit ihren Romanen, die von den Nationalsozialisten als „amoralisch“ diffamiert wurden, traf die jüdische Schriftstellerin in besonderer Weise den Zeitgeist der 1920er und 1930er Jahre und setzte der „modernen“ Frau ein erstes Denkmal. Auch sie würde die Reihe der Namengeberinnen in der Rummelsburger Bucht sinnvoll ergänzen.
Biografie
1888
Am 24. Januar wird Hedwig Baum, genannt Vicki, als Tochter des jüdischen Beamten Hermann Baum und dessen Frau Mathilde in Wien geboren.
Ab 1902
Bereits als Schülerin verfasst sie kurze Geschichten.
1904-1910
Nach dem Besuch des Pädagogiums in Wien studiert Baum an der Hochschule für Musik und wird Harfenistin im Symphonieorchester des Wiener Konzertvereins.
1906-1910
Ehe mit dem Journalisten Max Prels, für den sie neben ihrem Beruf als Musikerin journalistisch arbeitet. Ihre Karriere als Schriftstellerin beginnt, als Prels unter seinem Namen kurze Geschichten von Baum an eine Berliner Literaturzeitschrift schickt. Baum verfolgt ihre Schreibtätigkeit nicht mit dem Ziel, hervorragende Literatur zu verfassen. Für sie bedeutet das Schreiben eine gute Verdienstmöglichkeit.
1912-1916
Engagement als Harfenistin am Darmstädter Hoftheater.
1916
Hochzeit mit dem Dirigenten Richard Lert. Aus der Ehe gehen zwei Söhne hervor.
Baum gibt ihre Musikkarriere auf und ist fortan journalistisch und literarisch tätig. Sie lebt mit ihrer Familie in Kiel, Hannover, Mannheim und Berlin.
1926-1932
Redakteurin für die „Berliner Illustrierte Zeitung“, „Die Dame“ und „Uhu“ aus dem Berliner Ullstein-Verlag.
1928
Baum veröffentlicht ihren Roman „Stud. Chem. Helene Willfüer“, der ein großer Erfolg wird. Bis 1931 werden über 100.000 Exemplare verkauft. Im deutschsprachigen Raum ist die Erzählung damit das am meisten gelesene Buch zur Thematik der „Neuen Frau“. Der Roman beschreibt das Eindringen von Frauen mit höherer Bildung in die männliche akademische Arbeitswelt und thematisiert das neue Selbstbewusstsein und Lebensgefühl der „modernen“ Frau in der Weimarer Republik.
1929
Der Roman „Menschen im Hotel“, den Baum in nur drei Monaten schreibt, erscheint. Baum skizziert hier das Leben in einem Berliner Grand Hotel gegen Ende der 1920er Jahre. Um eine möglichst reale Atmosphäre schildern zu können, arbeitet Baum vier Wochen als Zimmermädchen in einem großen Berliner Hotel. Mit „Menschen im Hotel“ erlangt sie internationale Anerkennung. Es ist ihr erster Roman, der ins Englische übersetzt wird. Heute ist das Buch in 15 Sprachen erhältlich.
1930
16. Januar: „Menschen im Hotel“ wird in Berlin im Theater am Nollendorfplatz von Max Reinhardt uraufgeführt. Die Theateradaption erobert die Bühnen Europas und Nordamerikas, wo es auch am New Yorker Broadway erfolgreich inszeniert wird.
1931
Reise nach New York und Hollywood anlässlich der Verfilmung ihres Bestsellers „Menschen im Hotel“ unter der Regie von Edmund Goulding (1891-1959). Neben Greta Garbo konnten Joan Crawford, John und Lionel Barrymore für den Film verpflichtet werden, der unter dem Titel „Grand Hotel“ in den Kinos läuft.
Bei der Oscarverleihung erhält „Grand Hotel“ die Auszeichnung in der Kategorie „Bester Film“.
1932
Baum übersiedelt mit ihrer Familie nach Kalifornien.
1932-1946
Sie ist als Drehbuchautorin für Paramount Pictures, später für Metro-Goldwyn-Mayer (MGM) und als freie Schriftstellerin in Hollywood tätig. Der Durchbruch gelingt ihr in diesem Genre jedoch nicht.
1935
Da die Arbeiten der jüdischen Schriftstellerin Baum vom NS-Regime mit einem Publikationsverbot belegt werden, publiziert sie ihre deutschsprachigen Bücher beim Amsterdamer Exilverlag Querido. Hier erscheint 1939 auch der Roman „Hotel Shanghai“, der sich dem Flüchtlingsthema in der chinesischen Hafenmetropole widmet.
Baum unternimmt Reisen durch die Welt, so nach Ägypten, Mexiko, China und Bali.
1938
Baum nimmt die amerikanische Staatsbürgerschaft an.
1960
29. August: Vicki Baum stirbt in Los Angeles. Ihr Gesamtwerk umfasst 35 Romane, dazu Drehbücher, journalistische Arbeiten und Theaterstücke. Mit ihren Romanen, die von den Nationalsozialisten als „amoralisch“ diffamiert wurden, traf die jüdische Schriftstellerin in besonderer Weise den Zeitgeist der 1920er und 1930er Jahre und setzte der „modernen“ Frau ein erstes Denkmal.
