Drucksache - DS/0146/VI  

 
 
Betreff: Alkoholmissbrauch verhindern
Status:öffentlich  
 Ursprungaktuell
Initiator:Fraktion Bündnis 90/Die GrünenBezirksamt
  BzStR FamJugGes,
Drucksache-Art:Antrag zur BeschlussfassungDringliche Vorlage zur Kenntnisnahme
Beratungsfolge:
Bezirksverordnetenversammlung Lichtenberg von Berlin Entscheidung
22.02.2007 
5. Sitzung in der VI. Wahlperiode der Bezirksverordnetenversammlung Lichtenberg von Berlin ohne Änderungen in der BVV beschlossen   
Bezirksverordnetenversammlung Lichtenberg von Berlin Entscheidung
24.05.2007 
8. Sitzung in der VI. Wahlperiode der Bezirksverordnetenversammlung Lichtenberg von Berlin mit Abschlussbericht zur Kenntnis genommen   

Sachverhalt
Anlagen:
Antrag B'90/Die Grünen PDF-Dokument
Dringl. Vorlage z. Ktn. BA (Abb.) PDF-Dokument

Das Bezirksamt wurde ersucht:

Das Bezirksamt wurde ersucht:

  1. die Kontrolle in Lokalitäten, die Flatrate- Partys anbieten, bezüglich der Einhaltung des Jugendschutzes zu verstärken.
  2. zu Prüfen, in wie fern alkoholische Getränke in unbegrenzter Menge kostenfrei ausgeschenkt werden dürfen und dabei § 6 des Gaststättengesetzes eingehalten wird.

 

Das Bezirksamt bittet die BVV, Folgendes zur Kenntnis zu nehmen:

 

1.        Das Jugendamt am 08.02.2007 hat ein Amtshilfeersuchen an das LKA 256 bezüglich derKontrollen der Diskothek „Nachtfabrik“ in 13055 Berlin Lichtenberg, Ferdinand- Schulze-Straße 95-99 sowie der Diskothek „Tollhaus“ in der Siegfriedstraße gestellt. Durch verschiedene andere Großveranstaltungen in Berlin, bei denen die Einsatzkräfte des LKA eingebunden waren, konnte dem Ersuchen bisher nur teilweise nachgegangen werden. Der Antrag befindet sich aber weiterhin im Vorgang des LKA.

Kontrollschwerpunkte – auch in Form gemeinsamer Verbundeinsätze zwischen Polizei und Ordnungsamt - sind z.Zt. öffentliche Plätze an denen Alkohol durch Jugendliche konsumiert wird.

Bisherige Kontrollen haben zum Teil („Nachtfabrik“) Verstöße gegen das Jugendschutzgesetz ergeben.

Durch die Kontrollen soll sichergestellt werden, dass die Betreiber der Diskotheken in Lichtenberg sich an das Jugendschutzgesetz halten.

Kontrollen wurden im April bereits im Lokal „Pascha“ in der Zingsterstraße und im Lokal „Coyote“ in der Grevesmühlener Straße durch die Polizeidirektion 6 durchgeführt. In letzterem Objekt waren gravierende Verstöße gegen das JugSchG feststellbar - in Form des unzulässigen Aufenthaltes Jugendlicher nach 24:00 Uhr.

Entsprechende Ordnungswidrigkeitsverfahren wurden eingeleitet. Darüber hinaus erhielt der Betreiber des „Coyote“ eine gewerberechtliche Abmahnung mit der Ankündigung des unverzüglichen Konzessionswiderrufes bei etwaigen erneuten Verstößen gegen das JuSchG.

Gegen einen weiteren Gaststättenbetreiber leitete das Ordnungsamt aus gleichen Gründen im April ein adäquates Widerrufsverfahren nach § 15 II Gaststättengesetz ein. Hier droht vorbehaltlich einer entsprechenden verwaltungsgerichtlichen Bestätigung eine generelle Betriebsschließung.

Im Juni führt das Jugendamt gemeinsame Kontrollen mit dem LKA 25 in Lichtenberger Gastronomiebetrieben durch.

 

2.        Eine Limitierung des Ausschankes alkoholischer Getränke hinsichtlich der Abgabemenge, wie auch in Korrelation zum Abgabepreis ist rechtlich nicht fixiert, regelt sich vielmehr nach den üblichen Mechanismen des Marktes, wie bspw. Angebot und Nachfrage. Zu beachten sind durch die Wirte (unabhängig vom Jugendschutz) allerdings die allgemeinen gaststättenrechtlichen Verbote des § 20 GastG, hier u.a.: Ausschankverbot an erkennbar Betrunkene sowie Kopplungsverbot im Zusammenhang mit der Abgabe von Speisen sowie alkoholfreien Getränken. Diesbezügliche Verstöße konnten in der jüngsten Praxis der Überwachung von Lichtenberger Gastronomiebetrieben nicht festgestellt werden. Überwachende Behörde ist i.d.R. der Polizeipräsident in Berlin hier das Referat Gewerbedelikte - vgl. Nr. 23 ZustKatOrd + § 1 II d ZustVO OWiG Bln.

