180. Kiezspaziergang

Vom Platz am Wilden Eber zur Gartenarbeitsschule “Ilse Demme”

Bezirksbürgermeister Reinhard Naumann

Treffpunkt: Bushaltestelle Platz am Wilden Eber, Bus 110
Länge : ca. 1,5 km

Herzlich willkommen zu unserem 180. Kiezspaziergang, den wir mit Rücksicht auf die Witterung etwas kürzer gehalten haben. Er führt uns durch die Lentzeallee. Stationen sind das Seniorenheim Lentzeallee, die Berlin International School, ein ehemaliges Säuglingsheim, und die Lentze-Siedlung. Über die Siedlung des Beamtenwohnungsvereins zu Köpenick aus den 1920er Jahren gehen wir dann zur Gartenarbeitsschule Ilse Demme, wo uns in vorweihnachtlichem Ambiente der gärtnerische Leiter, Herr Piekarski, und sein Team empfangen werden. Dort endet auch unser Kiezspaziergang.

Doch ehe wir beginnen, möchte ich Ihnen den Treffpunkt des nächsten Kiezspaziergangs mitteilen. Wir treffen uns am Samstag, den 14. Januar, um 14 Uhr auf der östlichen Seite der Bushaltestelle Helmholtzstraße, die Sie mit den Bussen 101 und 245 erreichen. Dort erforschen wir den Charlottenburger Spreebogen mit seinen Straßen, die nach Naturwissenschaftlern benannt sind. Wir werden an der ehemaligen Müllverladestation und am Fraunhofer Institut für Produktionsanlangen und Konstruktionstechnik vorbeikommen und bei Porsche, Audi und Beiersdorf vorbeischauen. Enden wird unser Kiezspaziergang auf der Marchbrücke.

Platz am Wilden Eber

Station 1: Platz am Wilden Eber / Ecke Lentzeallee

Wir stehen hier auf dem Platz am Wilden Eber an der südlichen Bezirksgrenze. Seinen märchenhaften Namen hat er aufgrund einer Anekdote. 1885 soll im Biergarten „Zur Waldschänke“ zum Schrecken der Gäste ein wilder Eber aufgetaucht sein. Der Wirt erschoss ihn und nannte fortan sein Restaurant „Gasthaus zum Wilden Eber“. In den zwanziger Jahren des letzten Jahrhunderts entstand dann die Bronzeplastik auf der Mittelinsel. Bildhauer war Paul Gruson, geboren 1895, gestorben 1969. Im Zweiten Weltkrieg wurde sie, wie viele andere Buntmetall-Skulpturen, zu Waffenzwecken eingeschmolzen. 1961 wurde ein Nachguss auf einem Waschbetonsockel aufgestellt.

Wir gehen nun in die Lentzeallee und treffen uns wieder vor der Hausnummer 2-4.

Station 2: Lentzeallee 2-4

Ich begrüße ganz herzlich Herrn Dejanovic in unserer Runde. Herr Dejanovic ist der Qualitätsbeauftragte des Seniorenheims Lentzeallee und wird uns gleich seine Einrichtung vorstellen.

Station 2.1: Lentzeallee 2-4 / Seniorenheim Lentzeallee
Das Seniorenheim Lentzeallee gehört zur Wilmersdorfer Seniorenstiftung, die dieses Jahr 20-jähriges Jubiläum feierte. Das Seniorenheim Lentzeallee besteht aus zwei Gebäuden mit 143 Einzelzimmern. Neben dem großen Speisesaal gibt es ein kleines Café, Aufenthaltsräume sowie große Terrassenflächen. Wir sind eben zwischen Heiligendammer Straße und der Lentzealle an einem leerstehenden Tiergehege vorbeigegangen. Es wurde 1996 mit Unterstützung des Vereins “Leben mit Tieren e.V.” eingerichtet. Die Tiere gehörten zum Konzept des Seniorenheims, denn regelmäßiger Kontakt mit Tieren kann der Vereinsamung älterer Menschen entgegenwirken. Außerdem besuchten Kinder aus der Nachbarschaft die Tiere und kamen so ebenfalls in Kontakt mit den Seniorinnen und Senioren. Auch bei der Einzeltherapie von Demenzkranken können Tiere helfen. Leider reichten die Sponsorengelder nicht mehr aus, so dass der Mini-Zoo aufgegeben werden musste. Es ist zu hoffen, dass sich in nächster Zeit ein Sponsor für dieses wunderbare Projekt findet.

