Kiezspaziergang am 8.12.2007

Vom Sophie-Charlotte-Platz zum Schloss Charlottenburg

Monika Thiemen, Bernd Maier und Klaus Betz (rechts außen), Foto: KHMM

Monika Thiemen, Bernd Maier und Klaus Betz (rechts außen), Foto: KHMM

Bezirksbürgermeisterin Monika Thiemen
am Samstag, dem 8.12.2007, ab 14.00
Treffpunkt: Sophie-Charlotte-Platz (U-Bahn-Ausgang)

Sehr geehrte Damen und Herren!

Herzlich willkommen zu unserem 72. Kiezspaziergang. Bekanntlich steht Weihnachten vor der Tür, und wir wollen heute den neuen Weihnachtsmarkt besuchen, den es in diesem Jahr zum ersten Mal am Schloss Charlottenburg gibt. Das heißt, wir wollen dort enden, damit jeder nach Lust und Laune entscheiden kann, ob er noch ein wenig über den neuen Weihnachtsmarkt bummeln möchte. Vorher wollen wir die diesjährige Weihnachtsausstellung in unserem Heimatmuseum an der Schloßstraße 69 besuchen. Und um diese beiden weihnachtlichen Attraktionen unseres Bezirks zu erreichen, werden wir nicht etwa geradewegs durch die Schloßstraße gehen, sondern ein wenig den Klausenerplatzkiez erkunden, der hier am Kaiserdamm beginnt und sich zwischen Schloßstraße und Stadtring bis zum Klausenerplatz am Spandauer Damm erstreckt. Es ist wohl der Charlottenburger Kiez schlechthin, und deshalb ist heute der Begriff “Kiezspaziergang” besonders zutreffend.
Die beiden besten Kenner dieses Kiezes begleiten uns heute. Der eine ist Klaus Betz, der Vorsitzende des Kiezbündnisses Klausenerplatz, und ich freue mich sehr, dass er uns seinen Kiez vorstellt.
Der andere ist Bernd Maier von der Arbeitsgruppe Gemeinwesenarbeit und Stadtteilplanung argus gmbh, der mit uns schon einmal, im Oktober 2003 einen Kiezspaziergang durch den Klausenerplatzkiez gemacht und uns viel gezeigt und erklärt hat. Heute werden wir fast nichts wiederholen, denn es gibt viel zu sehen und zu erfahren im Kiez.
Wie gewohnt will ich Ihnen aber zu Beginn den Treffpunkt für den nächsten Kiezspaziergang nennen. Im Januar schließen wir gewissermaßen direkt nördlich an den heutigen Kiezspaziergang an, und zwar mit dem Viertel neben dem Schloss Charlottenburg mit Mollwitzstraße, Pulsstraße und Heubnerweg. Im Mittpunkt wird ein Besuch im ehemaligen Kaiserin-Auguste-Viktoria-Haus stehen, in dem heute die Europäische Wirtschaftshochschule residiert. Treffen werden wir uns am Sonnabend, dem 12. Januar, um 14.00 Uhr am S-Bahnhof Westend im Bahnhofsgebäude am Spandauer Damm.
Das nächste Kiezmenü gibt es am 30. Januar. Anmelden können Sie sich dafür ab Montag, dem 7. Januar 2008 in der Pressestelle. Sie finden alle Informationen im Internet unter www.kiezmenue.de. Die Manuskripte aller Kiezspaziergänge finden Sie unter www.kiezspaziergaenge.de .

Klausenerplatzkiez
“Schlossviertel”, “Roter Kiez” und “Kleiner Wedding” sind Bezeichnungen, die dem Klausenerplatzkiez im Lauf seiner Geschichte verpasst wurden. Seit dem 19. Jahrhundert wurde die Schloßstraße eine Art soziale Barriere. Östlich lebten die Großbürger, sei es in der Villa Oppenheim, oder in den hochherrschaftlichen Häusern mit prächtigen Vorgärten. Auf der westlichen Seite, hier im Kiez lebten die kleinen Leute, zuerst die Schlossbediensteten, später Arbeiter, Angestellte und Beamte. In den 20er und 30er Jahren war hier der Widerstand gegen die Nationalsozialisten groß. Das Gebiet wurde im Zweiten Weltkrieg kaum zerstört. In den 80er Jahren war es die Hochburg der Charlottenburger Hausbesetzerbewegung.
Der Bereich zwischen Spandauer Damm, Schloßstraße, Sophie-Charlotten-Straße und Kaiserdamm wurde 1963 als Sanierungsgebiet ausgewiesen. Die Wohnungsbaugesellschaft, der die meisten Wohnungen im Kiez gehörten, war die Neue Heimat. Fast die Hälfte der Bewohnerinnen und Bewohner wurde umgesetzt, und die Wohnanlagen wurden entkernt und saniert. Aber immer mehr setzten sich gegen die Entkernung und Entmietung zur Wehr. Sie gründeten 1973 die erste Berliner Mieterinitiative. 1972 bis 1974 wurde ein Sanierungswettbewerb durchgeführt und anschließend die Sanierung gemeinsam mit der Mieterinitiative durchgeführt. Die 1995 offizielle abgeschlossene Sanierung berücksichtigte die Aspekte des Denkmalschutzes ebenso wie die Interessen der Bewohnerinnen und Bewohner. Das international beachtete Projekt gilt als vorbildlich.

