Drucksache - DS/0298/V  

 
 
Betreff: Ist das Vorkaufsrecht eine Angelegenheit des Gemeinwohls?
Status:öffentlich  
 Ursprungaktuell
Initiator:FDPFDP
Verfasser:Heihsel, MarleneHeihsel, Marlene
Drucksache-Art:Mündliche AnfrageMündliche Anfrage
Beratungsfolge:
BVV Friedrichshain-Kreuzberg von Berlin Entscheidung
10.05.2017 
Öffentliche Sitzung der BVV Friedrichshain-Kreuzberg beantwortet   

Beschlussvorschlag

Wir fragen das Bezirksamt:

 

  1. Die Ausübung des Vorkaufsrechts in Gebieten nach Paragraf 172 Absatz 1 Baugesetzbuch steht unter dem Vorbehalt des Gemeinwohlerfordernisses. Inwiefern ist der Kauf von Wohnhäusern durch den Bezirk über das Vorkaufsrecht, von dem nur wenige Menschen (die Bewohner des Hauses) profitieren, ein Interesse des Gemeinwohls?

 

  1. Ist durch die Anwendung einer Abwendungsvereinbarung das Gemeinwohl gefährdet, weil beispielsweise Heizungsanlagen nicht saniert werden dürfen und dadurch umweltschädigende Elektroanlagen weiterbetrieben werden müssen?

 

  1. Warum reicht der Milieuschutz nicht aus, um die angestammte Bevölkerung zu schützen?

 

 

Beantwortung: BezStR Herr Schmidt

 

zu Frage 1: Die Ausübung des Vorkaufsrechts setzt tatsächlich voraus, dass das Wohl der Allgemeinheit die Ausübung rechtfertigt. Diese Voraussetzung ist bereits dann gegebenen, dann erfüllt, wenn die Ausübung des Vorkaufsrechts den Zielen und Zwecken der Erhaltungsverordnung dient. Sie dient der Erhaltung der Zusammensetzung der Wohnbevölkerung aus besonderen städtebaulichen Gründen und damit dem Allgemeinwohl.

Mit dem Instrument des Vorkaufsrechts werden die Ziele der Erhaltungsverordnung gefördert, da mietwirksame Bau- und Modernisierungsmaßnahmen sowie die Umwandlung von Miet- in Eigentumswohnungen durch den Ankauf wirksamer beschränkt werden können als dies ohne den Ankauf der Fall wäre.

 

zu Frage 2: Der Erwerber/die Erwerberin eines Grundstücks kann von dem Recht Gebrauch machen, die Ausübung des Vorkaufsrechts abzuwenden, in dem sie eine sogenannte Abwendungsvereinbarung unterzeichnet. Diese Vereinbarung enthält u.a. die Verpflichtung, auf die Änderung der baulichen Anlage auf dem Kaufgrundstück in Gestalt energetischer Sanierungsmaßnahmen zu verzichten, sofern keine Rechtspflicht zu ihrer Durchführung besteht.

Darunter fällt nicht der Ersteinbau einer Sammelheizung. Elektrisch betriebene Heizungsanlagen sind in der Regel Nachtspeicheröfen, die zugunsten einer Sammelheizung ausgetauscht werden können.

 

zu Frage 3: Das Vorkaufsrecht ist ausdrücklich ein Instrument des Milieuschutzes und vom Gesetzgeber in § 24 Abs. 1 Nr. 4 Baugesetzbuch so vorgesehen. Das städtebauliche Ziel der Erhaltungsverordnungen, die Zusammensetzung der Wohnbevölkerung zu erhalten, ist vielfach bei der Umwandlung von Miet- in Eigentumswohnungen und dem anschließenden Verkauf gefährdet. Für Friedrichshain-Kreuzberg ist ein starker Anstieg der Umwandlungstätigkeit empirisch belegt. Die Folge sind häufig beträchtliche Mietsteigerungen und ein zunehmender Verdrängungsdruck für einkommensschwächere Bevölkerungsgruppen.

Daran ändert auch die seit März 2015 bestehende Umwandlungsverordnung wenig, denn nahezu alle Antragsteller berufen sich auf den Ausnahmetatbestand des Verkaufs an Mieter. Dadurch wird die Umwandlung nur verschoben mit seinen negativen Folgen. Außerdem verkürzt sich dadurch der Schutz der Mieter vor der Eigenbedarfskündigung.

Mit der Ausübung des Vorkaufsrechts als zusätzlicher Baustein soll die Zusammensetzung der Wohnbevölkerung aus städtebaulichen Gründen wirksamer geschützt werden.