Nun übergebe ich das Wort an Herrn Dejanovic, der uns auch etwas zu den herausfordernden Berufsbildern in der Altenpflege sagen wird.

Vielen Dank, Herr Dejanovic!

Station 2.2: Lentzeallee 2-4 / Herkunft des Namens
Noch ein paar Worte zur Lentzeallee: Sie verläuft vom Platz am Wilden Eber bis zur Dillenburger Straße und trägt ihren Namen seit dem 26.11.1917. Sie wurde nach August Lentze benannt. Lentze lebte von 1860 bis 1945 und war Mitglied in der Deutschen Volkspartei (DVP). Er war Bürgermeister bzw. Oberbürgermeister von Barmen, Gera und Magdeburg. In dieser Zeit engagierte er sich stark für die Verbesserung der Infrastruktur. Von 1910 bis 1917 war er Finanzminister von Preußen.

In der Weimarer Republik wurde er im Oktober 1923 zum Präsidenten der neu gegründeten Deutschen Rentenbank ernannt, der er bis zur Machtübernahme der Nationalsozialisten 1933 vorstand.

Wir treffen uns wieder an der Lentzeallee 8-14.

Station 3: Lentzeallee 8-14 / Berlin International School

Die Geschichte des Hauses 8-14 ist sehr spannend. Ich berichte und zitiere deshalb aus der Chronik der Berlin International School, deren Mitarbeiter die Geschichte des Gebäudes aufgearbeitet haben:

Ursprünglich gehörte die Liegenschaft zum Besitz der katholischen Gemeinde Steglitz. Der erste Bauantrag wurde 1919 in Potsdam gestellt, da das Gelände noch nicht zu Berlin gehörte. […]

Mit dem Bau konnte jedoch nicht gleich begonnen werden, da es der katholischen Wohlfahrtsorganisation „Deutscher Verein für Kinderasyle“ nicht gelang, ausreichend Spendengelder zu sammeln. Daraufhin übernahm die „Katholische Fürsorge für Mädchen, Frauen und Kinder GmbH“ die Trägerschaft, […] und das Haus Dahlem konnte 1923 als Krankenhaus für Säuglinge und Kinder eröffnet werden. […] Es gab bis zu 100 Krankenbetten und gleichzeitig wohnten mehr als 25 Schwestern im Krankenhaus. Bis zu 30 Frauen wurden jeweils in ein- oder zweijährigen Programmen zu Krankenschwestern ausgebildet. 1938 wurde das Haus Dahlem zum „Säuglings-, Mütter und Entbindungsheim“. Der erste Pastor des Krankenhauses, Pastor Dr. Adolf Müller, geboren 1880, wurde von der Gestapo verhaftet und 1942 im Konzentrationslager Dachau ermordet. 1944 brannte das Haus teilweise aus. Die Schwestern fanden seinerzeit Schutz im Hause des damaligen Reichsaußenministers Ribbentrop, der gegenüber gewohnt haben soll. […]

1958 spezialisierte sich das Haus als Entbindungsklinik und wurde fortan „Entbindungsheim Haus Dahlem“ genannt. Die Entbindungsklinik wurde am 31. März 1971 nach insgesamt 48 Jahren geschlossen. Die Stadt Berlin übernahm das Gebäude und baute es zu Beginn der achtziger Jahre in ein Bürogebäude um. Die Senatsverwaltung für Stadtentwicklung und Umweltschutz war hier bis 1996 ansässig. Der Vorsitzende der Berliner SPD, Herr Senator Peter Strieder, war die letzte offizielle Autorität in diesem Gebäude. Seit dem Auszug der Senatsverwaltung stand es leer.

