167. Kiezspaziergang

Vom Ludwigkirchplatz zur Gedenkhalle der Kaiser-Wilhelm-Gedächtniskirche

Bezirksbürgermeister Naumann

Treffpunkt: Ludwigkirchplatz, Bus 249, Länge: 2 km

Herzlich willkommen zu unserem 167. Kiezspaziergang. Wie jedes Jahr im November gedenken wir unseren jüdischen Mitbürgern und Mitbürgerinnen, deren Geschäfte und Einrichtungen am 9.11.1938 in der Reichspogromnacht zerstört wurden. Allein in der Ludwigkirchstraße, durch die wir heute gehen werden, sind mehr als 50 Stolpersteine verlegt. In der Meierottostraße gehen wir an dem Haus vorbei, in dem Walter Benjamin seine einzige Wohnung als Arbeitsraum hatte, was auf seine unsicheren finanziellen Verhältnisse hinweist, worunter er sehr gelitten hat. Dann überqueren wir die Straße zur Gerhart-Hauptmann-Anlage, werfen einen kurzen Blick auf den buddhistischen Shaolin-Tempel, gehen am Joachimsthalschen Gymnasium vorbei, streifen den Friedrich-Holländer-Platz, ehe wir dann am Haus der Berliner Festspiele und der BAR JEDER VERNUNFT vorbei in die Meinekestraße einbiegen, um zum deutsch-jüdischen Theater Größenwahn zu gehen, wo uns Dan Lahav begrüßen und sein Theater vorstellen wird. Von dort aus gehen wir über den Kurfürstendamm am Kranzler-Eck vorbei zu unserem heutigen Ziel, der Gedenkhalle der Kaiser-Wilhelm-Gedächtniskirche, wo uns Pfarrer Germer empfangen wird.
Bevor wir beginnen, möchte ich Ihnen den Treffpunkt des nächsten Kiezspazierganges mitteilen, den ich leider nicht mit Ihnen gehen kann, da ich außerhalb von Berlin bin. Stattdessen wird Sie mein Bezirksamtskollege Carsten Engelmann führen. Der Treffpunkt ist am Samstag, den 12.12.15 um 14 Uhr, am ehemaligen Rathaus Wilmersdorf, in dem im Moment Flüchtlinge einquartiert sind. Herr Engelmann sagt dann sicher auch etwas zum dann aktuellen Stand. Die Tour geht am Hohenzollerndamm entlang bis zur Christi-Auferstehungs-Kathedrale, wo wir von einem Vertreter der Russisch-Orthodoxen Kirche empfangen werden. Von dort aus geht es zum Friedhof Wilmersdorf und dann zur Berliner Moschee in der Brienner Straße. Auch dieses Gotteshaus kann besucht werden (allerdings müssen die Schuhe am Eingang gelassen werden). Schräg gegenüber befindet sich die dänische Christianskirken. Am 13.12.15 wird dort der neue Pfarrer in sein Amt eingeführt. Ich freue mich sehr, dass unser Bezirk ihn mit den Kiezspaziergängern und –gängerinnen begrüßen wird. Der Spaziergang ist dieses Mal ein Rundweg und endet wieder am Fehrbelliner Platz.

Station 1: Kirche Sankt Ludwig

Nun möchte ich aber endlich ganz herzlich Pfarrer Wagner begrüßen, der uns heute nicht nur so freundlich in seiner Kirche empfängt, sondern zudem ermöglicht, dass der Männergesangsverein „Eintracht“ 1876 Dautphe aus unserem Partnerlandkreis Marburg-Biedenkopf hier singt. Ich begrüße den Männerchor aus Dautphetal, über dessen Gesang wir uns sehr freuen..

Vielen Dank!
Bevor ich Pfarrer Wagner das Mikrofon übergebe, möchte ich noch einiges zur Kirche St. Ludwig sagen. Die Ludwigkirchgemeinde ist eine der ungefähr 80 katholischen Gemeinden in Berlin, die in Berlin bekanntlich in der Minderzahl sind. Die Kirche ist nach dem Heiligen Ludwig benannt, der von 1226, seinem zwölften Lebensjahr, bis zu seinem Tod 1270 als Ludwig IX. König von Frankreich war. Bereits 1297 wurde er heiliggesprochen. Eine seiner Reliquien kann man bei den Statuen des Heiligen Josef und des Heiligen Ludwig sehen. Sie wurde der Gemeinde vom Pariser Kardinal Feltin geschenkt.
Im Wappen des Königs waren die drei Lilien der Bourbonen. Während eines seiner beiden Kreuzzüge soll einer Legende nach ein Ritter von Wilmerstorff dem König das Leben gerettet haben. Zum Dank habe ihm der König sein mit Lilien verziertes Schwert überreicht. Deshalb findet sich das Liliensymbol in der Kirche an vielen Stellen wieder: in den Mosaiken des Altarraums, an den Leuchterbänken, an der Monstranz und auf einigen Messgewändern. Es wurde von der Großstadt Wilmersdorf, später vom Bezirk Wilmersdorf und jetzt auch von dem fusionierten Bezirk Charlottenburg-Wilmersdorf in das Wappen übernommen.
Die Kirche heißt aber nicht nur nach dem Heiligen Ludwig, sondern auch nach Ludwig Windhorst, der sich stark gegen die antikatholische Gesetzgebung Bismarcks im Zusammenhang mit dem Kulturkampf (1871-1887) eingesetzt hatte. Im Januar 1893 wurde ein Architekturwettbewerb zum Bau der Kirche ausgeschrieben. Der Bauplatz wurde der Kirche von der Berlin-Wilmersdorfer Terraingesellschaft geschenkt. Die Schenkung war nicht ganz uneigennützig, denn die Terraingesellschaft hatte das ganze sumpfige Land um die Kirche herum aufgekauft und erhoffte sich durch die Kirche eine Steigerung der Bodenwerte. Dieses Verfahren wurde übrigens auch an anderen Kirchstandorten in Berlin praktiziert, z.B. bei der Gethsemanekirche in Prenzlauer Berg und der Samariterkirche in Friedrichshain. Der Entwurf für den Bau der Kirche St. Ludwig stammt von dem Architekten August Menken. Er wurde 1858 geboren und starb 1903. Er war auf historisierende Architektur spezialisiert und baute vor allem katholische Sakralbauten. Die Kirche Sankt Ludwig ist im neugotischen Stil erbaut und wurde am 29. Juni 1897, an St. Peter und Paul, eingeweiht. Das heutige Hauptportal hat die Kirche erst 1983/84 erhalten. Im Zweiten Weltkrieg wurde die Kirche schwer zerstört.
Doch ich möchte Pfarrer Wagner nicht vorgreifen und bin gespannt, was er uns zu Kirche und Gemeinde erzählen wird.

