Drucksache - DS/2005/IV  

 
 
Betreff: EA066 - Barrierefreier und bezahlbarer Wohnraum in Friedrichshain-Kreuzberg
Status:öffentlich  
 Ursprungaktuell
Initiator:Einwohner*inEinwohner*in
   
Drucksache-Art:Einwohner*innenanfrageEinwohner*innenanfrage
Beratungsfolge:
BVV Friedrichshain-Kreuzberg von Berlin Vorberatung
16.12.2015 
Öffentliche Sitzung der BVV Friedrichshain-Kreuzberg beantwortet   

Beschlussvorschlag

Wir fragen das Bezirksamt:
 

  1. Wie viele barrierefreie Wohnungen und Wohnungen die gut zugänglich sind, sind den Personenkreisen behinderte Menschen und Senior*innen, in jüngster Vergangenheit durch den Wegfall der Belegungsbindung verlorengegangen und wie viele Wohnungen werden zukünftig - in welchem Jahr - noch aus der Bindung raus fallen? (Wegfall der Anschlussförderung bzw. durch die Tilgung der öffentlichen Darlehn)
     
  2. Was gedenkt das Bezirksamt zu unternehmen, um die aktuell drohenden Wohnungsverluste, durch zu erwartende Mietsteigerungen, zu verhindern bzw. ausgleichen und wie gedenkt das Bezirksamt, darüber hinaus dem wachsenden Bedarf an barrierefreiem und bezahlbarem Wohnraum gerecht zu werden?

 

Begründung:

Schätzungen des Kuratoriums Deutsche Altershilfe - KDA - zur Folge, wird für Berlin ein zusätzlicher Bedarf von 41.000 barrierefreien Wohnungen festgestellt (Stand Juli 2014). Da es sich bei den Bedarfsgruppen um Seniorinnen und Senioren, sowie jüngere Menschen mit Behinderungen handelt, ist hinzuzufügen, dass die Wohnungen barrierefrei und bezahlbar, am unteren Einkommen gemessen, sein müssen.
Besorgt stellen wir fest, dass aber im Bezirk Friedrichshain-Kreuzberg sich eine gegenläufige Entwicklung abzeichnet. Immer mehr Wohnungen die das Kriterium barrierefrei bzw. gut zugänglich erfüllen, fallen aus der bedarfsgebundenen Vergabe raus/ bzw. werden raus fallen.
Entweder durch den Wegfall der Anschlussförderung der ehemaligen Sozialwohnungen des zweiten Förderwegs - Beispiel Wohnanlage Palisadenstr. 41 - 46 in Friedrichshain. Oder aber durch die Rückzahlung der in der Vergangenheit erhaltenen, öffentlichen Fördermittel - Beispiel: Gitschiner Str. 38, Kreuzberg.
Im beschriebenen ersten Fall können Vermieter, bei Neuvermietung fiktive Kostenmieten erheben, die den Einkommensverhältnissen der Bedarfsgruppen i.d.R. nicht entsprechen. Nach Rückzahlung der erhaltenen Fördermittel - Beispiel Gitschiner Str. fallen die Wohnungen aus der Sozialbindung und in den mietrechtlichen Geltungsbereich des BGB - Mietspiegel. Beide Rechtsfolgen, können zu drastischen Mietsteigerungen und daraus folgendem Wohnungsverlust führen.

 

 

Beantwortung: Herr Mildner-Spindler

 

zu Frage 1: Der Beschluss des Abgeordnetenhauses von Berlin aus dem Jahr 2003 über den Wegfall der Anschlussförderung hat dazu geführt, dass viele Wohnungen im weiteren Verlauf aus der Bindung gefallen sind oder durch Anwendung der Kostenmiete unbezahlbar wurden. Da haben Sie völlig recht. Vom Wegfall der Anschlussförderung sind in Friedrichshain-Kreuzberg 2.246 Wohnungen des Wohnungsbauprogramms 1985 bis 1997 betroffen. Im Ortsteil Kreuzberg handelte es sich u. a. um die im Rahmen der IBA 1984 hergestellten Wohngebäude im vor allen Dingen Westteil des Ortsteils; im Ortsteil Friedrichshain um den gesamten Bestand, der im Rahmen des sozialen Wohnungsbaus nach der Wiedervereinigung im Neubau errichtet wurde. Insgesamt sind in Berlin vom Wegfall der Anschlussförderung 538 Unternehmen mit 713 Objekten und 27.994 Wohnungen betroffen.