Dem Kauf des Gebäudes folgte zu Beginn des Jahres 2002 der Umbau von Haus Dahlem in ein Schulgebäude. Die neuen Eigentümer, Familie Seidel, erstanden das Gebäude von der Stadt Berlin, um es für den bilingualen Zug der Privaten Kant-Schule, die Berlin International School, nutzbar zu machen.

Im Jahr 2003 wurde das zur Schule umgestaltete Gebäude […] eröffnet. Seitdem lernen im Haus Dahlem vor allem die Grundschüler der Berlin International School.

Somit sind wir nun in der Gegenwart angekommen. Die Berlin International School besteht aus einem internationalen Kindergarten, einer Grundschule und einer Oberschule.

Die Oberschule liegt links neben der Grundschule. Das Gebäude wurde früher von der Preußischen Zollbehörde genutzt. Im Gebäude stehen spezielle Einrichtungen zur Verfügung wie z. B. für Kunst, Theater, Musik, Computer, Biologie, Chemie, Umweltwissenschaft, Physik und allgemeine Naturwissenschaft, Sport und Förderunterricht, sowie eine Bibliothek.

Alle Bereiche der Schule sind mit WLAN ausgerüstet und Internetzugang ist in Computerlaboren, mittels mobiler Laptopwagen, in der Bücherei und in den Klassenräumen, möglich.

Die beiden Büchereien haben einen Bestand von knapp 35.000 Medieneinheiten und stehen für die Internationalität der Schule. Die Oberschule besitzt zudem Einrichtungen für die Bildende Kunst. Ab der fünften Klassenstufe gehen alle Klassen regelmäßig auf Reisen und erkunden Deutschland und Europa, je nachdem, was sich nach dem Curriculum ergibt.

Die Berlin International School ist eine der führenden privaten gemeinnützigen Ganztagsschulen in Berlin und Brandenburg. Sie bietet ein umfassendes Bildungsprogramm für Schüler im Alter von 6 bis 18 Jahren. Über 800 Schüler aus mehr als 60 Ländern besuchen die Schule. Die B.I.S. ist sowohl eine International Baccalaureate (IB) World School als auch ein offizielles Prüfungszentrum der Universität Cambridge (UK) und des Collegeboard (USA). Außerdem ist die B.I.S. akkreditiert vom Council of International Schools (CIS) und der New England Association of Schools and Colleges (NEASC) und hat den Status einer staatlich anerkannten Ersatzschule.

Nächster Halt ist vor dem Haus:

Station 4: Lentzeallee 28-30

Station 4.1: Lentzeallee 15-17 / Finkenhof Krankenheim
Der in den 70-er Jahren erbaute Finkenhof gegenüber liegt zwar nicht mehr im Schmargendorf, sondern bereits auf der anderen Seite der Bezirksgrenze in Dahlem, ich möchte ihn Ihnen aber dennoch vorstellen. Der Finkenhof besteht seit ca. 50 Jahren. Hier werden ungefähr 60 demenz- bzw. psychisch kranke Frauen betreut. Es werden Pflegebedürftige in jedem Stadium aufgenommen und bis zum Lebensende gepflegt. Es gibt ein extra ausgestattetes Therapiegebäude mit einer Küche zum Kochen und Backen, aber auch Musik-, Bewegungs- und andere Therapien zur Unterstützung der dementen Bewohnerinnen. Die Bewohnerinnen wohnen meist in Zweibett-Zimmern, da dadurch der Isolation, mit der häufig eine Verschlechterung des gesundheitlichen Zustandes einhergeht, vorgebeugt wird. Auch ein kleiner, geschützter Garten steht zur Verfügung.