Helene Lange
Pädagogin, Frauenrechtlerin
Geb. 9. April 1848 in Oldenburg
Gest. 13. Mai 1930 in Berlin
Helene Lange gehörte zu den treibenden Kräften der ersten deutschen Frauenbewegung. Ihr pädagogisches und politisches Engagement widmete sie in erster Linie der Bildung junger Frauen. Ab 1874 unterrichtete sie auch an der „Krahmerschen Höheren Mädchenschule“ in Lichtenberg, bis zu ihrem Lebensende blieb Lange in Berlin aktiv. Auch sie würde gut zu anderen Namengeberinnen der Gegend, wie etwa Lina Morgenstern, passen.
Biografie
1848
Am 9. April wird Helene Lange als Tochter des mittelständischen Kaufmanns Carl Theodor Lange und dessen Frau Johanne in Oldenburg geboren.
Als sie acht Jahre alt ist, stirbt die Mutter an der Schwindsucht; neun Jahre später erliegt der Vater einem Gehirnschlag. Die Vollwaise wird von ihrem Vormund für ein Jahr in ein süddeutsches Pfarrhaus gegeben.
1866
Da der Vormund ihr den Wunsch nach einer Lehrerinnenausbildung abschlägt, tritt sie zunächst eine "au pair"-Stelle in einem Internat in Petit Château im Elsass an. Sie gibt Stunden in deutscher Literatur und Grammatik und kann dafür an allen Lehrveranstaltungen teilnehmen.
Sie beginnt ein intensives Selbststudium der Philosophie, Literatur- und Religionsgeschichte, Geschichtswissenschaft und der alten Sprachen.
1867
Lange tritt eine Stelle als Erzieherin in einer Fabrikantenfamilie in Osnabrück an.
1871
Sie übersiedelt nach Berlin, um sich auf das Lehrerinnenexamen vorzubereiten. Nach Abschluss des Examens arbeitet sie als Hauslehrerin. Fortan engagiert sie sich für die Emanzipation von Mädchen und Frauen durch Bildung; sie tritt dem „Verein deutscher Lehrerinnen und Erzieherinnen“ bei.
ab 1874
Lange unterrichtet Sprachen an der „Krahmerschen Höheren Mädchenschule“ in Lichterfelde bei Berlin.
1876-1891
Sie unterrichtet an der „Crainschen Höheren Mädchenschule“ und baut dort das Lehrerinnenseminar auf.
1887
Sie richtet zusammen mit anderen Frauen eine Petition an das preußische Unterrichtsministerium und an das Abgeordnetenhaus, in der ein größerer Einfluss der Lehrerinnen in den öffentlichen höheren Mädchenschulen und eine wissenschaftliche Lehrerinnenausbildung gefordert werden. Die Eingabe wird abgelehnt.
In der so genannten Gelben Broschüre, einer Begleitschrift zu dieser Petition, fasst Helene Lange ihre Haltung zur Frauenbildung zusammen. Ihr Ziel ist die Unterrichtung der Mädchen durch Frauen, die sich ihrer Ansicht nach besser in das Wesen der Mädchen einfühlen können. Bisher werden die meisten Lehrveranstaltungen von Männern abgehalten.
1889
Sie bietet Realkurse für Frauen in Berlin an, die 1893 in Gymnasialkurse umgewandelt werden.
1890
Lange gründet den „Allgemeinen Deutschen Lehrerinnenverein“ (ADLV) als Interessenvertretung der weiblichen Unterrichtenden und übernimmt die Leitung des Vereins.
1893
Lange gründet die Zeitschrift „Die Frau“, die sich zur bedeutendsten Zeitschrift der bürgerlichen deutschen Frauenbewegung entwickelt.
ab 1893
Sie ist im Vorstand des Allgemeinen Deutschen Frauenvereins (ADF).
1894
Lange tritt als Vorstandsmitglied dem neu gegründeten „Bund Deutscher Frauenvereine“ (BDF) bei, dem Dachverband aller deutschen Frauenverbände. Den sozialdemokratischen Frauengruppen verweigert sie den Beitritt, da sie deren gesellschaftspolitische Forderungen ablehnt.
ab 1898
Lange wohnt und arbeitet mit Gertrud Bäumer zusammen.
1906
Lange wird zu Beratungen der preußischen Kultusverwaltung zugezogen, die 1908 zur preußischen Mädchenschulreform führen.
1908
Nach Aufhebung der Preußischen Vereinsgesetzgebung, die Frauen die Mitgliedschaft in politischen Parteien untersagt hat, schließt sie sich der linksliberalen Freisinnigen Vereinigung an.
1914-1918
Im Ersten Weltkrieg unterstützt sie den Nationalen Frauendienst, der Frauen zur Kriegsunterstützung organisiert.
1917-1920
Lange und Bäumer leben zusammen in Hamburg.
Lange gründet die „Soziale Frauenschule“ in Hamburg und arbeitet dort als Lehrerin.
1919
Nach Erlangung des aktiven und passiven Wahlrechts für Frauen in der Weimarer Republik wird Lange für die Deutsche Demokratische Partei (DDP) in die Hamburger Bürgerschaft gewählt. Sie eröffnet deren konstituierende Sitzung als Alterspräsidentin.
1920
Lange und Bäumer ziehen zurück nach Berlin.
Lange zieht sich allmählich aus der Vereinsarbeit zurück, bleibt aber weiterhin publizistisch tätig.
1923
Sie erhält die Ehrendoktorwürde für Staatswissenschaften der Universität Tübingen.
1928
Verleihung der großen preußischen Staatsmedaille „Für Verdienste um den Staat“.
1930
13. Mai: Helene Lange stirbt in Berlin.