Im Bezirk sind 182 Wohnungen, die für Seniorinnen und Senioren und 46 Wohnungen, die für Rollstuhlfahrer gefördert wurden, vom Wegfall der Förderung betroffen. Das sind 23 % der öffentlich geförderten Seniorenwohnungen und 30 % der ehemals vorhandenen belegungsgebundenen Rollstuhlfahrer-Wohnungen, die nur durch den Ausstieg aus der Anschlussförderung nicht mehr für den Personenkreis zur Verfügung stehen.

Der Bestand von gebundenen Rollstuhlfahrer-Wohnungen hat sich von 2008 bis 2015 von 150 auf 111 Wohnungen reduziert. Der Bestand an Wohnungen, der alten Menschen vorbehalten ist, von 580 auf 513. Eine noch detailliertere statistische Auswertung ist leider nicht möglich bzw. sie ist mit einem so kurz nicht zu bewältigenden Aufwand verbunden. Objekte, die aus der Bindung fallen, werden im System sofort fragmentiert, d. h. alle relevanten Daten zur Wohnungsbestimmung bzw. zur Nutzung werden gelöscht, schwer wieder herstellbar.

Aussagen zur Anzahl der Wohnungen, die in den nächsten Jahren aus der Bindung fallen, können nicht getroffen werden. Neben den planmäßigen Ablösungen gibt es die Möglichkeit der vorfristigen Ablösung, der Zwangsversteigerung oder der im Wohnraumgesetz Berlin geregelten Beendigung der Bindung durch Eigentumsübertragung. Gleichfalls kann sich die Zeit der Belegungsbindung über das im Belegungsbescheid vereinbarte Datum hinausziehen, wenn die Darlehen nicht bedient werden und die Investitionsbank das toleriert.

 

zu Frage 2: Das ist jetzt eine verlässliche Aussage aus dem Baubereich. Das Bezirksamt setzt bei Neubauvorhaben mit mehr als vier Wohnungen konsequent den § 51 der BauO Berlin um und fordert, dass die Wohnungen eines Geschosses barrierefrei errichtet werden.

Zu den in Ihrer Begründung, die Sie jetzt nicht verlesen haben, aufgeführten Objekten, möchte ich noch folgende Erläuterungen machen: Sie sprechen da das Seniorenwohnhaus Gitschiner Straße 38 an. Dieses Objekt wurde als Wohnheim gefördert und fiel unter § 20 Wohnbindungsgesetz. Es gelten für dieses Objekt seit Bezugsfertigkeit die Mietvorschriften des BGB. Die Anwendung der 2. Berechnungsverordnung erfolgte nur zur betragsmäßigen Beschränkung der Miete nach oben, die Miete wurde praktisch auf die Höhe der Miete im sozialen Wohnungsbau gekappt. Das Verfahren richtete sich nach BGB, Einschränkungen, die die Miethöhenbestimmung und Geltendmachung der Mietforderung betreffen, sind mit der vollständigen Ablösung der öffentlichen Mittel im März 2015, also dieses Jahr entfallen. Mit der vollständigen Ablösung ist für die Miete uneingeschränkt das BGB anzuwenden, also Mieterhöhungsverfahren nach BGB.

Zur Palisadenstraße 41 - 46: Dank des Einsatzes u. a. der Palisaden-Panther hat ja das Bezirksamt sich mit der Situation der älteren Menschen in diesem Seniorenwohnhaus nicht nur beschäftigt, sondern mit dem Eigentümer vertraglich auch Vereinbarungen geschlossen, die man als vorbildlich und eigentlich auch einmalig bezeichnen kann hinsichtlich der Abwendung der Auswirkungen des Wegfalls der Anschlussförderung. Es kann gerade nicht als Beispiel für eine Vertreibung der Mieter durch Anwendung des Kostenmietenprinzips herangezogen werden. Dieses Objekt ist das einzige, das durch Selbstverzicht des Eigentümers den Bestandsmietern das Verbleiben in ihren Wohnungen sichert. In vielen anderen Wohnungen wurde die Kostenmiete erhoben, die Wirkungen kennen wir.