1999 wurde das Kiezbündnis Klausenerplatz e.V. gegründet, um Verbesserungen zu erreichen für das Wohngebiet in den Bereichen Wohnen, Gewerbe, Kultur, Verkehr, Sauberkeit und interkulturelles Miteinander. Das Kiezbündnis wird vom Bezirksamt und von der WIR Wohnungsbaugesellschaft in Berlin mbH unterstützt. Die WIR ist als Wohnungsbaugesellschaft hier die Nachfolgerin der Neuen Heimat. Außerdem gibt es argus, die “Arbeitsgruppe Gemeinwesenarbeit und Stadtteilplanung GmbH”.

Sophie-Charlotte-Platz
Der Sophie-Charlotte-Platz wurde 1892 benannt nach der Namensgeberin von Charlottenburg, der preußischen Königin Sophie Charlotte, der Gemahlin von König Friedrich I. Die 1668 in unserer Partnerstadt Bad Iburg geborene Sophie Charlotte starb sehr früh im Jahr 1705. Und ihr zu Ehren wurden das damalige Schloss Liezenburg und die neu gegründete Stadt nach ihr benannt. Charlottenburg erhielt gleichzeitig, im Jahr 1705 Stadtrechte. Der Platz wurde 1910 als Blockplatz mit Rasen, Rabatten, Hecken und Bäumen angelegt.

Kaiserdamm 118, Foto: KHMM

Kaiserdamm 118, Foto: KHMM

Kaiserdamm 118 (gegenüber an der Ecke Kaiserdamm und Suarezstraße)
Das Wohnhaus wurde 1907/08 von Hermann Heider gebaut. Es steht unter Denkmalschutz und wurde 1990 restauriert. Es ist ein mehrgeschossiges Mietshaus im Stil der Neorenaissance mit einer kolossalen Giebelfront, einer mit Mosaiken verzierten Ladenzone, einem über dem Eingangsportal auf mächtigen figürlichen Konsolen ruhenden Erker, sowie weiteren, grau verputzten Erkern. Kurz nach dem Ende des Zweiten Weltkriegs zogen Offiziere der Roten Armee in die bis zu 400 qm großen Wohnungen.

Kaiserdamm 1 Polizeipräsidium
Dieses Haus wurde 1906 bis 1910 von Oskar Launer und Kloeppel für das damalige Polizeipräsidium Charlottenburg gebaut. Das Haus steht unter Denkmalschutz. Heute ist hier das Referat Umweltkriminalität des Landeskriminalamtes und der Abschnitt 24 untergebracht.
Nach der Eingemeindung Charlottenburgs nach Berlin im Jahr 1920 wurde hier die Kriminalpolizei untergebracht, und in den 20er Jahren war dies der Sitz des von den Nationalsozialisten wegen seiner jüdischen Herkunft diffamierten Berliner Vizepolizeipräsidenten und Chefs der Kriminalpolizei Bernhard Weiß.
In der Berliner Bevölkerung und innerhalb der Polizei war Weiß sehr populär und geachtet. Liebevoll-despektierlich wurde er “Vipoprä” genannt.
Nach dem “Preußenschlag” Papens 1932 verlor Weiß – wie die gesamte Regierung Preußens – sein Amt. Nach kurzer Haft wurde er freigelassen und lebte bis zum März 1933 in Berlin. Als die Nazis ein Kopfgeld auf ihn ausgesetzt hatten, ermöglichten ihm Kollegen die Flucht. Weiß floh 1933 über Prag nach London, wo er 1951 kurz nach der Wiedererlangung seiner deutschen Staatsbürgerschaft im Alter von 70 Jahren starb.