Station 4.2: Lentze-Siedlung
Wir sind ja nun schon ein Stück an der Lentze-Siedlung vorbeigegangen, wobei man merkt, wie groß sie ist. Die kleinen zweigeschossigen Reihenhäuser sind so angelegt, dass die Gärten alle nach hinten liegen und somit eine riesengroße Grünfläche bilden. Architektonisch wird mit den Holzverkleidungen Anleihen beim Heimatstil genommen. Die eingeschossigen Küchentrakte liegen zum Hof und haben jeweils einen Zugang zu den Hausgärten, die ursprünglich für die Eigenversorgung von großer Bedeutung waren.

Die Lentze-Siedlung wurde 1916 von Heinrich Schweitzer für die Mitarbeiter der Preußischen Oberfinanzdirektion entworfen.

Der Architekt Heinrich Schweitzer wurde 1871 in Stuttgart geboren und starb 1953 in Berlin. Mit seinen Bauten nahm Schweitzer Einfluss auf das Wachsen der damaligen Berliner Vorstädte. Zahlreiche seiner Gebäude, wie auch diese Anlage, stehen heute unter Denkmalschutz.

Im Allgemeinen sind die nach Plänen von Schweitzer errichteten Gebäude keiner genauen Stilrichtung zuzuordnen, sondern passten sich dem jeweiligen Zeitgeist an. Ein bekanntes Gebäude von Heinrich Schweitzer ist zum Beispiel der Admiralspalast in der Friedrichstraße. Bauherr der Anlage war die Gemeinnützige Dahlemer Kleinhaussiedlung GmbH und ausgeführt wurde sie von der Berliner Bodengesellschaft. 1921 war sie dann fertiggestellt.

Diese Siedlung ist eine der ersten Anlagen des sozialen Wohnungsbaus in der Weimarer Republik und hatte Vorbildcharakter: Luft, Licht und Sonne für alle Bewohner und ein Garten für jede Familie hieß die Devise. In den 1990-er Jahren wurde die Lentze-Siedlung vom Bezirksamt Wilmersdorf verwaltet und vermietet, dann an die Gesobau verkauft. Die Wohnungen waren und sind sehr beliebt, aber die Unterhaltung der sehr einfach und mit viel Holz gebauten Häuser ist aufwendig. Die Gesobau hat die Siedlung 2004 an die IWG Wohnen GmbH, ein Wohnungsunternehmen in Stuttgart verkauft, was für Unruhe bei den Mietern gesorgt hat.

Klagen von Mieterinnen, die ein Vorkaufsrecht für ihre Wohnungen beanspruchen wollten, hatten schließlich beim BGH 2007 Erfolg.

Als nächstes biegen wir links in die Zoppoter Straße ein und gehen bis Hausnummer 62.

Station 5: Zoppoter Straße 62

Station 5.1: Zoppoter Straße / Herkunft des Namens
1891 wurden viele Straßen in dieser Siedlung nach Badeorten der Ost- und Nordsee benannt. Die Zoppoter Straße heißt nach dem ostpreußischen Badeort Zoppot an der Danziger Bucht, der heute zu Polen gehört.

Station 5.2: Zoppoter Straße 62 / Gedenktafel für Adam Stegerwald
Die Gedenktafel für Adam Stegerwald wurde am 3.12.1988 enthüllt. Ihr Text lautet:

Hier lebte von 1921 bis 1934
ADAM STEGERWALD
14.12.1874 – 3.12.1945
Führender christlicher Gewerkschaftler, Zentrumspolitiker,
preußischer Minister und
Minister der Weimarer Republik

Adam Stegerwald wurde 1874 in Franken geboren und starb 1945 in Würzburg an einer Lungenentzündung. Er war Mitbegründer der christlichen Gewerkschaften in Deutschland und der CSU in Bayern. In der Konzeption der Gewerkschaftspolitik steuerte er einen kaisertreuen Kurs und war Anhänger der deutschen Kolonialpolitik.