Ich möchte an dieser Stelle auch erwähnen, das ist eine komplexe Materie und ich möchte Sie auch einladen, weil Sie diejenigen sind, die auch in den sozialen Medien so ab und zu Kommentare ablassen, dass wir uns einfach mal hinsetzen und vielleicht wirklich diskutieren, weil ich glaube eigentlich, dass wir so weit voneinander nicht entfernt sein können. Ich kann Ihnen auch dann mal ein paar Beispiele zeigen, was wirklich für Verkaufsprozedere abgehen. Ein schönes Beispiel ist, das haben wir ja auch veröffentlicht, Zossener Straße 48. Da hatte der Käufer das Grundstück erworben und es dann gleich für 800.000 EUR, also ungefähr einen Viertel des Wertes gleich weiterverkauft. Mit dem haben wir ihn dann konfrontiert und aus diesem Grunde konnte dort auch keine Abwendungsvereinbarung mehr stattfinden, weil im Grunde es dadurch gar nicht schützens…, also schützbar mehr war, weil er es schon weiterverkauft hatte. Das ist einerseits eine technische Frage jetzt, die kann man juristisch natürlich diskutieren, da geht  auch ein Widerspruch, aber wenn man es mal von der menschlichen Seite sieht, dass einfach man kauft, um dann noch mal weiterzuverkaufen, dann ist genau das angesprochen, was ja auch, sage mal solide Medien, sicher auch aus Ihrer Sicht, wie die Zeit oder andere, Panorama im Moment massiv, ja, berichten, dass also da ein Grundstücksmarkt herrscht, wo es nur noch darum geht zu kaufen und weiterzuverkaufen usw., usw.

Das sind also Preissteigerungen, wo dann auch Verbände der Wohnungswirtschaft zu mir kommen, also ganz normale, jetzt nicht irgendwie Genossenschaften, sondern ganz normale sagen, diese Verhältnisse, die machen wirklich den soliden Umgang mit Immobilien kaputt in Berlin oder auch in andere Städten und die Familienunternehmen, die hier wirklich eine Tradition haben und die am Gemeinwohl orientiert sind, die Bestände halten, die privatwirtschaftlich funktionieren, die stehen hinten an, weil es Leute gibt, die mit Wohnraum und mit Grund und Boden spekulieren und insbesondere da hilft das Vorkaufsrecht natürlich dann auch nur, wenn wir zum Verkehrswert ausüben können. Insofern ist diese Polemik, die aufgezogen wird, dass man dann zum Verkehrswert ausübt, dass das dann quasi so eine Art … ja, Enteignung ist.

Also die rührt auch daher, dass die Verkaufspreise einfach so nach oben schießen, dass wir auch mit gewisser Hoffnung darauf hinauslaufen, auf dieses Gerichtsurteil zur Großrschenstraße, wo dann eben auch mal geklärt wird, zu welchem Verkehrswert sagen wir mal, zu welchem Prozentsatz das auch ausgeübt werden kann, denn ich denke, in der Zukunft wird es vor allem darum dann gehen, wenn die Preise sich so weiterentwickeln, zum Verkehrswert auszuüben und das sei auch noch mal allen gesagt, die in Friedrichshain-Kreuzberg ihr Geld auf diese Art und Weise investieren wollen.

 

Frau Heihsel: Herr Schmidt, das Angebot nehmen wir gerne an, obwohl ich mir relativ sicher bin, dass wir meilenweit auseinanderliegen. Ich habe noch eine Nachfrage, und zwar habe ich in der Presse des Öfteren gelesen, dass die Kanzlei BK Law dem Bezirksamt vorwirft, die Verwaltung gehe weit über die gesetzlichen Vorgaben hinaus, um politische Forderungen durchzusetzen und um Immobilienverkäufer und Käufer unter Druck zu setzen. Wie stehen Sie dazu?