Vielen Dank, Herr Wagner.

Station 2 : Ludwigkirchplatz 3-4 / Stiftung Wissenschaft und Politik

Das Gebäude, vor dem wir jetzt stehen, wurde zwischen 1903 und 1905 im Auftrag der Hochbaudeputation für das Versicherungswesen gebaut. Architekt war Ernst Ehrhardt. Jetzt ist das Gebäude Sitz der Stiftung Wissenschaft und Politik. Die Stiftung ist ein wissenschaftliches Spezialinstitut für Außenpolitik und berät die Bundesregierung, die Parlamente, die Wirtschaft und die interessierte Fachöffentlichkeit seit mehr als 50 Jahren.

Station 3: Ludwigkirchplatz / Ludwigkirchstraße / Stolpersteine

Ich werde dort auch die Namen aller am Ludwigkirchplatz und in der Ludwigkirchstraße Verschleppten und Ermordeten verlesen
Wir gehen nun weiter zur Ludwigkirchstraße 8:

Station 4: Ludwigkirchstraße 8 / Stolpersteine

Ich verlese nun die Namen der Verschleppten und Ermordeten:
Rose Friede, Else Gottscho, Max Rosenbaum, Rebecca Jacobsohn, Martha Heimann, Vera Nathan, Adolph Welsch und Leonhard Holz, Werner Fürst, Herta und James Dresdner, Lilli und Fritz Rothschild, Hedwig und Paul Eppstein, Else Salomon, Georg und Charlotte Nomburg, Elsa Brunner, Alice Bremer, Alice David, Rudolf Perl, Ernst Ludwig und Henriette Wolff, Edith und Hans Growald, Manfred Vogel, Selma Blauzwirn, Regina Brühl, Henny und Ellen Benas, Georg Israel, Amelie Lippmann und Hedwig Neubaur, Samson, Theodora und Erich Tyndel, Osakr Franke und Frieda Helft.
Die Inschrift auf den Stolpersteinen hier lautet:
HIER WOHNTE
WILLY BLOCHERT
JG. 1886
DEPORTIERT 18.10.1941
LODZ / LITZMANNSTADT
ERMORDET 25.1.1942
Willy Blochert wurde am 17. Februar 1886 in Cammin (Pommern) geboren. Er war Schriftsteller und Übersetzer. Er übersetzte zahlreiche Artikel und Geschichten aus dem Holländischen ins Deutsche und arbeitete für verschiedene Zeitungen und Magazine wie „Simplicissimus“, „Deutsche Zeitung“, „Das Leben“ und „Illustrierte Magazine“. Er war im Adressbuch bis 1936 als Eigentümer und einziger Bewohner des Hauses Ballenstedter Straße 15b eingetragen. 1936/37 musste er jedoch sein Haus räumen und an den ehemaligen Fabrikbesitzer Eduard Sprengel abtreten.
Am 18. Oktober 1941 wurde er mit dem ersten Zug, der das Gleis 17 des Bahnhofs Grunewald verließ, mit weiteren 1013 Menschen nach Lodz deportiert. Willy Blochert wurde am 25. Januar 1942 ermordet.
HIER WOHNTE
ELEONORE SCHAYER
GEB. ELKES
JG. 1862
GEDEMÜTIGT / ENTRECHTET
FLUCHT IN DEN TOD
10.6.1942
Eleonore Schayer wurde am 11. Februar 1862 in Frankfurt/Oder geboren. Sie war mit dem Bankdirektor Hermann Schayer verheiratet, der 1912 starb. 1926 bezog die Witwe in der Ludwigkirchstraße 8 eine Acht-Zimmerwohnung, von der sie zunächst drei Zimmer vermietete. 1939 wurde Frau Schayer gezwungen, ihre Wohnung aufzugeben. Das Inventar wurde zugunsten des Deutschen Reichs „verauktioniert“, sie selber erhielt einen Bruchteil des Erlöses aus dem Verkauf des wertvollen Mobiliars. Da einige der fünf Kinder ins Ausland geflüchtet waren, fand Eleonore Schayer Unterkunft bei dem befreundeten Ehepaar Lewin in der Lietzenburger Straße. Nach dem Freitod des Ehepaares Lewin wohnte Eleonore Schayer bis zu ihrem Tod in einem Zimmer in der Mommsenstraße bei ihrer Schwiegertochter Theda Stückgold. Nach der Deportation von Willy Blochert wählte sie den Freitod, um ihrer drohenden Deportation zu entgehen. Sie starb am 10. Juni 1942 im Jüdischen Krankenhaus Berlin und wurde auf dem Jüdischen Friedhof Weißensee neben ihrem Mann beigesetzt
Die Recherche zu den Stolpersteinen in der Ludwigkirchstraße 8 machte Monika Hein.

Wir gehen nun weiter bis zum Fasanenplatz und treffen uns vor dem Hort der Gemeinde St. Ludwig wieder.