Er versuchte durch Zusammenschluss mit weiteren Organisationen zu einem Deutschen Arbeiterkongress zu gelangen, um ein Gegengewicht zu den freien Gewerkschaften zu schaffen. Er unterstützte den Kriegskurs der Regierung und wurde von 1916 bis 1919 Vorstandsmitglied des Kriegsernährungsamts. Er gehörte der Nationalversammlung und zeitweise dem Preußischen Herrenhaus an und hatte mehrere Ministerämter inne. Von März 1930 bis Mai 1932 war er Reichsarbeitsminister im Kabinett Brüning und warnte vor einer Verschärfung der sozialen Probleme. Unter den extremen Bedingungen der Weltwirtschaftskrise versuchte er wenigstens die Grundlagen des Weimarer Sozialstaates zu retten, scheiterte aber an Widerständen der Schwerindustrie. Nach 1933 plädierte er dann allerdings für ein Abrücken der katholischen deutschen Bischöfe von ihrem strikt ablehnenden Kurs gegenüber dem NS-Regime, da er andernfalls mit einer Zerschlagung der Kirchen rechnete.

Bereits 1920 hatte Stegerwald auf dem Kongress der christlichen Gewerkschaften in Essen seine Überlegungen zur Gründung einer konfessionsübergreifenden, antisozialistischen Volkspartei, die möglichst breite Schichten der Bevölkerung ansprechen sollte, vorgestellt. Sein Ansatz, „zwischen der Arbeiterschaft und der landwirtschaftlichen Bevölkerung sowie zwischen den Konfessionen Brücken zu schlagen“, fand aber erst nach dem Zweiten Weltkriegs größere Resonanz. Stegerwald wurde zum führenden Kopf der Würzburger Gruppe, die neben der Münchner Gruppe maßgeblich an der Gründung der Christlich-Sozialen Union im Sommer und Herbst 1945 beteiligt war.

Wir gehen nun ein kleines Stück, biegen rechts in den Magnolienweg und gehen bis zum Juister Weg.

Station 6: Magnolienring / Ecke Juister Weg

Station 6.1: Juister Weg / Herkunft des Namens
Die Nordseeinsel Juist ist eine der ostfriesischen Inseln im niedersächsischen Wattenmeer und liegt zwischen Borkum und Norderney. Die Insel hat eine Länge von 17 Kilometern und ist damit die längste der ostfriesischen Inseln.

Station 6.2: Städtebauliche Anlage Magnolienring
Wir stehen auf dem ehemaligen landwirtschaftlichen Versuchsgelände der Technischen Universität Berlin. Als die TU das Gelände aufgab, entwickelten die Architekturbüros Nöfer Architekten, Höhne Architekten und Wiegand-Hoffmann-Architekten für die Groth-Gruppe 64 Stadthäuser und 9 Geschossbauten. Sie gruppieren sich um einen neuen, länglichen Platz mit Spielplätzen und Bänken. Es wurde versucht einen einheitlichen Formenkanon zu realisieren.

Die Obergeschosse sind weiß verputzt, das Sockelgeschoss hat eine Fassade aus dunklem Klinker. Das soll die neuen Gebäude mit den Häusern im englischen Landhausstil an der Zoppoter Straße optisch verbinden.

Wir gehen nun zurück und biegen rechts in die Zoppoter Straße. An der nächsten Ecke beginnt die Siedlung des Beamtenwohnungsvereins zu Köpenick, die das ganze Gebiet umfasst, durch das wir weiterhin gehen werden. Wir biegen erst rechts in Borkumer Straße und dann links in die Harlinger Straße ein. Wir treffen uns wieder an der Ecke Harlinger Straße / Sylter Straße.

Station 7: Harlinger Straße / Ecke Sylter Straße

Nun erst einmal zur Herkunft der Namen in dieser Siedlung. Sie sind alle nach niedersächsischen und schleswig-holsteinischen Orten, Landstrichen oder Nordseeinseln benannt.

