Drucksache - DS/2189/III  

 
 
Betreff: Biermeile - mehr Chancen oder mehr Risiken?
Status:öffentlich  
 Ursprungaktuell
Initiator:SPDSPD
Verfasser:Leese, AnitaLeese-Hehmke, Anita
Drucksache-Art:Mündliche AnfrageMündliche Anfrage
Beratungsfolge:
BVV Friedrichshain-Kreuzberg von Berlin Vorberatung
23.03.2011 
Öffentliche Sitzung der BVV Friedrichshain-Kreuzberg beantwortet   

Beschlussvorschlag

Ich frage das Bezirksamt:

Ich frage das Bezirksamt:

 

1. Wie bewertet das Bezirksamt die Biermeile (Internationales Bierfestival) sowie die Ergebnisse seiner Einflussnahme auf die Rahmenbedingungen für die Durchführung der Biermeile 2010, insbesondere vor dem Hintergrund der zahlreichen Aktivitäten im Kontext der Rechtsextremismusprävention?

 

2. In welcher Weise wird das Bezirksamt in Vorbereitung der Biermeile 2011 ausgehend von den Erfahrungen des letzten Jahres seinen Einfluss gegenüber dem Veranstalter geltend machen?

 

3. Welche Möglichkeiten sieht das Bezirksamt, im Zusammenhang mit dieser Veranstaltung, ein positives Image derselben und des Bezirks trotz immer wieder negativer Begleiterscheinungen zu transportieren?

 

Nachfrage:

 

1. Wie schätzt das Bezirksamt die Zukunft der Biermeile ein?

 

 

Beantwortung: BezStR Herr Dr. Beckers

 

Gestatten Sie mir vorab eine kurze Vorbemerkung:

Die Biermeile hat inzwischen eine Tradition in Friedrichshain und ein hohen Bekanntheitsgrad der Weit über Berlin hinausgeht.

 

Das Bezirksamt erzielt durch das Fest auch Einnahmen über die Sondernutzungsgebühren. Diese Gebührenerhebung gleicht ein wenig aus, worauf wir bei den Kiezfesten verzichten.

 

Es gibt auch nur sehr wenige Anwohnerbeschwerden im Vergleich zu anderen, weitaus kleineren Festen. Im Jahre 2010 gab es zur Biermeile lediglich drei Anwohnerbeschwerden.

 

Doch wird das alles mich auch in meiner Funktion als Wirtschaftsstadtrat, muss ich vielleicht mal sagen, nicht daran hindern, die Durchführung der Biermeile in Frage zu stellen, wenn es dem Veranstalter der Biermeile nicht gelingt, zu verhindern, dass das Fest ein Sammelpunkt für Rechte wird und dort rechtsextremes Gedankengut verbreitet wird.

 

Aufgrund von Vorwürfen gegenüber der Biermeile im Sommer 2009 habe ich mich entschlossen, gemeinsam mit dem Kollegen im Bezirksamt Knut Mildner-Spindler eine Arbeitsgruppe einzuberufen, die die Vorwürfe im Zusammenhang mit der Biermeile 2009 aufgreift und die Vorbereitung für 2010 kritisch begleitet.

 

An den Treffen der AG Biermeile haben regelmäßig das Bezirksamt, der Veranstalter, die Initiative gegen Rechts zusammen mit der Mobilen Beratung gegen Rechtsextremismus Berlin (MBR) teilgenommen, zeitweilig ergänzt durch Ordnungsamt, Polizei, Sicherheitsdienst u.a.

 

Schwerpunkte der AG Sitzungen waren:

 

a) Sicherheitskonzept und Hausordnung:

Hauptkritikpunkt war bereits in der ersten Sitzung der AG der Wachschutz.

Sein martialische Auftreten gegenüber erkennbar "Linken"-Besuchern der Biermeile sowie das inkonsequente Vorgehen gegen Besucher mit rechten Symbolen und Äußerungen wurde als größtes Verbesserungspotential im Vergleich zu den Vorjahren angesehen.

 

Gefordert wurde, dass Sicherheitskonzept und Hausordnung so gestaltet werden, dass sowohl Sicherheitsdienst als auch Standbetreiber weder rechte Äußerungen noch Kleidung dulden.

 

Deshalb wurde die Aufnahme von Bestimmungen in die Verträge mit den Standbetreibern und Ausstellern hinsichtlich öffentlich sichtbarer rassistischer Symbole und Lables, analog zu den Vorschriften für die Sicherheitsdienste, vereinbart.

 

Daraus wurde für die Veranstaltung ein umfangreiches Sicherheitskonzept entwickelt, das u.a. eine Mobile-Deeskalations-Gruppe für die Bestreitung zur Voraufsicht, Deeskalation und Vermittlung und Umsetzung des Hausrechts vorgesehen hatte.

