Drucksache - DS/2296/III  

 
 
Betreff: Finanzielle Folgen bei Änderung des Bebauungsplans V-3 (Anschützgelände)
Status:öffentlich  
 Ursprungaktuell
Initiator:SPDSPD
Verfasser:Dahl, JohnDahl, John
Drucksache-Art:Mündliche AnfrageMündliche Anfrage
Beratungsfolge:
BVV Friedrichshain-Kreuzberg von Berlin Vorberatung
22.06.2011 
Öffentliche Sitzung der BVV Friedrichshain-Kreuzberg beantwortet   

Beschlussvorschlag

Ich frage das Bezirksamt:

Ich frage das Bezirksamt:

 

1.       Wie beurteilt der Finanzservice die finanziellen Auswirkungen für den Bezirk, sollte es zu einer Änderung des Bebauungsplans V-3 auf dem Anschützgelände und damit zu einem Verstoß gegen den zugrundeliegenden städtebaulichen Vertrag kommen?

 

2.       Wie würde sich der finanzielle Schaden für den Bezirk beziffern?

 

3.       Welche Pläne hat das Bezirksamt, um diesen Schaden im Bezirkshaushalt zu refinanzieren, ist mit einer erneuten Haushaltssperre zu rechnen?

 

Beantwortung: Herr Dr. Stöß

 

Zu Frage 1: Bei der Beurteilung der Risiken, die sich bei der Veränderung des Bebauungsplans ergeben könnten, ist zunächst von den folgenden Rahmenbedingungen auszugehen. Sie sprechen selber den städtebaulichen Vertrag an, der im Januar 2004 von dem damaligen Baustadtrat und derzeitigen Bezirksbürgermeister, Herrn Dr. Schulz, mit den Investoren der Anschutz-Entertainment Group und der BSR über die Entwicklung der Fläche rund um die o2-World zu einem neuen Stadtquartier abgeschlossen wurde.

Der städtebauliche Vertrag, er hat den Vorteil, dass Sie mit einem Investor die Durchführung oder die Übernahme von Kosten die Voraussetzung oder Folge dieses Vorhabens mit diesem vereinbaren können. Im Falle von Anschutz ist es zum Beispiel gelungen, den Ufergrünzug zu sichern, den Ankauf der dafür erforderlichen Flächen zu vereinbaren, den Investor an der öffentlichen Erschließung und der kostenlosen Übertragung der dafür erforderlichen Grundstücke zu beteiligen, Schaffung von öffentlichen Plätzen innerhalb des neu entstandenen Quartiers und die Begrünung von 20% der Dachflächen. Außerdem wurde die Pflanzung von 200 Straßenbäumen vereinbart. Das ist sozusagen die Gegenleistung für die Schaffung des Baurechts gewesen, die neben der Errichtung der Arena und erheblicher Gewerbeflächen auch 90.000 BDF an Wohnraum in diesem Bereich zum Gegenstand hatte.

Gegenleistung ist, da sich die Kommune und auch der Bezirk seine Planungshoheit nicht abkaufen lassen darf, nach dem Baugesetzbuch kann ein Anspruch auf eine Bauleitplanung durch Vertrag nicht vereinbart werden. Ja, man könnte also sagen, wenn Sie sich das vor Augen halten, der Bezirk hat damals gut verhandelt. Was geschieht nun, wenn das einmal gewährte und im Rahmen dieses städtebaulichen Vertrags vereinbarte Baurecht wieder entzogen wird, weil sich die städtebaulichen Vorstellungen ändern? Ja, dann müsste diese Änderung zunächst einmal rechtmäßig sein. In Abwägung aller Belange müsste der Entzug dieses Baurechts schwerer wiegen, nee, leichter wiegen als die Belange, die dafür sprechen, bei dem bisherigen Zustand zu verbleiben. Diese städtebauliche Abwägung dieser Belange kann auch Bürgerentscheid nicht ersetzen.

Wofür möglicherweise einiges spricht, diese Abwägung gar nicht möglich wäre zugunsten einer Veränderung des Baurechts, wäre die Änderung ohnehin rechtswidrig, könnte durch Gericht einkassiert werden und es würden sich zahllose Schadensersatzanforderung daran anknüpfen. Übrigens bei einer vorsätzlichen rechtswidrigen Veränderung werden sogar Regressforderungen gegen uns als Bezirksamtsmitglieder möglich. Nun heißt es aber Bange machen gilt nicht. Gehen wir mal davon aus, die Änderung wäre rechtmäßig, man käme also im Wege der Abwägung dahin, dann hätte man immer noch das Problem, dass man ein entzogenes Baurecht auch rechtmäßiger Weise nicht entschädigungslos entziehen kann. Wenn wir also im Bereich des Planungsschadens Recht befünden und zwar hier unter verschärften Bedingungen, weil im städtebaulichen Vertrag vereinbart wurde, dass bis zum 31. Dezember des Jahres 2020 eine Veränderung des Baurechts dazu führen müsste, dass wir den entstandenen Wertverlust ausgleichen müssen.