Grundlage für die vor Verdrängung der Bestandsmieter schützende Situation in der Palisadenstraße stellt ein Vertrag dar, den das Bezirksamt mit dem Eigentümer geschlossen hat. Dieser Vertrag sichert den Bestandsmietern eine finanzierbare Miete und somit den Verbleib in den Wohnungen. Im Gegenzug musste der Eigentümer versuchen, freiwerdende Wohnungen so zu vermieten, dass eine Quersubventionierung der Bestandsmiete erfolgen kann. Das ist auch erfolgt, so dass wir zwar für die Bestandsmieter einen Schutz erreichen konnten, aber die restlichen Wohnungen nicht als Seniorenwohnungen weiter erhalten konnten.

Im Objekt Palisadenstraße ist es dem Eigentümer durch Umstellungen, durch Umfinanzierung gelungen, wirtschaftliche Verhältnisse zu schaffen, die es ihm erlauben, das Objekt im Bestand zu halten. Er hat es eben nicht weiterveräert, er ist nicht in die Zwangsversteigerung gegangen. Wir haben jetzt eine Situation, dass wir die Bestandsmieter auch als Bezirksamt im Sinne von sozialer Mieterberatung seit Wegfall der Anschlussförderung durch das Wohnungsamt begleitet haben, dass die sozusagen Härtefallregelung, die eingeräumt ist, durch die IBB beantragt, genehmigt, getragen werden konnte. Wir haben mit dem neuen Wohnraumversorgungsgesetz, das zum Januar in Kraft tritt, noch mal eine andere Situation, die die Mieterinnen und Mieter vor Mietsteigerungen schützt. Wir haben Ende November die Bestandsmieter, die bis jetzt durch die IBB Zuschüsse erhalten haben, dahingehend beraten, dass sie ab Januar entsprechend dem Wohnraumversorgungsgesetz neue Versorgung in Anspruch nehmen können, die sie sogar noch in eine bessere Situation als unter der Härtefallregelung sehen wird.

Ja, dieses Beratungs- und Hilfeangebot war Teil des Vertrags, den der Bezirk mit dem Eigentümer und mit den Mieterinnen und Mietern eingegangen ist und hat, und das glaube ich ist einzigartig in Berlin, dazu geführt, dass die alten Bestandsmieter in ihrem Wohnraum verbleiben konnten.

 

Frau Haase: Ich finde das ja richtig also, dass die Palisaden., also dass die Mieterinnen und Mieter der Palisadenstraße jetzt da noch wohnen, aber für die Zukunft ist dieser Wohnraum einfach ., der wird zu teuer. Das kann sich niemand mehr ., kann sich der Durchschnitt der Bevölkerung, die dort gewohnt hat, nicht mehr leisten. Und das ist für mich eine Vernichtung von bezahlbarem und barrierefreiem Wohnraum. Die Neubauregelung, die befriedigt mich auch nicht. Wenn hier ein Haus gebaut wird mit mehr als vier Geschossen, dann ist, klar, die Berliner Bauordnung einzuhalten, aber wo wird es denn ., wo sind denn Baumaßnahmen geplant, die also wirklich ausreichenden bezahlbaren Wohnraum herstellen? Wo ist eine Bestandsertüchtigung geplant, die halt auch auf Barrierefreiheit ausgerichtet ist? Das wären meine Nachfragen.

 

zu Nachfrage 1 und 2: Ich glaube, dass ich auf beide Nachfragen in gewisser Weise schon eingegangen bin. Die so von mir verstandene 2. Nachfrage, wo wird bei Neubau was wie umgesetzt, kann, denke ich, objektbezogen Ihnen der Baustadtrat Panhoff ggf. detaillierter beantworten. Was wir generell sagen können ist, dass wir die Berliner Bauordnung konsequent anwenden und alle entsprechenden Gespräche auch so führen.

Und zu Ihrer 1. Frage: Ja, dessen waren wir uns bewusst, als wir den Vertrag zur Palisadenstraße eingegangen sind, dass das im Sinne von Quersubventionierung, wie ich das angeführt habe, bei Wohnungen, die leer werden und neu vermietet werden, zu der Wirkung führt, dass die Wohnungen teurer werden und dann ggf. nicht mehr durch ältere Menschen angemietet werden können. Es ist inzwischen auch zu einer bunteren und auch altersgemischten Situation in der Wohnanlage gekommen durch das Wohnraumversorgungsgesetz. Jetzt sind noch mal andere Regelungen und Unterstützungen getroffen worden, so dass ich denke in der Perspektive die Wohnungen, so wie sie angeboten werden, auch durch Ältere mit einem nicht so hohen Einkommen wieder angemietet werden können, weil sie eben, wenn die Miete ihr Einkommen übersteigt, das Anrecht darauf haben, eine Unterstützung zu bekommen, die sie dort in die Lage versetzt, so eine Miete zu bezahlen.