 

zu Nachfrage 1: Herr Bottermann ist mittlerweile ein bekannter Rechtsanwalt, der sich da …, aber auch schon vorher - sage ich mal - in dem Feld bewegt hat, z.B. mit einem Post oder einem Eintrag auf seinem Blog, wo er regelrecht Hausbesitzern empfiehlt, vorsorglich, bevor Milieuschutzgebiete eintreten, ihre Häuser aufzuteilen in Eigentumswohnungen, denn es könnte ja der Milieuschutz kommen. Und ich sage es noch mal: Die Aufteilung von Mietraum in Eigentumswohnungen, das sozusagen im Sinne des Wohnungseigentumsgesetz als die Versorgung breiter Schichten mit Eigentum zu bezeichnen, das ist …, das grenzt …, das tun sie nicht, weiß ich nicht, vielleicht doch diskutieren wir demnächst, ja. Das grenzt aber aus meiner Sicht wirklich an Menschenverachtung. Die Menschen kommen wirklich weinend bei uns an und wissen, sie sind …, die müssen aus ihren Wohnungen raus, die müssen aus ihren Kiezen raus usw., usw., weil sie einfach …, da diese Wohnungen jetzt verwertet werden, in denen sie waren. Und das ist wirklich ein Umstand, also wer das nicht anerkennt, dass das so nicht geht, ist mir ein Rätsel und so eine Kanzlei, die das dann auch noch öffentlich so tut und beschreibt, wie das dann geht, die Tipps da gibt, die die Tipps … herausgibt, das ist schon …, weckt schon Zweifel an der Redseligkeit.

Und was sie dann dort gemacht haben, die Reaktion auf einen Fall, aber dann eben allgemein Richtung Lobby für die …, ich sage mal für die Immobilienspekulation, das war Folgendes: Sie haben einen Fall begleitet, in dem tatsächlich …, in dem regulären Verkaufs…, Entschuldigung, im Prüfverfahren zum Vorkauf, was zwei Monate dauert, zu Beginn des Verfahrens der Eigentümer und der Käufer darüber informiert wurden, wie die …, wie dieses Verfahren funktioniert, welche Komponenten das hat. Und wir hier im Bezirk haben ja, die BVV hat das beschlossen, verschiedene Kriterien und wir haben auch eine Abwendungsvereinbarung, die standardgemäß immer zur Verfügung steht. Und diese Abwendungsvereinbarung wurde dann auch bei der ersten Anhörung am Anfang dieser zwei Monate dem Mandanten gegeben und im Nachhinein, was wir als Transparent begreifen, dass wir sagen hier, das sind hier die Spielregeln, das wird dann von dieser Kanzlei als „unter Druck setzen“ und wie das dann auch immer weiter kolpoltiert wird bzw. in den Medien also als wirklich rechtswidrig und sonst wie bezeichnet, einfach um das Verfahren schlecht zu machen.

Aber ich fand es eigentlich gar nicht so schlecht, denn je bekannter wird, dass wir hier mit harten Bandagen dieses Instrument durchsetzen bei den Investoren, umso besser. Und was jetzt das andere Thema betrifft, dass wir über das Ziel hinausgehen, ich meine klar, dass das dem Käufer nicht gefällt, wenn wir eine Dienstbarkeit ins Grundbuch eintragen, weil dann ja der Verkauf nicht mehr möglich ist und das auch Bottermann in seiner Pressemitteilung sagt, dass das ja wirklich dann den Grundstücksmarkt stört, kann ich nur sagen ja, genau das wollen wir und ob das rechtmäßig ist, das können ja sie oder auch andere per Gericht dann überprüfen lassen. Ich hab an der Stelle … auch sagen, gemeinsam mit dem Senat werden wir hier durch alle Instanzen gehen und allen Käufern sei auch dies noch mal an die Hand gelegt. Man kann sich mit uns vor Gericht streiten, das dauert aber ein paar Jahre und das Geld ist dann erst mal geparkt irgendwo auf einem Notaranderkonto, bewegt sich aber nicht.

 

Frau Heihsel: Dann habe ich noch eine letzte Frage. Sie haben ja quasi gerade schon halb angedeutet, dass der Milieuschutz gar nicht so richtig zieht. Dann ist ja die Frage, sind Sie der Meinung, dass Spekulation unmöglich wird? Also man muss ja Ihrer Meinung nach Spekulation auf jeden Fall eindämmen und ist eine Möglichkeit, die Spekulation einzudämmen, das Wohnungsangebot zu erhöhen?

 

zu Nachfrage 2: Ich weiß, wir hatten ja schon mal mit Ihrer Fraktion das Problem mit dem Zeitunglesen, erinnere ich mich. Ich habe also eigentlich alle Dinge … Bitte? Gruppe, Entschuldigung. Also mit Ihrer Gruppierung hatten wir ja schon mal …

Wir hatten das Phänomen ja schon mal, dass Sie die Zeitung … dass das, was ich der Zeitung sage, auch gerne noch mal hier von mir gesagt haben wollen und ich habe das alles schon zehn Mal erläutert. Lesen Sie bitte auch meine Interviews. Was war noch mal die Frage?