Horstweg
Der Horstweg wurde um 1874 benannt. Der Name bezieht sich nicht auf den Vornamen Horst, sondern auf den geologischen Begriff, der eine Anhöhe über sumpfigem Geländet bezeichnet. Der Weg führte nach Haselhorst.

Wandgemälde am Seniorenwohnheim, Schloßstr. 26-27, Foto: KHMM

Wandgemälde am Seniorenwohnheim, Schloßstr. 26-27, Foto: KHMM

Schloßstr. 26-27: Seniorenwohnheim
Hier stand von 1890 bis zur Zerstörung im Zweiten Weltkrieg die Siemens-Oberrealschule – eine für jene Zeit moderne Schule mit vorbildlicher Technik, mit kleinen Klassen, einer großen Turnhalle und einem eigenen botanischen Garten.
Die Ruine wurde nach dem Zweiten Weltkrieg abgerissen und an ihrer Stelle das Seniorenwohnheim gebaut.
Der Bilderzyklus an der Erdgeschoss-Außenwand wurde 1980 bis 1983 von Paul Blankenburg in einer Gemeinschaftsarbeit mit jugendlichen Strafgefangenen der Jugendstrafanstalt Plötzensee geschaffen. Die dafür gegründete Künstlergruppe “Plötzlich” arbeitete über 2 Jahre nach Fotovorlagen an diesen Bildtafeln, mit denen sie versuchte, die Geschichte des 20. Jahrhunderts in Zehnjahresabschnitten abzubilden. Jeweils ein Triptychon, also eine Gruppe von drei Bildern schildert ein Jahrzehnt. Von links nach rechts sind so die 20er, 30er, 40er, 50er, 60er, 70er und 80er Jahre dargestellt. Die Schlussbilder ganz am Ende rechts zeigen die Begegnung der älteren Hausbewohner mit Jugendlichen der Künstlergruppe “Plötzlich” in Picknickszenen. 1994 wurde der Bilderzyklus von Schülerinnen und Schülern der Pommern- und Schlesien- (heute Oppenheim-) Oberschule restauriert.

Schloßstraße (Ecke Knobelsdorffstraße): Nasses Dreieck
Die Schloßstraße wurde im Zusammenhang mit dem Bau des Schlosses um 1700 angelegt, hieß zunächst “Große Allee” und erhielt den Namen Schloßstraße am Ende des 18. Jahrhunderts. Sie ist einen Kilometer lang und 70 Meter breit. Eine Bedeutung für den Verkehr hat sie erst im 19. Jahrhundert erlangt, denn sie endete zunächst hier im sogenannten Nassen Dreieck auf der Höhe der heutigen Zillestraße und Knobelsdorffstraße. Zum Schloss gelangte man damals über die Berliner Straße, die heutige Otto-Suhr-Allee. Die Schlossstraße wurde angelegt als Sichtachse auf das Schloss und als Wohnstraße für Schlossbedienstete und für das Militär.
Der breite Mittelstreifen zeugt von der repräsentativen Anlage als Zufahrt zum Schloss. Dieser Mittelstreifen ist heute vor allem beliebt bei Boule-Spielern. Hier auf der Schloßstraße ist wohl der bekannteste Berliner Treffpunkt für die Liebhaber des französischen Kugelwerfens.
Auf dieser Höhe befand sich zwischen Zillestraße, Fritschestraße und Hebbelstraße das so genannte Nasse Dreieck im Zuge des Schwarzen Grabens, eine sumpfige Rinne, die zunächst nicht überbrückt werden konnte. Zu den Grundbesitzern im Nassen Dreieck gehörte auch der Baulöwe Alfred Schrobsdorff, der ohne Rücksicht auf den schlechten Baugrund am Ende des Kaiserreichs zwischen 1900 und 1910 Mietshäuser bauen ließ. Bereits wenige Jahre nach dem Bau zeigten sich die ersten Risse. 1911 ging das erste Haus zu Bruch. 1928 musste das Haus Hebbelstraße 17 wegen Einsturzgefahr geräumt werden. Mitte der 1950er Jahre mussten einige vom Einsturz bedrohte Seitenflügel und Quergebäude abgerissen werden. 1965 schrieb der Tagesspiegel über die “die schiefen Häuser im Sumpf von Charlottenburg”.
Schließlich führte der Bau der U-Bahnlinie 7 und die damit verbundenen Absenkung des Grundwassers 1972 zur Räumung und zum Abriss der noch existierenden Häuser auf dem nassen Dreieck. Im Sommer 1983 bauten die geräumten Hausbesetzer aus der Danckelmannstraße und Sophie-Charlotten-Straße hier eine Zeltstadt, die sie “Chaotenburg” nannten. Nach zwei Wochen verließen sie das nasse Dreieck freiwillig.
An dem problematischen Untergrund lag es auch lange Zeit, dass dieser Abschnitt der Schlossstraße zwischen Kaiserdamm und Zillestraße gepflastert blieb. 1992 allerdings hat der damalige Bezirk Charlottenburg den Umbau der Straße in der Investitionsplanung des Landes Berlin angemeldet. Es hat 11 Jahre gedauert, bis er möglich wurde. 2003 schließlich wurde auch dieser Abschnitt mit einer Bitumendecke versehen – vor allem um die Lärmbelästigung für die Anwohner zu verringern. Auch der Fußgängerüberweg mit Zebrastreifen und die Mittelinsel und der Radfahrstreifen auf der Straße durchgehend bis zum Spandauer Damm wurden im Zuge dieser Baumaßnahme angelegt. Die gesamte Baumaßnahme kostete ungefähr 220.000 EUR.