Station 6: Fasanenplatz / Hort St. Ludwig

Der Fasanenplatz wurde 1870 von Johann Anton Wilhelm von Carstenn-Lichterfelde als nordwestlicher Eckpunkt einer regelmäßigen städtebaulichen Figur, der nach ihm benannten Carstenn-Figur, geplant. Durch verkehrsberuhigende Maßnahmen in den 1980er Jahren erhielt der Fasanenplatz einen intimen Charakter mit hohem Aufenthaltswert. Es gibt keinen durchgängigen Kreisverkehr mehr. Die Wasserstele von Rolf Lieberknecht wurde 1989 aufgestellt.
Die Kirchengemeinde Sankt Ludwig betreibt an drei Standorten einen Hort mit 195 Kindern: Ludwigkirchplatz 10, Düsseldorfer Straße 13 und hier in der Schaperstraße 23. Die Kita hier ist in einem ehemaligen Lehrerhaus des Joachimsthalschen Gymnasiums untergebracht, über das wir später noch mehr hören werden. Es wurde zwischen 1878 und 1880 von dem Architekten Friedrich Kleinwächter erbaut.

Station 7: Fasanenstraße 62

Das Haus Fasanenstraße 62 wurde 1981 bis 1984 von dem Architekten Gottfried Böhm erbaut. Im September dieses Jahres wurde es unter Denkmalschutz gestellt. Ich hoffe, dass damit eine Auseinandersetzung zwischen den Mietern, dem Architekten, auf der einen und der Primus Immobilien AG als Eigentümerin auf der anderen Seite, die das Gebäude abreißen und neu bauen wollte, endet.Das Haus hat 24 Wohnungen in acht Geschossen und einen überdachten Innenhof. Die Expertengruppe im Denkmalbeirat verweist auf seine [ich zitiere] „außergewöhnliche künstlerische, stadtgeschichtliche, städtebauliche und wissenschaftliche Bedeutung.“
Gottfried Böhm, 1920 in Offenbach geboren, ist bekannt für skulpturales Bauen, was man an diesem Gebäude auch gut sehen kann. Er hat nicht nur Architektur, sondern auch Bildhauerei studiert. Er war an der Planung der Internationalen Bauausstellung 1984/87 maßgeblich beteiligt. Beim Bau des Hauses hier war ihm wichtig, modernes Bauen in die historische Linie der verbliebenen Gebäude in der Schaperstraße einzufügen. Die in dieser Gegend üblichen Vorgärten wurden aufgegriffen. Das Miethaus korrespondiert mit seinen Erkertürmchen auch mit dem Gebäude auf der südlichen Seite des Fasanenplatzes / Ecke Meierottostraße. Wichtig war für Böhm auch die Durchgrünung. Die Wohnungen sind großzügig geschnitten und für Familien mittlerer Führungskräfte konzipiert. Es gibt 24 Drei- bis Vierzimmerwohnungen zwischen 87 und 114 m². Gottfried Böhm sagt zu seiner Wohnungsbauweise, [ich zitiere] „er [Böhm] habe ohnehin nie mehr getan, als das … für die Menschen am jeweiligen Ort Angemessene herauszufinden und dies mit einem Sinn für Schönheit zu bauen.”
Wenn Sie mehr zur Architektur Gottfried Böhms erfahren wollen, schauen Sie sich mal das Hans-Otto-Theater in Potsdam an oder im Internet seine Wallfahrtskirche Maria, Königin des Friedens, in Neviges in Nordrhein-Westfalen oder die Moschee in Köln-Ehrenfeld. Sein Verständnis von Architektur als Skulptur im Raum wird dort sehr gut sichtbar.

Wir gehen nun ein Stück zurück in die Meierottostraße.

Station 8: Meierottostraße

Die Straße liegt zwischen Fasanenplatz und Bundesallee. Von 1876 bis 1888 hieß sie Luisenstraße.
Johann Heinrich Ludwig Meierotto wurde am 22. August 1742 in Stargard in Pommern als Sohn des dortigen Rektors der reformierten Lateinschule geboren und starb am 24. September 1800 in Berlin. Von 1760 bis 1762 war Meierotto Schüler am Joachimsthalschen Gymnasium in Berlin, an dem bereits sein Großvater Heinrich Meierotto tätig gewesen war. Es folgte ein Studium der Philologie und der Theologie an der Universität Frankfurt (Oder). Anschließend war er von 1765 bis 1771 Privatlehrer im Auftrag des Bankiers David Schickler. Ab 1771 wirkte Meierotto wieder am Joachimsthalschen Gymnasium, diesmal als Professor für Rhetorik, Latein und klassische Literatur. Ab 1775 war er Rektor des Gymnasiums.
Er setzte sich für Reformen im Schulwesen ein. So führte sein Engagement zur Einführung der Reifeprüfung in Preußen. Ab 1786 nahm er den Posten als Kirchen- und als Oberschulrat für das Schulwesen in Pommern und Preußen an. Im selben Jahr wurde er Mitglied der Akademie der Wissenschaften und der mechanischen Künste.
Die Meierottostraße erhielt bald nach Einweihung des Joachimsthalschen Gymnasiums seinen Namen. Auch die Schaper- und Meinekstraße sind nach Direktoren des Gymnasiums benannt.