Neubau, genau. Ich möchte das so verstanden wissen: Man sollte es nicht gegeneinander ausspielen. Ich meine, wenn Sie jetzt Spekulation durch Neubau einschränken, also könnte ich jetzt eine polemische Antwort mir ausdenken, aber ich bin auch schon ein bisschen müde und ich glaube, die Antwort muss sachlich lauten. Es gibt verschiedene Instrumente, aber insbesondere dort, wo wir gar nicht mehr so viel neu bauen können wie in Friedrichshain-Kreuzberg, wo wir ja die …, sagen wir mal die Zusammensetzung der Bevölkerung schützen wollen, das ist dann aber auch nicht nur der Schutz für die Ärmsten der Ärmsten. Es geht um die Zusammensetzung der Bevölkerung. Das heißt, wenn in einem Haus auch Menschen sind, die normal verdienen usw., dann ist auch dieses Haus schützenswert. Meistens ist ja in den Häusern bei uns im Bezirk noch eine Mischung, die wir erhalten wollen in den Häusern auch. Das heißt also, nicht gegeneinander ausspielen. Wir wollen auch, wir müssen auch den Markt dämpfen durch Wohnungsneubau auf jeden Fall und natürlich am besten bezahlbaren Wohnungsneubau, aber wir kommen mit einem Instrument, es gibt ja verschiedenste, also auch mietrechtliche, kommen wir nicht weiter. Wir müssen alle Instrumente anhören.

 

Herr Vollmert: Da die Fragesteller*innen ja implizit ein Gegensatz zwischen wenigen Menschen und dem Gemeinwohl aufmachen, würde ich gerne von dem Stadtrat wissen, ob er transfertechnisch eine kurze Antwort darauf geben könnte, ob er die Stärken des Gemeinwohls oder vieler Menschen durch die Senkung der Mehrwertsteuer für die Hotelübernachtung im Bezirk überhaupt sehen könnte?

 

zu Nachfrage 3: Also noch mal perfide Fragen, auch wenn sie gut gemeint wird, werden immer nur kurz beantwortet. Also danke ich Ihnen dafür und nein.

 

Herr Weeger: Ich versuche das auch wieder in eine Frage zu packen, ohne eine lange Vorrede. Ist vielleicht auch der von der FDP propagierte, der Entspannung des Wohnungsmarktes dienende Wohnungsneubau von dem, von der FDP nicht für dramatisch gehaltenen Bodenspekulationsmarkt betroffen? Gibt es da möglicherweise Wechselwirkungen auf Neubaumieten, die der FDP momentan noch verborgen sind?

 

zu Nachfrage 4: Also ich kann da eine Anekdote erzählen. Es war tatsächlich letztens ein Investor bei uns zur Besprechung dabei und hat erläutert, wie er sozusagen die Sache sieht. Und er hat gesagt, dass im Moment man den BGF …, wie soll ich erklären? Also wenn man jetzt ein Grundstück kauft, dann rechnet sich daraus über das Baurecht aus oder auch was man hofft, da bekommen zu können, kann man ja dann errechnen, was man eigentlich für den Nutzquadratmeter, die BGF oder die GFZ oder ähnliches zahlt. Und er hat gesagt, dass die Preise dafür in so astronomische Höhen  mittlerweile gestiegen sind, also gar nicht jetzt für irgendwie Baukosten oder ähnliches, sondern die Preise dafür, die seien teilweise bei 4.000 EUR pro m². Das müssen Sie sich mal auf der Zunge zergehen lassen, was das für Preise mittlerweile sind.

Also man muss eigentlich, und da bin ich auch dem Senat recht dankbar, man muss eigentlich das Thema Vorkauf noch mal ganz woanders ansetzen. Man muss es irgendwo beim Verkehrswert einjustieren, aber dann auch natürlich außerhalb von Sanierungsgebieten. Und deshalb, wenn ich das richtig verstehe, wird auch gerade an einer Vorkaufsverordnung auf Senatsebene gearbeitet und es gab auch schon erste Ankündigungen, ich glaube in Treptow-Köpenick so ein Gewerbegebiet zum Beispiel im Vorkauf, es war glaube ich Deutsche Bahn und ein andere, also da das Vorkaufsrecht zu ziehen. Ich bin jetzt nicht sicher, ob zum Verkehrswert, aber das ist eigentlich die einzige Lösung, um Bauland überhaupt noch bezahlbar zu halten.

 

 
 

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