Station 7.1: Borkumer Straße / Herkunft des Namens
Die Borkumer Straße heißt z. B. nach der niedersächsischen Nordsee-Insel Borkum. Sie ist die westlichste der Ostfriesischen Inseln und liegt vor der Mündung der Ems.

Station 7.2: Harlinger Straße / Herkunft des Namens
Die Harlinger Straße heißt seit dem 15.12.1930 nach dem Harlinger Land.

Station 7.3: Sylter Straße / Herkunft des Namens
Sylt ist die größte der nordfriesischen Inseln und liegt vor Schleswig-Holstein.

Station 7.4: Beverstedter Weg / Herkunft des Namens
Der Beverstedter Weg wurde am 15.12.1930 nach dem niedersächsischen Ort Beverstedt benannt.

Station 7.5: Norderneyer Straße / Herkunft des Namens
Die Norderneyer Straße hat ihren Namen schon seit 1892 und heißt nach der ostfriesischen Insel Norderney.

Station 7.6: Beamtenwohnungsverein zu Köpenick
Nun aber zur Geschichte dieser großen Siedlung des Beamtenwohnungsvereins zu Köpenick, die zwar von denselben Architekten, aber architektonisch doch in sehr unterschiedlichen Blöcken gebaut ist, wie wir auf dem Weg bis hierher sehen konnten. Der erste Teil der Siedlung wurde von 1925 bis 1931 von dem Architekturbüro Heinrich Kaiser & Wagenknecht gebaut, der zweite von 1938 bis 1939 von Walter Kaas. Bauherr war der Beamtenwohnungsverein.

Der Beamtenwohnungsverein wurde 1908 von 37 Beamten aus Köpenick gegründet. Ziel waren bezahlbare Wohnungen für die Mitglieder. In Selbsthilfe und Selbstverantwortung sollten diese gebaut und bewirtschaftet werden. 1909 konnte erstmals ein Grundstück erworben werden. Das erste Gebäude der Genossenschaft mit 14 Wohnungen wurde 1913 bezugsfertig und steht heute umfassend saniert in der Hämmerlingstraße 99 in Köpenick.

Die Teilung Berlins hatte auch Auswirkungen auf den Beamtenwohnungsverein zu Köpenick, da ein Teil der Mietshäuser in Ostberlin und ein Teil in Westberlin lag. Die Häuser in Schmargendorf und Moabit wurden ab 1951 von dem nun getrennten westlichen Teil des Beamtenwohnungsvereins verwaltet. 1992 wurde die Genossenschaft wieder vereinigt. Mit über 5.300 Wohnungen gehört der BWV zu Köpenick heute zu den großen Genossenschaften in Berlin.

Wir gehen nun weiter, biegen links in die Norderneyer Straße, dann rechts in die Dillenburger Straße und treffen uns wieder auf dem Gelände der Gartenarbeitsschule „Ilse Demme“ vor dem Gewächshaus.

Station 8: Dillenburger Straße 57

Ich begrüße ganz herzlich Herrn Piekarski, den gärtnerischen Leiter der Gartenarbeitsschule, und sein Team, die uns hier so herzlich empfangen.

Bevor ich ihm die Führung durch den weiteren Nachmittag übergebe, möchte ich noch gerne etwas zur Geschichte der Gartenarbeitsschule sagen.

Station 8.1: Dillenburger Straße / Herkunft des Namens
Dillenburg ist eine Stadt in Mittelhessen.

Station 8.2: Dillenburger Straße 57 / Gartenarbeitsschule “Ilse Demme”
Die Idee einer Gartenarbeitsschule in Wilmersdorf kam Ende des Ersten Weltkrieges auf. Initiator war Otto Mehlan, Leiter der 4. Gemeindeschule, der heutigen Birger-Forell-Schule. Die Gartenarbeitsschule sollte nicht nur Ort für Garten- und Naturkunde sein, sondern auch für Lesen, Rechnen und Schreiben.