 

Zum Thema Hausordnung wurde vereinbart, dass das Merkblatt für die Aussteller Bestandteil des Vertrages sein soll und der Veranstalter konsequent von seinem Hausrecht durch Platzverweise Gebrauch macht, wenn sich Personen auf der Biermeile in rassistischer Weise äußern.

 

Im Sicherheitskonzept wurde ein entsprechender Passus eingearbeitet.

 

b) Info-Stände

Es wurden drei Infostände im Umfeld der Biermeile eingerichtet, an denen MitarbeiterInnen der MBR und Ordnungsamts-MitarbeiterInnen vertreten waren, die als Anlaufstelle bei Fragen/Problemen des Sicherheitsdienstes fungierten und an denen Beschwerden direkt eingereicht werden konnten.

Flyer mit Symbolen und Kleidung als Infomaterial für den Wachschutz und die Standbetreiber wurden zur Verfügung gestellt.

 

c) Schulung

Im Mai 2010 fand die vereinbarte Schulungsveranstaltung „Ordnung und Sicherheit auf dem 14. Internationalen Berliner Bierfestival“ für 33 MitarbeiterInnen des Sicherheitsdienstes durch die MBR statt, mit dem Ziel der Sensibilisierung für Aktivitäten rassistischer oder fremdenfeindlicher Natur.

 

Der Veranstalter positionierte sich auf der Veranstaltung eindeutig gegen Rechts und informierte über wesentliche Veränderungen auf der Veranstaltung, die unter anderem ein konkretes Vorgehen gegen die offene zur Schaustellung und Äußerungen rechtsextremen Gedankengutes beinhalten sollten.

 

MBR informierte über Lifestyle, Symbole und Codes von neonazistischen und politisch extrem rechten Gruppe und hat Infomaterial für den Wachschutz und die Standbetreiber zur Verfügung stellen.

 

Die Öffentlichkeitsarbeit der Biermeile wurde in 2010 verstärkt betrieben, u.a. durch Hauswurfsendungen mit einer Telefonnummer, um die ständige Erreichbarkeit der Veranstalter gewährleisten zu können.

 

In der Gesamtbewertung der Biermeile ist festzustellen, dass das Anliegen des Bezirksamtes, die Biermeile als Symbol des Kampfes gegen Rechts zu Lasten der vielen hunderttausend BesucherInnen nicht einfach abzuschaffen, sondern die Biermeile auch als Feld der Auseinandersetzung mit Rechts zu begreifen, Fortschritte gemacht hat.

 

Aus den Polizeiberichten geht hervor, dass in der Zeit vom 06.08.10 bis 08.08.2010 etwa 400.000 BesucherInnen auf dem Fest waren. Die Polizei spricht - trotz Alkoholisierung mancher der Besucher - von einem grundsätzlich friedlichem Verlauf. Das MBR stellt fest, dass im Vergleich zu den letzten Jahren weniger organisierte und bekannte Rechtsextreme zu beobachten waren und es seltener größere Gruppen von deutlich als rechtsextrem zuerkennenden Gästen gab.

 

Insgesamt bewerten Polizei und MBR die unternommenen Maßnahmen gegen Rechtsextremismus auf der Biermeile als Erfolg. Allerdings sind sich Bezirksamt und MBR einig, dass im Kampf gegen Rechts auch im Rahmen der Biermeile noch einiges zu tun.

 

Zu Frage 2:

Zentrale Schwachpunkte der Biermeile 2010 waren, dass

Ø             bis zum Nachmittag des zweiten Veranstaltungstages die Kommunikation mit den Sicherheitsdienst-MitarbeiterInnen sehr schlecht verlief.

Ø             Dass das Anliegen, rechte Symbole und rechte Äußerungen nicht dulden zu wollen, nicht konsequent genug umgesetzt wurde.

Ø             Dass zu wenig Sicherheitsdienst-MitarbeiterInnen an der Schulung der MBR teilgenommen haben und viele daher nicht ausreichend sensibilisiert waren.

Ø             Dass die Zusammenarbeit und gegenseitige Akzeptanz zwischen Sicherheitsdienst und MBR und Ini-gegen-Rechts verbessert werden muss.
 

Dem Sicherheitsdienst scheint nicht klar gewesen zu sein, wie ernst es dem Veranstalter mit dem Ziel ist, sich im Rahmen der Biermeile auch im Kampf gegen Rechts zu beteiligen. Das muss anders werden.

Das Bezirksamt wird sich beim Veranstalter dafür einsetzen, dass die im Rahmen der heute von der BVV und der Konsensliste beschlossen Drucksache umgesetzt wird und wird auch die AG Biermeile wieder einberufen. Der nächste Termin ist der 31.03.

 

Zu Frage 3:

Die Biermeile wird in Medien und in der Bevölkerung nicht als eine Veranstaltung wahrgenommen, die rechtes Gedankengut fördert oder ein Sammelbecken von Rechten ist.

 

Vielmehr bestimmt für weite Teile der BesucherInnen ihr Spass an einem solchen Event ihr Verhältnis zur Biermeile. Anders ist die hohe Anzahl der BesucherInnen ohne erkennbaren rechten Hintergrund nicht zu erklären.

 

Für uns engagierte Menschen im Kampf gegen Rechts, sensibilisiert durch die hohe Anzahl rechter Gewalt gerade auch in unserem Bezirk, stellt sich die Biermeile weitaus differenzierter dar.

 

Klar ist: Die Auseinandersetzung mit der Biermeile muss auch weiterhin ein Bestandteil des Bezirks und seiner engagierten MitstreiterInnen im Kampf gegen Rechts sein.

Wir sollten aber auch Erfolge nicht kleinreden, sondern mitwirken, die vorhandenen Erfolge noch zu vergrößern.

 

Zu Nachfrage 1: Wie bereits gesagt: die Zukunft der Biermeile wird vor allem davon abhängen, wie weit es dem Veranstalter auch durch eigenes Zutun gelingt, sich im Rahmen seiner Veranstaltung im Kampf gegen Rechts anzuschließen und noch deutlichere Signale an Wachschutz, Standbetreiber und Besucher der Biermeile zu senden, dass Rechte dort nicht erwünscht sind und konsequent gegen Rechte vorgegangen wird.

 

Frau Leese

Herr Vorsteher, meine sehr verehrten Damen und Herren, sehr geehrter Herr Dr. Beckers, ich würde gerne noch mal wissen vor dem Hintergrund der Argumentation gegen die Biermeile als sogenannter Fremdkörper im Kiez, ob und wie lokale Wirtschaftsunternehmen vor Ort daran profitieren.

 

BezStR Herr Dr. Beckers

Ja, sehr geehrte Frau Leese, das würde ich auch gerne mal beziffern, weil natürlich im Umfeld der Biermeile, wo so viele Menschen dann letztendlich für einen gewissen Zeitraum auch die Karl-Marx-Allee besuchen, die ja ansonsten ein etwas schwieriges Dasein fristet, ist natürlich die Biermeile geradezu ein Segen für die dortigen Einrichtungen, weil natürlich auch diejenigen an diesen Biermeilenständen teilnehmen, auch Veranstaltungsorte im Umkreis der Biermeile durchaus aufsuchen. Wir haben da mal abgefragt so ein Stück weit, aber ich kann Ihnen leider kein Ergebnis sagen, wie sich eine Umsatzsteigerung in diesem Bereich beziffert, aber es ist deutlich festzustellen, dass natürlich auch, ich sage mal das Image der Karl-Marx-Allee, die ja wie gesagt ein sehr schwieriges Dasein fristet, dadurch natürlich durchaus im Augenblick, so wie es sich darstellt, verbessert wird.

 

Frau Kapek

Sehr geehrter Herr Vorsteher, sehr geehrte Damen und Herren, sehr geehrter Herr Dr. Beckers, Sie haben auf die erste Nachfrage von Frau Leese geantwortet, dass die Zukunft der Biermeile von den Bemühungen des Betreibers sich gegen rechtsextremes Auftreten dort einzusetzen abhänge. Heißt das dann im Umkehrschluss, dass wenn dem Betreiber dies nicht gelingt und die allgemeine Tendenz zunehmender rechtsextremer Gewalttaten, vor allem in Friedrichshain, sich auch auf der Biermeile zeigt, dass Sie dann die Zukunft der Biermeile auch in Frage stellen?

 

BezStR Herr Dr. Beckers

Sehr verehrte Frau Kapek, genau das habe ich gesagt und auch gemeint.

 

Herr Salonek

Ja Frau Vorsteherin, meine Damen und Herren, würden Sie denken in der bundesweiten Aufmerksamkeit, dass die Öffentlichkeit mehr auf die Gewalt im Bereich der Biermeile oder mehr auf die Gewalt im Umfeld des 01. Mai, sozusagen die öffentliche Aufmerksamkeit des Bezirks bezieht? Was ist da sozusagen in der bundesweiten Wahrnehmung das wichtigere und bedeutendere Event im Bezirk?

 

BezStR Herr Dr. Beckers

Also ich gehe davon aus, dass die bundesweite Wahrnehmung davon abhängig ist, wie friedlich ein Fest stattfindet.

 

 
 

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