Station 9: Meierottostraße 6 / Walter Benjamin

Walter Benjamin war einer der größten Kulturwissenschaftler des 20. Jahrhunderts. Er wurde 1892 in Berlin geboren und starb 1940 in Portbou, einem Grenzort zu Spanien. Benjamin hat zahlreiche Bücher geschrieben und arbeitete für viele Zeitschriften und Zeitungen. Wie heute hatten Kulturschaffende auch schon damals Schwierigkeiten mit ihrer Arbeit ein auskömmliches Leben zu führen. In diesem Haus befand sich die einzige von Benjamin selbst angemietete Wohnung, in der er arbeitete. 1933 ging Benjamin nach Paris ins Exil, wo ihn Hannah Arendt finanziell unterstützte. In Paris arbeitete Benjamin hauptsächlich an seinem Passagen-Werk. Bei Kriegsausbruch wurde Benjamin für drei Monate interniert. Nach seiner Freilassung bekam er über die Vermittlung von Max Horkheimer ein Visum für die USA. Er wollte über Spanien und Portugal in die USA reisen. Mit Hilfe einer Flüchtlingsorganisation gelang ihm die Flucht über die Pyrenäen. Im Grenzort Portbou erfuhr die Gruppe, dass die bislang gültigen Transitvisa über Nacht durch eine Verordnung der Regierung ungültig geworden waren und alle Flüchtlinge aus Frankreich zurückgeschickt werden sollten. Daraufhin nahm sich Benjamin am 26.9.40 in Portbou das Leben. Er ist dort auch beigesetzt.
Hier ein Auszug aus seinem Buch „Berliner Kindheit um Neunzehnhundert“, in dem Benjamin eine Markthalle beschreibt :
„Hinter Drahtverschlägen, jeder behaftet mit einer Nummer, thronten die schwer beweglichen Weiber, Priesterinnen der käuflichen Ceres [römische Göttin des Ackerbaus und der Fruchtbarkeit, M.L.], Marktweiber aller Feld- und Baumfrüchte, aller eßbaren Vögel, Fische und Säuger, Kupplerinnen, unantastbare strickwollene Kolosse, welche von Stand zu Stand mit einander, sei es mit einem Blitzen der großen Knöpfe, sei es mit einem Klatschen auf ihre Schürze, sei es mit busenschwellendem Seufzen, verkehrten. Brodelte, quoll und schwoll es nicht unterm Saum ihrer Röcke, war nicht dies der wahrhaft fruchtbare Boden? Warf nicht in ihren Schoß ein Marktgott selber die Ware: Beeren, Schaltiere, Pilze, Klumpen von Fleisch und Kohl, unsichtbar beiwohnend ihnen, die sich ihm gaben, während sie träge, gegen Tonnen gelehnt oder die Waage mit schlaffen Ketten zwischen den Knien, schweigend die Reihen der Hausfrauen musterten, die mit Taschen und Netzen beladen mühsam die Brut vor sich durch die glatten, stinkenden Gassen zu steuern suchten. Wenn es dann aber dämmerte und man müde wurde, sank man tiefer als ein erschöpfter Schwimmer. Endlich trieb man im lauten Strom stummer Kunden dahin, die wie Fische auf die stachligen Riffe glotzten, wo die schwammigen Najaden [Nymphen, M.L.] sich’s wohl sein ließen.“
In unserem Bezirk ist seit 2000 der schöne Platz zwischen Leibniz- und Wielandstraße nach Walter Benjamin benannt.

Station 10: Meierottostraße 6 / Stolperstein

Diese Stolpersteine wurden am 30.07.2005 verlegt.
HIER WOHNTE
OTTILIE
FRANKENSTEIN
GEB. LEWISSON
JG. 1871
DEPORTIERT 1942
THERESIENSTADT
ERMORDET 29.10.1942
HIER WOHNTE
DR. SELMAR
FRANKENSTEIN
JG. 1871
DEPORTIERT 1942
THERESIENSTADT
ERMORDET 29.10.1942

Station 11: Gerhart- Hauptmann-Anlage / Gerhart-Hauptmann-Denkmal

Die kleine Parkanlage befindet sich auf dem ehemaligen Gelände des Joachimthalschen Gymnasiums. Die Anlage ist nach dem Schriftsteller und Dramatiker Gerhart Hauptmann benannt, der 1912 den Nobelpreis für Literatur erhielt. Er gilt als der bedeutendste Vertreter des Naturalismus in Deutschland. Hauptmann wurde am 15. November 1862 in Ober Salzbrunn in Schlesien geboren. Sein wichtigstes Werk und der Höhepunkt seines naturalistischen Schaffens sind das Theaterstück Die Weber (1891/92). Die Weber basieren auf den Weberaufständen von 1844 in Schlesien. Zur Recherche für sein Stück unternahm Hauptmann größere Reisen durchs Riesengebirge. In dem Stück macht er die Weber zu seinen Protagonisten und stellt so die Ausbeutungsverhältnisse Mitte des 19. Jahrhunderts bloß. Sprache, Situationen und realistische „Volkstypen“ wurden damals als revolutionär aufgefasst. Die besondere Dramatik zieht das Stück aus seinen realen Vorbildern. Die preußische Zensur verbot die Inszenierung durch die „Freie Bühne“, weil sie in dem Stück einen Aufruf zum Klassenkampf sah. Nach der gerichtlichen Aufhebung des Aufführungsverbots am 2. Oktober 1893 und der Aufführung im Deutschen Theater kündigte Kaiser Wilhelm II. seine Loge dort. Hauptmann starb am 6. Juni 1946 in Schlesien. An seinem zwanzigsten Todestag wurde das Gerhart-Hauptmann-Denkmal enthüllt. Die Granitstele mit einer Bronzebüste Hauptmanns wurde von Fritz Klimsch geschaffen.
Wie er den Marmor behandelt.“
Nach jahrelangen Auseinandersetzungen zwischen Investoren, Parteien und einer Bürgerinitiative um die Bebauung der Anlage beschloss die Bezirksverordnetenversammlung am 15. März 2012, dass kein weiterer Bebauungsplan aufgestellt wird.

Station 12: Bundesallee / Shaolin-Tempel

Am 5. September beging der Shaolin-Tempel Deutschland sein vierzehnjähriges Jubiläum, der erste Tempel wurde im Juli 2001 am Kurfürstendamm 102 eröffnet. Im Shaolin-Tempel wird Zen-Buddhismus praktiziert. Das Mutterkloster steht in Shaolin in China, daher der Name. Chinesische Mönche vermitteln in der Bundesallee zen-buddhistische Denk- und Lebensweise und unterrichten Shaolin Kung-Fu, Tai Chi und Qi Gong. Mit dem Tempel sollte buddhistische Kultur nach Berlin gebracht werden. Der Tempel ist offen für alle Menschen, nicht nur für Buddhisten. Inzwischen ist der Tempel hier in die Bundesallee 215 gezogen. Dies soll aber nicht der letzte Standort sein, denn es ist geplant einen neuen Tempel zu bauen. Wo das sein wird, steht aber noch nicht fest.