Kurz bevor Wilmersdorf durch das Groß-Berlin-Gesetz von 1920 seine Selbstständigkeit verlor und zum 9. Bezirk von Berlin wurde, beschloss die Stadtverordnetenversammlung die Gründung einer Gartenarbeitsschule auf dem Gelände der Dillenburger Straße. Mit Beginn des Schuljahres, am 19. April 1921, nahm die Gartenarbeitsschule ihre Tätigkeit auf. Sie entstand aus der reformpädagogischen Arbeitsschulbewegung. Ihre Ziele sind gleich geblieben: Sie soll Anschauungs-, Arbeits- und Liefergarten sein. Wie zur Zeit der Schulreformprojekte [ich zitiere] „soll der ganze Mensch, nicht nur sein Verstand, sondern auch seine handwerklichen und sozialen Fähigkeiten ausgebildet werden”.

Aus ehemaligen Baracken entstanden Klassenräume, die bewusst nach einer Seite hin offen waren, um den Unterricht an der frischen Luft zu ermöglichen. In den Räumen wurden Bienen- und Vogelhäuser gebaut. In anderen Gebäuden standen Aquarien, Terrarien, Insekten- und Raupengläser, damit die Kinder Entwicklungs- und Lebensgewohnheiten verschiedener Lebewesen beobachten konnten.

Jungen erhielten zweimal in der Woche Gartenarbeitsunterricht, Mädchen einmal wöchentlich. Erst als 1922 ein Küchengebäude errichtet wurde, besuchten auch Mädchen die Gartenarbeitsschule zweimal pro Woche, denn für sie gab es nun zusätzlich Hauswirtschaftsunterricht. 1923 wurde ein Frühbeet angelegt und das Gewächshaus errichtet.

Knapp zehn Jahre später warfen die politischen Veränderungen ihre Schatten auch auf die Gartenarbeitsschule. Die Idee einer Schule im Freien wurde von den Nationalsozialisten missbraucht und in den Partei- und Kriegsdienst gestellt. 1943 zerstörten Bomben zum großen Teil die Gebäude, Unterricht fand nur noch unregelmäßig statt.

Nach 1945 beschloss das Bezirksamt von Wilmersdorf, die Gartenarbeitsschule dem Schulamt zu unterstellen. Die Hauptaufgabe in dieser Zeit war der Gemüseanbau zur Versorgung der Bevölkerung; die Gartenarbeitsschule lieferte ihre Erzeugnisse an Krankenhäuser, an Schulen für die Schulspeisungen und an andere karitative Einrichtungen.

Der Arbeitsunterricht in der Gartenarbeitsschule wurde mit der Reform des Schulwesens 1946 erneut lehrplanmäßiges Pflichtfach. Die Klassen kamen einmal in der Woche den ganzen Schultag in die Gartenarbeitsschule, wobei sich Gartenarbeit und Unterricht in den Klassenräumen abwechselten. Die Erzeugnisse der Gartenarbeitsschule, Früchte und Blumen, konnten unter Marktpreis von den Kindern gekauft werden. 1947 wurden die erhaltenen Gebäude winterfest gemacht und das Gewächshaus instandgesetzt. Die festen Gebäude der Gartenarbeitsschule wurden 1950 errichtet. Sie wurden ab 1951 wegen der prekären Schulsituation im südlichen Wilmersdorf zunächst auch als Außenstelle der 4. Grundschule genutzt. 1968 wurde der Verkauf der Gartenerzeugnisse abgeschafft. Die selbst angebauten und geernteten Früchte wurden nun unentgeltlich an die Kinder abgegeben.

Die ökologische Bewegung in den 80er Jahren führte dazu, dass ökologische Inhalte in die Lehrpläne der Schulen einzogen.