Der zitierte § 6 GastG ist – obwohl von der Intention dem Schutz der Gesundheit, aber auch der Sicherheit des Straßenverkehrs dienend – für die „Verhinderung von Flatratepartys“ nicht einschlägig, da nach hiesiger Kenntnis bei solcherart Veranstaltung auch alkoholfreie Getränke zum Fixpreis konsumiert werden können.

 

§ 6 GastG – Ausschank alkoholfreier Getränke

„Ist der Ausschank alkoholischer Getränke gestattet, so sind auf Verlangen auch alkoholfreie Getränke zum Verzehr an Ort und Stelle zu verabreichen. Davon ist mindestens ein alkoholfreies Getränk nicht teurer zu verabreichen, als das billigste alkoholische Getränk…“.

 

Zur Bewertung sog. Flatratepartys als Indiz für eine mögliche gewerberechtliche Unzuverlässigkeit der Wirte nimmt das Bezirksamt rechtlich wie folgt Stellung:

Der Begriff der Zuverlässigkeit wird in § 4 Absatz 1 Nr. 1 GastG durch einige Beispiele vom Gesetzgeber näher erläutert. Danach fehlt die Zuverlässigkeit insbesondere dann, wenn Tatsachen befürchten lassen, dass der Gastwirt

- Unerfahrene, Leichtsinnige oder Willensschwache ausbeuten wird oder

- dem Alkoholmissbrauch Vorschub leisten wird.

 

Ein Ausbeuten von Willensschwachen dürfte bei Flatline-Parties nicht vorliegen, da dort volljährige Menschen zusammen kommen, die genau wissen, was sie von dieser Veranstaltung erwarten und sich bewusst auf die damit verbundenen Gefahren einlassen.

 

Auch ein Vorschubleisten zum Alkoholmissbrauch dürfte wohl eher nicht vorliegen. Grundsätzlich kann in Gaststätten mit der entsprechenden Erlaubnis an Volljährige Alkohol ausgeschenkt werden. Grundsätzlich ist es dem Gastwirt auch überlassen, zu entscheiden, zu welchem Preis er Alkoholika anbietet, ob er z.B. den Eintrittspreis hoch und den Getränkepreis niedrig ansetzt. Im letzteren Fall dürfte der Gast dadurch wohl animiert werden, eher mehr als ursprünglich geplant zu trinken.

Der niedrige Preis ist es auch, der bei den sog. Flatline Parties laut Deutscher Hauptstelle für Suchtgefahren die Hemmschwelle senkt, nicht zu viel zu trinken (vgl. Nachweis bei Wikipedia, Stichwort Party, Unterstichwort Flatrate Party ).

Ein günstiger Preis wird jedoch auch in Sonderangeboten des Einzelhandels offeriert. Die preiswerte Alkoholabgabe allein dürfte sich danach eher noch als in der Gesellschaft allgemein akzeptiertes sozialadäquates Verhalten darstellen.

 

Ein "Vorschubleisten zum Alkoholmissbrauch" wird erst gegeben sein, wenn außer dem günstigen Preis in manipulativer Weise auf den Kunden eingewirkt wird, so dass er bestimmte Gefahren des Alkoholgenusses nicht erkennt oder falsch gewichtet. Ob der Anreiz, den Wirt des Flatline-Trinkens durch besonders hohen Konsum zu schädigen oder aber die Stilisierung des übermäßigen gemeinsamen Alkoholgenusses zu einem "gesellschaftlichen Ereignis" hierfür ausreicht, erscheint fraglich. Immerhin gab es mit der "Happy hour" bzw. dem früher oft üblichen Angebot eines alkoholischen Getränks als preiswertestes Getränk im Lokal auch bisher schon Versuche, über den Preis das Konsumverhalten zu beeinflussen. Dieser Gesichtspunkt wäre es aber sicher wert, noch einmal nicht nur rechtlich vertieft betrachtet zu werden. Gegen ein Vorschubleisten spricht indes, dass hier durch die Werbung der mögliche Konsumentenkreis von vornherein mit einem Angebot bekannt gemacht wird, so dass der Gast in nüchternem Zustand und vor dem Lokalbesuch entscheiden kann, ob er sich hierauf einlassen will.

 

 

___________________                                              _____________________________

Emmrich                                                                     Räßler-Wolff

Bezirksbürgermeisterin                                              Bezirksstadtrat

 

 
 

Legende

Ausschuss Tagesordnung Drucksache
Bezirksparlament Aktenmappe Drucksachenlebenslauf
Fraktion Niederschrift Beschlüsse
Kommunalpolitiker Auszug Realisierung
   Anwesenheit Kleine Anfragen