Station 13: Bundesallee 216-218 / Bundeshaus

Links daneben steht das sogenannte Bundeshaus. Der Gebäudekomplex wurde von 1893 bis 1895 unter Leitung des Geheimen Oberbaurates Bernhardt und des Architekten Wiezcorek in der seinerzeit Kaiserallee genannten Straße errichtet. Es diente als Verwaltungsgebäude für die Königlich Preußische Artillerieprüfungskommission. Im Zweiten Weltkrieg wurde das Gebäude teilweise zerstört. Nach dem Wiederaufbau konnte am 17. April 1950 das Bundeshaus durch Bundeskanzler Konrad Adenauer eröffnet werden. Ein Tag später wurde die Kaiserallee in Bundesallee umbenannt, um die Verbundenheit Berlins mit der Bundesrepublik Deutschland zu betonen. Von 1950 bis 1990 war das Gebäude Dienststelle des Bevollmächtigten der Bundesregierung in Berlin. Nach der Wiedervereinigung hatte hier bis 2002 der Oberbundesanwalt beim Bundesverwaltungsgericht seinen Sitz.
Auch heute vereinigt das Haus unter einem gemeinsamen Dach verschiedene Einrichtungen des Bundes. So befinden sich hier der Berliner Hauptsitz des Bundesverwaltungsamtes und die Außenstelle der Bundesakademie für öffentliche Verwaltung. Seit dem 23. Januar 2005 hat die Koordinierungs- und Beratungsstelle der Bundesregierung für Informationstechnik in der Bundesverwaltung (KBSt) ihren Berliner Dienstsitz in dem Gebäude. Des Weiteren ist hier eine Außenstelle des Bundesinnenministeriums angesiedelt.
Das gesamte Gebäudeensemble steht unter Denkmalschutz. Neben dem Haupteingang erinnert eine Berliner Gedenktafel an die Offiziere Erich Hoepner und Henning von Tresckow, die zum Widerstandskreis des 20. Juli 1944 gehörten und hingerichtet wurden. Eine weitere Gedenktafel weist auf die Einweihung des Bundeshauses 1950 hin.

Station 14: Bundesallee 12 / Gefallenendenkmal für die Gefallenen des XXII. Reservekorps im I.Weltkrieg

Das stelenartige, vier Meter hohe Denkmal aus Muschelkalk für die Gefallenen des XXII. Reservekorps im Ersten Weltkrieg wurde 1924 von Eberhard Encke geschaffen und hier neben dem ehemaligen Joachimsthalschen Gymnasium aufgestellt. Die abschließende Kugel trug ursprünglich eine Schwurhand.
Das Denkmal trägt die Inschriften:
“Den treuen Toten des XXII. Reserve Korps 1914-1918” (vorn)
“43.Reservedivision und 44. Reservedivision” (rechts)
“Belgien Frankreich Rußland Galizien Serbien” (links

“Saat von Gott gesät, dem Tage der Garben zu reifen” (hinten)

Station 15: Bundesallee 1/ Joachimthalsches Gymnasium / Universität der Künste

Kurfürst Joachim Friedrich von Brandenburg fasste 1601 den Plan, nach dem Vorbild der Fürstenschulen Sachsens eine Eliteschule für begabte Knaben im Jagdschloss Joachimsthal bei Eberswalde zu gründen. Sie sollte die Knaben auf ein Studium vorbereiten und sie zu fähigen Mitarbeitern im Staats- und Kirchendienst machen. Am 23. und 24. August 1607 wurde die Schule unter dem Namen „Gymnasium Electorale Brandenburgium in valle Joachimica“ (Kurfürstliches Gymnasium in Joachimsthal) festlich eröffnet. Die Schule hatte anfangs 170 Plätze für Schüler, von denen 120 Freistellen waren.
Während des Dreißigjährigen Kriegs wurde das Schulgebäude zerstört. Schüler und Lehrer flohen nach Berlin. Der Lehrbetrieb wurde ab 1656 an wechselnden Standorten fortgeführt.
1880 bezog das Joachimsthalsche Gymnasium einen Neubau in der Kaiserallee 1–12 (heute: Bundesallee). Das Gebäude wurde zwischen 1876 und 1880 von dem Architekten Ludwig Giersberg (1824–1883) nach Plänen von Johann Heinrich Strack mit vorgelagertem Arkadengang und Terrasse im Stil der italienischen Hochrenaissance errichtet; es steht in der Bautradition Karl Friedrich Schinkels.
Die Schule nahm das gesamte Gelände zwischen Fasanenplatz, Meierottostraße, Bundesallee und Schaperstraße ein. Neben Unterrichtsgebäuden gab es Wirtschaftsgebäude, einen Speisesaal für 200 Schüler, Unterkünfte für Lehrer und Schüler (die Lehrervilla am Fasanenplatz haben wir ja vorhin am Hort St. Ludwig gesehen), eine dampfbeheizte Badeanstalt; eine Sporthalle. Der zur Eröffnung des Gymnasiums im Jahre 1880 anwesende Kaiser Wilhelm I. zeigte sich überrascht über die luxuriöse Ausstattung. Bereits ab 1890 entstanden um das Gelände die neuen Quartiere des Berliner Westens. Deshalb, und weil sie sich finanziell übernommen hatte, zog die Internatsschule schon 1912 wieder hier aus.
Das Gebäude wurde bis 1919 vom Joachim-Friedrich-Gymnasium und ab 1920 vom Bezirksamt Wilmersdorf genutzt. Es wurde im Zweiten Weltkrieg stark beschädigt, danach aber wieder aufgebaut. Heute befindet sich hier der Fachbereich Musik der Universität der Künste.
Das Joachimsthalsche Gymnasium selbst wurde 1912 nach Templin in der Uckermark verlegt, wo es einen eigenen großzügigen Neubau bezog. Die Auflösung der Stiftung erfolgte 1956. Im Jahr 2013 entstand die Initiative „Joachimsthalsches Gymnasium Templin“, die das Ziel hat, am alten Standort der Schule in Templin eine neue, international geprägte Internatsschule zu gründen, die die europäische Idee in den Mittelpunkt stellt und an die bedeutende Schultradition des Joachimsthalschen Gymnasiums anknüpft. Die Initiative besteht aus dem Förderverein Joachimsthalsches Gymnasium Templin e.V., dem Verein zur Kunst- und Kulturförderung in den Neuen Ländern e.V. und einem ehrenamtlich betriebenen Projektbüro in Berlin.

Station 16: Friedrich-Hollaender-Platz

Friedrich Hollaender wurde am 18. Oktober 1896 in London geboren. Er war Revue- und Tonfilmkomponist, Kabarettist und Musikdichter.
Nach dem Ersten Weltkrieg gründete er zusammen u.a. mit Kurt Tucholsky, Walter Mehring, Joachim Ringelnatz, der Schauspielerin Blandine Ebinger, die er später heiratete, ein Kabarett. Es trat im Schall und Rauch im Keller von Max Reinhardts Großem Schauspielhaus auf. In den 1920er Jahren wurde Hollaender eine feste Größe in der Berliner Kulturszene. Er wirkte an verschiedenen Kabarett-Theatern, komponierte und textete Lieder und begleitete Blandine Ebinger und andere wie Grete Mosheim am Klavier. Später schrieb er Revuen, unter anderem für Rudolf Nelson. In Charlottenburg eröffnete er seine eigene Bühne, das Tingel-Tangel-Theater. Außerdem vertonte er Filme. Ein Höhepunkt seines Schaffens war sicherlich Der blaue Engel mit dem berühmten von Marlene Dietrich gesungenen Von Kopf bis Fuß auf Liebe eingestellt.
1933 musste Hollaender wegen seiner jüdischen Abstammung Deutschland verlassen, über Paris zog er nach Hollywood. Dort konnte er aber nicht an seine Erfolge in Deutschland anknüpfen, auch nicht nach seiner Rückkehr nach Deutschland 1955. Er starb am 18. Januar 1976 in München. Hollaenders Nachlass befindet sich im Archiv der Akademie der Künste in Berlin.
Kostproben der Chansons von Friedrich Hollaender können Sie im Kabarett Größenwahn – Deutsch-jüdische Bühne Bimah in der Meineckestraße 24 hören, wo wir jetzt hingehen. Friedrich Hollaender ist dort im Programm.

Station 17: Schaperstraße

Auch die Schaperstraße ist nach einem Direktor des Joachimsthalschen Gymnasiums benannt, nämlich Karl Julius Heinrich Schaper, der die Schule von 1872 bis 1886 geleitet hat. Sie trägt seinen Namen seit 1888.

Station 18: Schaperstraße 24 : Haus der Berliner Festspiele

Das heutige Haus der Berliner Festspiele wurde 1963 als „Theater der Freien Volksbühne“ unter der Intendanz Erwin Piscators eröffnet und zählt neben der Deutschen Oper Berlin zu den bekanntesten Entwürfen des Berliner Architekten Fritz Bornemann. Von einem Garten umgeben, öffnet sich das Theatergebäude mit einer großzügigen Glasfassade der Stadt. Im Inneren setzt sich das demokratische Architekturideal der Nachkriegsmoderne fort: Das Geschehen auf der Bühne ist von allen Plätzen aus gleichermaßen gut sicht- und hörbar. Als Zentrum der Festivals und Programmreihen präsentiert das Haus der Berliner Festspiele ganzjährig Inszenierungen, Konzerte und Lesungen internationaler Künstlerinnen und Künstler.

Station 19: Schaperstraße 24 : Bar jeder Vernunft

Auf dem Parkdeck neben dem Haus der Berliner Festspiele steht seit zwanzig Jahren das Spiegelzelt des Kleinkunst-Theaters BAR JEDER VERNUNFT. Von außen ist es ganz unscheinbar, aber innen wird durch unzählige kleine und große Spiegel ein glitzernder Festsaal geschaffen. Es wird Chanson, Entertainment, Show und Comedy geboten. Die Geschwister Pfister und Meret Becker haben ihre Karriere hier begonnen, Michael Mittermeier feierte in der BAR seine ersten Erfolge außerhalb Bayerns. Stammgäste auf der Bühne sind auch Georgette Dee, Désirée Nick, Eckart von Hirschhausen und viele andere.
Man kann in der BAR JEDER VERNUNFT auch essen, sowohl in der Manege als auch in den Logen oder im Sommer im Biergarten.

Nun biegen wir in die Meinekestraße.

Station 20: Meinekestraße

Die Meinekestraße verbindet Charlottenburg mit Wilmersdorf. Die Grenze ist die Lietzenburger Straße. Die Straße ist nach Johann Albrecht Friedrich August Meineke benannt, der von 1826 bis 1857 Direktor des Joachimsthalschen Gymnasiums war. Er war Spezialist für das Altgriechische und Mitglied der Akademie der Wissenschaften zu Berlin.

Nächster Halt ist die Meinekestraße 3

Station 21: Meinekestraße 3

Auch in der Meinekestraße gibt es zahlreiche Stolpersteine, ich verlese nun die Namen der Ermordeten, ehe ich etwas zu den Stolpersteinen hier bei der Hausnummer 3 sage.
In der Meinekestraße 20 wohnten Berthold und Rosa Levin, in der Nummer 7 Julius und Flora Berger, Adolf Löwenstern, Hans Bernhardt und Heinrich Knap und in der 25 Gertrud Joachimsohn.

Station 22: Meinekestraße 3 / Stolpersteine

Diese fünf Stolpersteine für die Familie Eskeles sind etwas Besonderes, denn die Familie flüchtete zwischen 1937 und 1938 nach Palästina und überlebte. Auf Wunsch der Nachkommen wurden die Stolpersteine am 27.3.2015 von Gunter Demnig verlegt.
An dieser Stelle möchte ich noch ein paar Worte zu unserer lebendigen Beziehung zu Israel sagen. Wie Sie sicher wissen, Jahr jährt sich dieses Jahr zum 50. Mal die Anknüpfung der diplomatischen Beziehungen zwischen Israel und Deutschland. Schon im Jahr darauf begann die Partnerschaft zwischen Charlottenburg und der Gemeinde Or Yehuda bei Tel Aviv und dieses Jahr jährt sich die Partnerschaft zu Karmiel zum 30. Mal. Aus diesem Anlass haben der Bürgermeister Adi Eldar und ich am 18. Oktober den Platz vor dem S-Bahnhof Grunewald in der Nähe des Gleis 17 in Karmielplatz umbenannt. Die Partnerschaft zu den beiden israelischen Gemeinden sind gelebte Freundschaften, die sich in zahlreichen Begegnungen spiegeln, z.B. haben wir regelmäßige Jugendaustauschprogramme.

Wir überqueren nun die Meineckestraße und treffen uns in der Passage der Nummer 24 im Theater Größenwahn wieder.

Station 23: Meinekestraße 24 / Deutsch-jüdische Bühne Bimah / Theater Größenwahn

Das deutsch-jüdische Theater existiert eigentlich schon seit anderthalb Jahrzehnten und ist letztes Jahr von der Friedrichstraße in die Meinekestraße gezogen. Es begann am Fehrbelliner Platz, zog dann in die Filmbühne am Steinplatz, dann nach Neukölln und war zuletzt im Admiralspalast in der Friedrichstraße beheimatet. Der neue Standort liegt ganz in der Nähe des ehemaligen Café des Westens am Kranzler-Eck, in dem das legendäre Kabarett Größenwahn seinen Sitz hatte. Dort gingen zahlreiche Kulturschaffenden auf mehr oder weniger hohem Niveau ein- und aus. Der Name, den Dan Lahav seinem Theater gegeben hat, ist also zugleich eine Hommage an die Künstler und Künstlerinnen der Zwanziger Jahre. Ich freue mich sehr über dieses neue Theater in unserem Bezirk und begrüße ganz herzlich Dan Lahav, Gründer des Theaters, an dem neuen Standort.
Seit Sommer dieses Jahres wird auf der Bühne auch wieder gespielt, vor allem aus dem Repertoire der Zwanziger und Dreißiger Jahre, deshalb auch der Abend mit Chansons von Friedrich Hollaender. Aber nun möchte ich das Mikrofon Herrn Lahav übergeben.
Vielen Dank, Herr Lahav!

Wir gehen nun weiter und biegen rechts in den Ku’damm und treffen uns wieder vor C&A Ecke Ku’damm / Joachimsthaler Straße.

Station 24: Kurfürstendamm / Kranzler-Eck

Vor uns liegt das neue Kranzler-Eck. Vor fünfzehn Jahren wurde es nach den Entwürfen von Helmut Jahn gebaut. Es ist 60 m hoch und 54 m lang. Das unter Denkmalschutz stehende Café Kranzler aus den 50-er Jahren wurde in das Ensemble integriert.
Nun gibt es neue Pläne, denn die Bauten vor dem neuen Kranzler-Eck wurden im Laufe der Jahre baulich verändert. Diese „Bausünden“ sollen, wenn es nach den Plänen des Berliner Architekturbüros „nps tchoban voss“ geht, wieder entfernt werden, so z.B. die gläsernen Vorbauten und der Wintergarten auf dem Balkon darüber. Die Modekette Gerry Weber wird ausziehen und stattdessen die britische Modefirma Superdry auf 3000 m² einziehen, diese wird auch das Café Kranzler weiterbetreiben. Die Wendeltreppe vom Erdgeschoss in das Café soll wieder eingebaut werden. Im Innenhof soll ein Erweiterungsbau für H&M und den Ampelmann-Laden hinzukommen, aber auch neue Cafés und Läden sind geplant. Am 20.10.15 wurden die Pläne im Stadtentwicklungsausschuss der BVV vorgestellt.

Unser nächstes Ziel ist der Breitscheidplatz:

Station 25: Marburger Straße 4 / Flüchtlingsunterkunft

In der Marburger Straße 4, hier schräg gegenüber, hat der Bezirk am 22.10.15 eine neue Flüchtlingsunterkunft für Familien eingerichtet. Sie wird vom DRK betrieben. Auch hier sind ehrenamtliche Helfer und Helferinnen willkommen, die Registrierung als Helfer oder Helferin ist im Infomobil vor der Unterkunft möglich und wird vom DRK koordiniert.