Unterrichtsbezogenes Arbeiten mit Pflanzen unter ökologischen Gesichtspunkten während der Vegetationsperiode wurde zu einem Schwerpunkt. Die Besucherzahlen stiegen nun nach einer Baisse in den 60er Jahren wieder. Durch die Kooperation der Gartenarbeitsschule mit der Robert-Jungk-Oberschule entstanden ab 1992 unter dem Motto: “Schüler bauen für Schüler” zwei Kleinwindkraftwerke und Anlagen zur photovoltaischen und thermischen Nutzung der Sonne. Beim Umweltgipfel 1995 in Berlin war die Gartenarbeitsschule sogar Veranstaltungsort des Klimaforums. Anlass war die Einweihung einer Warmluftkollektorenanlage.

Am 29. Februar 2000 gründete sich der Förderverein der Gartenarbeitsschule Wilmersdorf e.V. Ein Konzept zur ganzjährigen Nutzung der Gartenarbeitsschule wurde entwickelt. In neu eingerichteten Klassenräumen werden nun fachübergreifende Projekte angeboten und jahreszeitlich abgestimmte Lerninhalte vermittelt. Alle Lehrerinnen und Lehrer erhalten auf Wunsch fachliche und personelle Unterstützung. Voraussetzung dafür ist unter anderem das Engagement der ehrenamtlichen Helferinnen und Helfer.

Die Gartenarbeitsschule wurde zu ihrem 80-jährigen Bestehen 2001 nach einer ihrer ehemaligen Leiterinnen, der Lehrerin Ilse Demme, benannt. Ilse Demme wurde am 18.8.1909 in Kassel geboren. Sie studierte Pädagogik und arbeitete in Kassel als Lehrerin. 1936 kam sie nach Berlin. Durch die nationalsozialistische Rassengesetzgebung hatte sie keine Chance auf eine Stelle als Lehrerin. Stattdessen arbeitete sie als Sekretärin und Übersetzerin. Sie war im Widerstand gegen den Nationalsozialismus aktiv, indem sie u.a. die Protestpredigten des Münsteraner Bischofs Clemens August Graf von Galen vervielfältigte. In den Predigten protestierte von Galen gegen die Ermordung von von psychisch Kranken und geistig Behinderten. 1941 wurde sie denunziert und daraufhin verhaftet. Am 18. August 1942 wurde sie wegen ihren „Vergehen“ gegen das so genannte Heimtückegesetz zu einer mehrjährigen Haftstrafe im Konzentrationslager Ravensbrück verurteilt.

Nach ihrer Befreiung im Mai 1945 übernahm sie 1946 die Leitung der Gartenarbeitsschule, die sie bis 1968 innehatte. Ilse Demme starb am 3.7.1969 nach langer Krankheit in Berlin.

Seit diesem Jahr ist die Gartenarbeitsschule, genauso wie die Jugendkunstschule und Jugendverkehrsschule, als gesetzliche Aufgabe im Schulgesetz verankert. Dies ist ein großer Fortschritt für die außerschulischen Einrichtungen.

2002 übernahm Gerald Piekarski die gärtnerische Leitung der Gartenarbeitsschule. Er wird uns nun mehr über die Schule erzählen. Wer will kann danach an der Führung durch den Garten teilnehmen, wem das zu viel ist, kann dann schon in die Räume gehen und sich bei einem Punsch aufwärmen. Ich sage schon jetzt herzlichen Dank an Herrn Piekarski und sein Team und möchte mich auch bei Ihnen offiziell verabschieden.

Ich darf Sie noch an Datum und Treffpunkt unseres Januarspaziergangs erinnern. Wir treffen uns am Samstag, den 14. Januar, um 14 Uhr auf der östlichen Seite der Bushaltestelle Helmholtzstraße. Diese erreichen Sie durch die Busse 101 und 245. Nun bleibt mir nur noch Ihnen ein gesegnetes und friedliches Weihnachtsfest und einen guten Rutsch ins Neue Jahr zu wünschen. Viel Spaß nun in der Gartenarbeitsschule und tschüss, bis zum nächsten Jahr!

Quellen: