Wir
fragen das Bezirksamt:
1.
Sind
die in den Medien veröffentlichten Meldungen (z.B. Berliner Zeitung vom 4. Juli
2008) über die Vorfälle in der Kinder- und Jugendhilfeeinrichtung „Alte
Ziegelei Rädel e.V.“ bekannt?
2.
Wie
bewertet das Bezirksamt diese Vorfälle?
3.
Welche
Konsequenzen zieht das Bezirksamt aus den Vorfällen?
4.
Gab es
vor dem Bekanntwerden in den Medien Hinweise auf Kindeswohlgefährdungen in
dieser Einrichtung an das Bezirksamt? Wenn ja, wie wurde darauf reagiert?
5.
Nach
welchem pädagogischen Konzept bzw. Therapieansatz (Zielgruppe, zeitlicher
Horizont, eingesetzte Mittel) arbeitet die vorgenannte Einrichtung; wie
bewertet das Bezirksamt das pädagogische Konzept bzw. den Theorieansatz der
Einrichtung?
6.
Wie
viele Kinder und Jugendliche aus Friedrichshain-Kreuzberg sind bzw, waren in
der vorgenannten Einrichtung untergebracht?
7.
Bei
wie viel Kindern und Jugendlichen aus Friedrichshain-Kreuzberg hatte die dort
angewandte Therapie den gewünschten Erfolg und worin liegt dieser?
8.
In
welcher Höhe wurden und werden Haushaltsmittel im Zusammenhang mit der
Einrichtung durch das Bezirksamt Friedrichshain-Kreuzberg eingesetzt? (Um
Beantwortung getrennt nach Haushaltsjahren einerseits und nach
durchschnittlichen jeweiligen Fallkosten andererseits wird gebeten.)
Sehr geehrte Bezirksverordnete,
Ihre Anfrage beantworte ich
wie folgt:
1. Sind die in den Medien
veröffentlichten Meldungen ( z.B. Berliner Zeitung vom 4.Juli 2008 ) über die
Vorfälle in der Kinder- und Jugendhilfeeinrichtung „ Alte Ziegelei Rädel e.V.“
bekannt?
Die
Meldungen in den Medien sowie die diesen zugrunde liegenden Vorgänge sind dem
Jugendamt bekannt.
2. Wie bewertet das Bezirksamt die
Vorfälle?
Seit
dem Bekanntwerden der Vorfälle stand das Jugendamt in besonders engem Kontakt
mit der Einrichtung und dem Landesjugendamt Brandenburg. Trotz der
offensichtlichen Mängel in der Einrichtung bestanden nach übereinstimmender
Einschätzung der die Einrichtung aufsuchenden Sozialarbeiter/innen des
Jugendamts Friedrichshain-Kreuzberg keine Kindeswohlgefährdungen, die eine
sofortige Herausnahme von dort untergebrachten jungen Menschen erforderlich
gemacht hätte.
Auch
nach gegenwärtigem Stand geht das Landesjugendamt Brandenburg nicht von einer
Kindeswohlgefährdung aus (Infoveranstaltung des LJA für die unterbringenden
Jugendämter am 10.7.08). Mehrere belegende Jugendämter berichten von positiven
Entwicklungen der jungen Menschen.
Die
Mitarbeiterin Frau G., gegen die sich Vorwürfe der Misshandlung richten,
versieht seit dem 21.5.08 nicht mehr alleine in der Kinderbetreuung ihren
Dienst, mit Wirkung vom 3.7.08 ist sie beurlaubt und vom LJA wurde eine
Beschäftigungsuntersagung ausgesprochen. Das LJA geht nach Zusage der
Staatsanwaltschaft davon aus, dass bis zum 15.8.08 die Ermittlungen
abgeschlossen sein werden.
Die
ermittelnde Staatsanwaltschaft Potsdam hat teilweise weitere Verfahren schon
niedergeschlagen, weil die Vorwürfe nicht haltbar waren (so der zuständige
Staatsanwalt zum Missbrauchsvorwurf gegenüber dem LJA am 11.7.08, beim
Verfahren wegen Veruntreuung sei das Ende absehbar, auch hier wurden keine
Anhaltspunkte gefunden).