 

Frau Haase: Ja, dann wäre die Nachfrage folgerichtig an die Baubehörde, also an den Stadtrat Panhoff, was für Neubau oder Bestandsertüchtigungen sind geplant, die halt die Wohnraumversorgung erhöhen, also die halt den . ja, die einfach mehr Wohnraum, der barrierefrei und bezahlbar ist, herstellen?

 

Herr Panhoff: Die Frage, die Sie stellen, ist ja nicht so einfach zu beantworten, das mal vorneweg. Zum einen gibt es jetzt bei Neubauvorhaben, wo wir Planungsrecht herstellen, das kooperative Baulandmodell. Demnach sind 25 % bezahlbarer Wohnraum nachzuweisen durch die Bauherren und das wird dann über Wohnungsbaugesellschaften vergeben oder die Wohnungen werden an Wohnungsbaugesellschaften verkauft oder die Wohnungsbaugesellschaften bebauen diese 25% selbst. Und da gibt es die Möglichkeit, über die Wohnungsbaugesellschaften auch die Belegung zu steuern und wir hatten ja da auch eine entsprechende Sitzung zu diesem Thema. Das ist leider so, dass die da erst mal gebunden sind an diese Vereinbarung mit dem Senat, zum Wohnungsbündnis und wie weit also da jetzt Bedarfsgruppen mit besonderen Problemen am Wohnungsmarkt unterkommen, das obliegt dann den Wohnungsbaugesellschaften in ihrer Steuerung. Wir haben da als Bezirk keine Möglichkeit, direkt Einfluss drauf zu nehmen. Aber wir können das ansprechen, tun wir auch, aber das ist dann letzten Endes durch die Wohnungsbaugesellschaften zu entscheiden.

Sie fragen nach Ertüchtigung. Dazu kann ich Ihnen leider wenig sagen. Also wir prüfen diese ., wenn jetzt behindertengerechte Wohnungen eingerichtet werden, prüfen wir die bauaufsichtlich, aber zur Ertüchtigung kann ich Ihnen da wenig sagen. Wir haben als Bezirk ja keine Fördermittel, auf die wir da ausweichen können, leider, um so was zu sichern. Wir haben auch das Problem zum Beispiel bei betreuten Jugendwohngemeinschaften oder betreutes Wohnen für psychisch Erkrankte, dass die aus ihren angestammten Sitzen leider herausgedrängt werden, weil die Mieten steigen. Da haben wir zum Beispiel auch keine Möglichkeit als Bezirk, jetzt eine Mietbezuschussung zu gewähren, was in gewisser Weise auch natürlich ein bisschen fragwürdig ist, weil man am Ende ja immer nur die Hauseigentümer subventioniert oder denen das Geld gibt. Da sind wir leider auch nicht in einer guten Situation. Deswegen setzen wir uns ja auch ein dafür, dass solche Wohngemeinschaften im Neubau entstehen können. Das wird ja möglicherweise nachher noch mal Gegenstand einer mündlichen Anfrage. Zum Beispiel in der Blücherstraße 26, wo es darum geht, dass diese benachteiligten Gruppen eigentlich am Ende nur abgesichert werden können, wenn die sozialen Träger das in eigenem Eigentum machen. Solange die angewiesen sind und auch ausgeliefert sind bei Mietverträgen haben wir keine dauerhafte Garantie, dass solche betreuten Jugendwohngemeinschaften oder psychisch erkrankte Einzelwohner oder Gemeinschaften gesichert sind und da können wir von der Stadtplanung her nur unterstützen, dass, wenn es Entscheidungsmöglichkeiten gibt, so etwas auch dann ermöglicht wird.

Ein Beispiel, wo wir das tun, ist in der Marchlewskistraße. Dort soll r Obdachlose ein Wohnheim errichtet werden, das auch von Flüchtlingen oder für Flüchtlinge verwendet werden kann, wo wir da durchaus auch gewisse Ausnahmen und Befreiungen geben gegenüber dem bestehenden Baurecht. An solchen Punkten engagieren wir uns schon, aber ich sage mal am Ende wird es vermutlich erforderlich sein, dass im Land Berlin ein Förderprogramm aufgesetzt wird, um solche Spezialnachfragen am Wohnungsmarkt zu sichern. Mehr kann ich Ihnen jetzt leider so spontan nicht sagen als Auskunft.

 

 
 

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