Das bedeutet, die im Gesetz vorgesehene 7-Jahres-Frist wäre hier also gar nicht einschlägig, sondern wir müssten alles, was bis 2020 passiert entschädigen. Allein diese Vereinbarung führt dazu, dass man von einem extrem finanziellen Risiko ausgehen muss, das sich einmal ergibt aus der Wertminderung der Grundstücke, der Rückerstattung von Aufwendung für die städtebaulichen und naturschutzrechtlichen Ausgleichsmaßnahmen und dem entgangenen Gewinn für Planungskosten der Architekten, die die Investoren bezahlt haben. Hinzu kommt, dass der Bezirk Fördermittel erhalten hat, für die der Investor dem Vernehmen nach auch den Eigenanteil gezahlt hat. Die Zurückerstattung jedenfalls dieses Eigenanteils wäre in jedem Fall zu besorgen. Unklar, aber als Risiko zu identifizieren wäre auch, ob wir, wenn wir den Bebauungsplan, wenn Sie den Bebauungsplan zunächst mal uns den Auftrag erteilen, den Bebauungsplan zu ändern, ob es dann  nicht insgesamt zu einer Rückforderung der 20 Mio. Fördermittel kommen könnte.

 

Zu Frage 2: Diese Schadensersatzforderungen sind damit der Höhe nach kaum zu beziffern aufgrund eines Anwaltsschreibens eines der Vertragspartner. Da gehen wir davon aus, dass sich allein für den Wertverlust bei der Verringerung der Bruttogeschossfläche um 27% ein Schadensersatz allein für den Wertverlust des einen Vertragspartners in Höhe von 42 Mio. EUR ergeben. Rechnet man den Wertverlust auf dem anderen Grundstück hinzu, Aufwendungsersatz usw. sind 50 Mio. wahrscheinlich eine konservative Schätzung. 20 Mio. EUR Fördergelder ist unklar, jedenfalls in Höhe des Eigenanteils wäre zu besorgen, dass dieser Anteil zurückgezahlt werden müsste.

 

Zu Frage 3: Was passiert dann eigentlich? Also ist eigentlich egal, ob es 40, 50 oder 70 Mio. Schadensersatz sind, die wir zahlen müssten. Der Bezirk wäre mit sofortiger Wirkung pleite. Das versteht sich glaube ich von selbst. Sie wissen, über welche Beträge wir hier verschiedentlich streiten, 40, 50 oder 70 Mio. gehören nicht dazu. Ich möchte mir mal den Vorsitzenden des Ausschusses für Personal, Haushalt und Investition an, wir haben es glaube ich gemeinsam in der Vergangenheit geschafft, durch eine besondere Haushaltspolitik den Weg in den Schuldenbezirk zu vermeiden. Es ist uns gelungen durch ein Risikomanagement zu verhindern, dass wir in die Verschuldung geraten. Wenn wir mit solchen Schadensersatzanforderungen konfrontiert wären, müsste dies dazu führen, dass wir natürlich sofort ein Konsolidierungsbezirk wären, unsere Haushaltsautonomie futsch wäre und ja. Ich glaube, der am meisten verschuldete Bezirk ist zur Zeit Mitte, das wären aber Waisenknaben gegen uns bei den Beträgen, die wir dann von 0 auf 100 vorlegen würden. Insofern ist gar nicht so sehr die Frage sofortige Haushaltssperre, sondern die Frage wäre, dass wir über Jahrzehnte nicht zu einer normalen Haushaltswirtschaft zurückkehren könnten und die Folgen nicht nur finanzieller und ökonomischer Art, sondern auch, was unsere Sozialeinrichtungen anginge, natürlich dramatisch wäre.

Die Kosten, die jetzt nicht beziffert sind, die die immateriellen, die natürlich für uns eintreten, wenn sich herumsprechen sollte oder schon herumgesprochen hat, dass unsere Unterschrift unter einem Vertrag nichts mehr wert ist. Dabei belasse ich es erst mal.

 

Frau Kapek: Was ist die genaue Berechnungsgrundlage / Quelle, die Sie für die von Ihnen angeführten Zahlen bzw. Schätzungen hier dargelegt haben?

 

Zu Nachfrage 1: Ja, ich kann Ihnen mal die Rechnung aufmachen. Also wenn die Zahl, die am sinnvollsten zu belegen sind, sind wahrscheinlich die 42 Mio., ich hatte ja eben schon in der Beantwortung darauf hingewiesen, dass mir ein Anwaltschreiben vorliegt der Kanzlei Nöhr, die darauf hinweisen, dass bei der Annahme des Antrags ihrer Fraktion und einer entsprechenden Änderung des Bebauungsplans die zulässige Bruttogeschossfläche nach einer ersten Einschätzung um ca. 140.000 m² und damit 27% sich verringern würde. Ausgehend von einem Quadratmeterpreis in dem betreffenden Gebiet von 300,00 EUR ergäbe sich ein wirtschaftlicher Minderwert der Grundstücke in einen Schaden des Investors in Höhe von 42 Mio.