3. Welche Konsequenzen zieht das
Bezirksamt aus den Vorfällen?
Nach
Bekanntwerden der Vorfälle im März 2008 wurde sofort ein gesonderter Besuch zur
Überprüfung der Einrichtung durchgeführt, die Einrichtung wurde zudem von den
verschiedenen fallzuständigen Sozialarbeitern im Zusammenhang der
Hilfeplanungen aufgesucht. Es gab parallel eine enge Abstimmung mit dem Landesjugendamt
zur möglichen Gefährdung dort untergebrachter junger Menschen.
Die
Eltern der dort untergebrachten jungen Menschen wurden über die Vorwürfe und
strukturellen Mängel informiert und es wird ihnen eine Verlegung ihrer Kinder
angeboten.
Es
gab seit März 2008 keine Empfehlung des Jugendamts Friedrichshain-Kreuzberg an
antragstellende Eltern, ihr Kind in dieser Einrichtung unterzubringen. Laut
Auflage des LJA vom 10.7.08 dürfen zunächst bis 15.8.08 keine jungen Menschen
neu in der Einrichtung untergebracht werden.
Mit
Wirkung vom 10.7.08 erteilte das LJA der Einrichtung weiterhin folgende
Auflagen:
·
Es muss bis 01.09.08
ein/e Diplom-Sozialpädagoge/in mit dreijähriger Erfahrung im stationären
Jugendhilfebereich ausschließlich für die pädagogische Leitung des
Jugendhilfebereichs eingestellt werden.
·
Beschreibund der
Zusammenarbeit mit den Eltern und der Beteiligung von Kindern und Jugendlichen
·
Erstellung von Stellen-
und Aufgabenbeschreibungen aller Mitarbeiter/innen
·
Für alle
Mitarbeiter/innen muss ein persönlicher Qualifizierungsplan erstellt werden,
insbesondere den Heilerziehungspflegern soll die Möglichkeit eingeräumt werden,
sich berufsbegleitend zum Erzieher/in ausbilden zu lassen
Zur
Zeit (10.-14.7.08 ) befindet sich ein externer Berater, der vom Ministerium in
Potsdam bezahlt wird, täglich 8 Stunden in der Einrichtung um den Betrieb zu
beobachten, er kann an allen Gesprächen teilnehmen, alle Dokumente einsehen, er
soll eine Einschätzung der pädagogischen Arbeit abgeben, eine erste Auswertung
wird mit ihm am 16.7.08 stattfinden, er wird bis zum 20.8.08 eine ausführliche
schriftliche Expertise abgeben
Der
zuständige Schulrat war ebenfalls vor Ort. Die Vorwürfe, das Unterrichtsniveau
sei zu niedrig, haben sich nicht bestätigt. Alles entspräche den Maßstäben der
Waldorfpädagogik. Es werden noch Hospitationen im Unterricht durchgeführt
4. Gab es vor dem Bekanntwerden in den
Medien Hinweise auf Kindeswohlgefährdungen in dieser Einrichtung an das
Bezirksamt? Wenn ja, wie wurde darauf reagiert?
Wie
bereits erläutert, gab es bereits seit März Informationen über Mängel der
Einrichtung. Eine wesentliche Rolle spielten dabei auch Vorwürfe einer Mutter
eines vom Jugendamt Friedrichshain-Kreuzberg in der Einrichtung untergebrachten
jungen Menschen, so dass sich die zuständigen Fachkräfte unmittelbar mit
Vorwürfen der Kindeswohlgefährdung, aber auch Hinweisen auf massive Mängel in
der Kooperation zwischen Eltern und der Einrichtungsleitung auseinandersetzen
konnten. Es wurde sofort das Landesjugendamt einbezogen, eine Dienstreise zur
Einrichtung durchgeführt und Gespräche mit dem betroffenen jungen Menschen,
seinen Eltern und der Einrichtungsleitung geführt. Deutlich wurden die massiven
strukturellen Mängel der Einrichtung, u.a. unzureichende Leistungsbeschreibungen,
hohe Mitarbeiterfluktuation, nicht ausreichende Personalressourcen, fehlende
eigenständige pädagogische Leitung.