Station 26: Kaiser-Wilhelm-Gedächtnis-Kirche / Gedenkhalle

Nun sind wir an unserem Ziel, der Gedenkhalle der Kaiser-Wilhelm-Gedächtniskirche, angelangt. Ich begrüße ganz herzlich Pfarrer Germer, der sich die Zeit genommen hat, uns hier in der Gedenkhalle zu empfangen. Die Gedenkhalle der Kaiser-Wilhelm-Gedächtniskirche befindet sich unter dem neoromanischen Turm der alten, im Krieg zerstörten Gedächtniskirche.
Die Gedächtniskirche wurde von Franz Schwechten, einem Kölner Architekten, entworfen. Es gibt zahlreiche Zitate, die auf die zahlreichen romanischen Kirchen in Köln verweisen. Beim Bau nahm das Kaiserpaar Wilhelm II und Auguste Viktoria des Öfteren Einfluss, obwohl die Krone sich kaum an den Kosten beteiligte. Der Grundstein wurde am 22.3.1891 gelegt, dem Geburtstag des Namensgebers Wilhelm I. Am 1.9.1895, dem Vorabend des damaligen Sedantages zur Erinnerung an den deutschen Sieg im deutsch-französischen Krieg von 1870/71, wurde die Kirche eingeweiht.
Auch der Bildzyklus auf den Reliefs von Adolf Brütt zeigt neben der Darstellung einiger Szenen aus dem Leben Wilhelm I. Szenen aus den Befreiungskriegen und dem deutsch-französischen Krieg von 1870/71. Die fünf Glocken im Turm der alten Gedächtniskirche stammten aus erbeuteten, eingeschmolzenen Bronzegeschützen aus demselben Krieg.
Ihr Läuten waren so beeindruckend, dass bei einer Festveranstaltung die Wölfe des Zoologischen Gartens unruhig wurden und heulten wie Fedor von Zoblitz in seiner Chronik der Gesellschaft unter dem letzten Kaiserreich (1922) beschreibt [ich zitiere]:
„Lang hallendes Geheul, das Kläffen der Köter und das heisere Bellen der Wölfe mischte sich in den Friedengruß der Glocken und akkompagnierte den Jubel des Publikums. Das aber stand nicht auf dem Programm. Ein Polizeioffizier zu Pferde jagte wie rasend nach dem Zoologischen Garten; ein paar Wachtmeister stürmten hinein, um den heulenden Bestien kraft ihres Amtes und ihrer Autorität das Singen zu verbieten – aber die rebellischen Tiere hatten wenig Respekt vor den blauen Uniformen: sie heulten, kläfften und bellten unentwegt weiter.“
Anfang 1943 wurden vier der Glocken abgenommen und wieder für Kriegszwecke eingeschmolzen. Lediglich die kleinste Glocke verblieb der Gemeinde. Bei der Zerstörung der Kirche im November 1943 wurde diese Glocke schwer beschädigt und 1949 an die Glockengießerei Schilling in Apolda/Thüringen geliefert, wo sie einst gegossen wurde.
Zur 750-Jahr-Feier Berlins, 1987, wurde die ehemalige Eingangshalle zu einem Raum zum Gedenken an die Zerstörungen im Zweiten Weltkrieg umgestaltet. Eines der zentralen Exponate ist hier das Nagelkreuz von Coventry als Zeichen der Versöhnung.
Die Wehrmacht flog am 14.11.1940, also genau heute vor 75 Jahren, Luftangriffe auf die englische Stadt Coventry, die dabei stark zerstört wurde. 550 Menschen kamen dabei ums Leben. Dieser Angriff wurde unter dem Namen „Mondscheinsonate“ geflogen. Die Mondscheinsonate ist eines der schönsten Stücke von Beethoven, was für ein Zynismus der Militärs! Die St.-Michael’s Kathedrale in Coventry wurde bei dem Angriff völlig zerstört.
Der damalige Dompropst Richard Howard ließ bei den Aufräumarbeiten drei große Zimmermannsnägel aus dem Dachstuhl der zerstörten Kathedrale zu einem Kreuz zusammensetzen. Er ließ außerdem aus zwei verkohlten Holzbalken ein großes Kreuz zusammensetzen. Während das Holzkreuz in der Ruine der alten Kathedrale blieb, steht das originale Nagelkreuz heute auf dem Altar der benachbarten, 1962 geweihten neuen Kathedrale. Es gilt als Zeichen der Versöhnung und des Friedens.
Der Gedanke einer Gemeinschaft von Nagelkreuzzentren wurde von Bill Williams, Dompropst in Coventry von 1958 bis 1981, entwickelt. Weltweit haben sich ökumenische Glaubensgemeinschaften als Nagelkreuzgemeinschaft gebildet. Ihr gehören in Deutschland derzeit 59 Gemeinden aus 46 Städten an; weltweit sind es derzeit über 160.
Das Nagelkreuz wird von der Gemeinschaft überwiegend an Kirchengemeinden übergeben, um diese in ihrer Versöhnungs- und Friedensarbeit zu stärken. Als äußeres Zeichen der Verbundenheit erhält jedes Nagelkreuzzentrum ein Kreuz aus drei Nägeln von Coventry, das dem originalen Kreuz nachgebildet ist.
Im Jahre 1959 wurde das Versöhnungsgebet von Coventry formuliert und wird seitdem an jedem Freitagmittag um 12.00 Uhr im Chorraum der Ruine der alten Kathedrale in Coventry gebetet. Hier der Wortlaut, der in unserer Zeit nicht an Aktualität eingebüßt hat:
„Den Hass, der Rasse von Rasse trennt, Volk von Volk, Klasse von Klasse, Vater, vergib.
Das Streben der Menschen und Völker zu besitzen, was nicht ihr eigen ist, Vater, vergib.
Die Besitzgier, die die Arbeit der Menschen ausnutzt und die Erde verwüstet, Vater, vergib.
Unseren Neid auf das Wohlergehen und Glück der anderen, Vater, vergib.
Unsere mangelnde Teilnahme an der Not der Gefangenen, Heimatlosen und Flüchtlinge, Vater, vergib.
Die Entwürdigung von Frauen, Männern und Kindern durch sexuellen Missbrauch, Vater, vergib.
Den Hochmut, der uns verleitet, auf uns selbst zu vertrauen und nicht auf Gott, Vater, vergib.
Seid untereinander freundlich, herzlich und vergebet einer dem anderen, gleichwie Gott euch vergeben hat in Jesus Christus. (Epheser 4,32)
AMEN“

Dies ist nun der Augenblick, an dem ich Pfarrer Germer das Mikrofon übergeben möchte.

Vielen Dank; Herr Pfarrer!
Zum Abschluss singt der Männergesangsverein „Eintracht“ 1876 Dautphe aus unserem Partnerlandkreis Marburg-Biedenkopf noch zwei Lieder für uns. Ich möchte mich ganz herzlich bei diesem Chor aus unserem Partnerlandkreis für seine Mitwirkung bei unserem Spaziergang bedanken. Wir haben die musikalische Begleitung sehr genossen. Wenn Sie wollen, können Sie nach dem Singen noch in die neue Kaiser-Wilhelm-Gedächtniskirche gehen. Dort probt gerade der Bach-Chor, der heute Abend um 18 Uhr die Kantate Nr. 90 von Bach singen wird: „Es reißet euch ein schrecklich Ende hin“. Ich verabschiede mich nun schon jetzt von allen und wünsche Ihnen ein schönes Wochenende.