 

Herr Jösting-Schüßler: Meine einzige Frage lautet: Das Gutachten, was Sie zitieren von der Sozietät Nöhr und das haben Sie ja gerade auch vorgelesen, bezieht sich sozusagen auf eine Reduzierung der Bruttogeschossfläche und aus der Reduzierung der Bruttogeschossfläche wird also berechnet, dass also ein Schaden oder eine Regressforderung von 42 Mio. steht. Jetzt kommt meine Frage: Wie schätzt denn das Bezirksamt ein, ob es also auch eine Regressforderung gibt, wenn zwar die Höhe lt. Antrag des Gebäudes reduziert wird, aber die Bruttogeschossfläche verteilt wird auf andere Gebäude, die zu genehmigen sind? Gibt es dann sozusagen den gleichen Regress oder löst sich der Regress auf?

 

Zu Nachfrage 2: Ja, ich habe es verstanden. Also ich kann Ihnen nur das zitieren, was hier bisher vorgelegt worden ist. Anderweitige Verteilungsschlüssel werden da nicht erwogen. Soweit mir bekannt ist, ist es allerdings so, dass die Vereinbarung des Vertrags darauf beruhen, dass innerhalb bestimmter Baufenster eine gewisse Flexibilität bei den Höhen auch vorgehalten wird. Sie werden sich besser erinnern, da Sie ja damals auch an den Verhandlungen unmittelbar beteiligt waren im Rahmen der II. Bezirksverordnung der Bezirksverordnetenversammlung. Insofern, wir sind jetzt in der III. Bezirksverordnetenversammlung und das war damals die II.

Die II. BVV hat sich damals glaube ich sehr umfangreich mit den Planungen beschäftigt und mir ist so vermittelt worden, so vorsichtig muss ich das jetzt mal sagen, dass der Vertrag auch vorsieht, dass der Investor diesen Spielraum haben muss, eben an bestimmte und von ihm gewählter Stelle auch diese maximalen Auslastungen vorzustehen, so dass ich jetzt mal davon ausgehen würde, dass das Steine statt Brot bringen, d. h., dass keine Verminderung oder Abmeldung der Schadensersatzanforderung ergeben würde, aber ich will auch nicht das Geschäft der Anwälte des Investors hier machen. Wenn ich danach gefragt werde, kann ich bei der von mir erwarteten vorsichtigen Herangehensweise jedenfalls nicht sagen, das wird dann schon weniger werden.

 

Herr Dr. Römer: Ich habe tatsächlich nur eine Frage und zwar bezieht sie sich auf den East-Side-Park. Da haben Sie vorhin in Ihren Ausführungen bezogen auf den städtebaulichen Vertrag bestimmte Ausführungen gemacht. Meine Frage: Was passiert, wenn der B-Plan in der hier vorgeschlagenen Art und Weise geändert wird, bezogen auf das jetzige Resultat East-Side-Park und die Begehbarkeit, Öffentlichkeit dieses Parks usw.? Danke.

 

Zu Nachfrage 3: Also ich kann Ihnen jetzt immer nur Auskünfte aus meinem erlernten Beruf geben. Nach meiner, wie bitte?

Also es ist so: Nach meiner Kenntnis ist es so, dass Sie bei einer vereinbarten Ausgleichs- und Ersatzmaßnahme immer das Maß der baulichen Ausnutzung zugrunde legen, die im Bebauungsplan vorgesehen wird und die Gegenstand des städtebaulichen Vertrages ist. Wenn sich die bauliche Ausnutzung verringert, verringert sich natürlich auch die Verpflichtung zur Vornahme von Ausgleichs- und Ersatzmaßnahmen, so dass auch der dadurch entstehende Schaden nach meiner Einschätzung, nach meiner Risikobewertung, nach der Sie mich ja fragen, auszugleichen wäre.

 

Herr Schärdel: Ich hätte gerne gewusst, teilen Sie meine Einschätzung, dass diese Schadensersatzforderung, über die Sie uns jetzt hier berichtet haben, dass die nicht mit dem möglichen Beschluss der Drucksache 2252, die wir heute hier beraten, entstehen würden, sondern erst mit Festsetzung oder Beschluss eines neuen B-Plans, den wir dann hier gesondert beschließen müssen?

 

Zu Nachfrage 4: Also wenn ich Sie richtig verstanden habe, zielt Ihre Frage darauf ab, was passiert, wenn man jetzt diese Meinungsgrundlage verabschiedet, aber den Bebauungsplan gar nicht verändern würde. Habe ich die Frage richtig verstanden?

Ja, natürlich. Also der Schaden entsteht erst dann, wenn es eine Außenwirkung gibt, d. h. wenn ein entsprechendes Baugesuch zurückgestellt werden müsste.

 

 

 

 
 

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