5. Nach welchem pädagogischen Konzept
bzw. Therapieansatz ( Zielgruppe, zeitlicher Horizont, eingesetzte Mittel )
arbeit die vorgenannte Einrichtung; wie bewertet das Bezirksamt das
pädagogische Konzept bzw. den Theorieansatz der Einrichtung?
Die
Kinder- und Jugendhilfeeinrichtung „Alte Ziegelei Rädel“ arbeitet auf
anthroposophischer Grundlage und der daraus entwickelten Waldorfpädagogik. Es handelt
sich nicht um eine psychologisch-therapeutische Einrichtung. Die
Waldorfpädagogik ist ein pädagogisch-ganzheitlicher Ansatz.
Besonderes
Merkmal der Einrichtung ist die Beschulungsmöglichkeit auf dem
Einrichtungsgelände. Dem Unterricht liegt der Lehrplan der Waldorfpädagogik
zugrunde. Es handelt sich um eine staatlich anerkannte Ersatzschule der
Erziehungshilfe.
Es
wurden gute Erfahrungen mit der Unterbringung junger Menschen in der
Einrichtung gemacht, bei denen insbesondere die schulische Entwicklung
gefährdet war.
Ob
ein solches Leistungsangebot die geeignete und notwendige Hilfeform ist, wird
in jedem Einzelfall in der Hilfeplanung durch den RSD, die Eltern und die
betroffenen jungen Menschen entschieden.
6. Wie viele Kinder und Jugendliche
aus Friedrichhai n und Kreuzberg sind bzw. waren in der vorgenannten
Einrichtung untergebracht?
Es
sind aktuell 3 jungen Menschen aus Friedrichshain- Kreuzberg dort
untergebracht. Im Jahr 2007 waren es insgesamt 8 junge Menschen.
7. Bei wie vielen Kindern und Jugendlichen
aus Friedrichshain-Kreuzberg hatte die dort angewandte Therapie den gewünschten
Erfolg und worin liegt dieser?
Es
werden keine psychologischen Therapien in der Einrichtung durchgeführt. Mit den
jungen Menschen wurde pädagogisch nach dem ganzheitlichen Konzept der
Waldorfpädagogik gearbeitet.
Die
jungen Menschen, ihre Eltern und die Kollegen des ASD beschreiben den Erfolg
folgendermaßen: die jungen Menschen sind viel ausgeglichener, sie lernen
Methoden, sich zu beruhigen, sind wieder in der Lage schulisch zu arbeiten, sie
können sich wieder konzentrieren, sich in eine Gruppe integrieren und
kooperieren freiwillig zu ihrer eigenen Zufriedenheit.
Wirkungen
werden nur im Einzelfall beschrieben, aber nicht einrichtungsbezogen gesammelt
erfasst. Der oben beschriebene pädagogische Erfolg wurde nach den Erfahrungen
des RSD bei ca. 2/3 der dort untergebrachten jungen Menschen in vollem Umfang
beobachtet.
8. In welcher Höhe wurden und werden
Haushaltsmittel im Zusammenhang mit der Einrichtung durch das Bezirksamt
Friedrichshain-Kreuzberg eingesetzt? ( Um Beantwortung getrennt nach
Haushaltsjahren einerseits und nach durchschnittlichen jeweiligen Fallkosten
andererseits wird gebeten).
Im
Haushaltsjahr 2007 wurden insgesamt 324.293,65 € für die Unterbringungen in der
alten Ziegelei Rädel nach Rechnungslegung angewiesen. Der monatliche
Durchschnittsbetrag pro Fall auf der Grundlage des täglichen Entgelt in Höhe
von 145,59 € beträgt 4.428,36 € zuzüglich Nebenkosten für Bekleidung,
Taschengeld und einmalige Beihilfen(z.B. Erstausstattung, Ferienzuschuss,
Geburtstagsgeld, Weihnachtsgeld) von monatlich durchschnittlich 60,00 €.
Die
bisherigen Ausgaben für 2008 belaufen sich auf 208.090,15 €. Die
Entgelterhöhung auf täglich 148,22 € führen zu monatlichen Durchschnittskosten
pro Fall von 4508,36 € zuzüglich o.g. Nebenkosten von ca. mtl. 60,00 €.
Monika
Herrmann