Kläre-Bloch-Platz, Foto: KHMM

Kläre-Bloch-Platz, Foto: KHMM

Kläre-Bloch-Platz
Hier treffen die Knobelsdorffstraße, Wundtstraße und Nehringstraße aufeinander.
Die Knobelsdorffstraße wurde 1887 benannt nach dem Maler, Gartengestalter und Architekten Hans Georg Wenzeslaus von Knobelsdorff. Der lebte von 1699 bis 1753 und wurde 1740 von Friedrich II zum Oberintendanten der Königlichen Schlösser und Gärten ernannt. Er baute Schloss Rheinsberg um, schuf das Königliche Opernhaus, die heutige Staatsoper, und den Ostflügel des Schlosses Charlottenburg.
Die Wundtstraße wurde 1936 nach dem Philosophen und Psychologen Wilhelm Max Wundt benannt, der von 1832 bis 1920 lebte. Zuvor hieß sie Königsweg.
Die Nehringstraße wurde 1893 benannt nach dem Architekten und Ingenieur Johann Arnold Nehring. Er lebte von 1659 bis 1695 und wurde 1691 Oberbaudirektor des staatlichen Bauwesens in Brandenburg-Preußen. Neben Schlüter war er der bedeutendste Vertreter des Berliner Barock. Unter anderem stammen das Kronprinzenpalais und das Zeughaus Unter den Linden von ihm.

Der Platz wurde am 3.9.2004 auf Initiative des Kiezbündnisses Klausenerplatz und der BVV Charlottenburg-Wilmersdorf nach Kläre Bloch benannt.
Sie wurde als Klara Begall 1908 in Charlottenburg geboren und starb 1988 in Berlin. Die Tochter eines Kraftdroschken-Betreibers wuchs in Schmargendorf und Halensee auf. Sie lernte Kontoristin und wurde, nachdem sie mit 22 Jahren den Taxiführerschein erworben hatte wurde sie eine der ersten Taxifahrerinnen Berlins. Kontakte, die sie bei Besuchen im legendären Romanischen Café am Auguste-Victoria Platz, dem heutigen Breitscheidplatz gewann, prägten ihre politische Haltung.
1938 bezog sie eine Wohnung im Horstweg 22 in Charlottenburg. Dort versteckte sie während der NS-Zeit mehrere Menschen. Unter ihnen war auch der Jude und Kommunist Erich Bloch, den sie bereits 1931 im Romanischen Café kennen gelernt hatte und den sie nach dem Krieg heiratete. Andere Verfolgte, die im Untergrund lebten, versorgte sie mit Lebensmittelkarten. Sie alle überlebten durch Kläre Blochs Mut und Engagement. Sie wurde in Charlottenburg auf dem Friedhof Heerstraße an der Trakehner Allee 1 beigesetzt.
Bereits 1991 wurde hier eine Brunnenskulptur von Achim Pahle aufgestellt.

Gedenktafel für Otto Grüneberg, Foto: KHMM

Gedenktafel für Otto Grüneberg, Foto: KHMM

Schloßstr. 22 Gedenktafel Otto Grüneberg
1989 wurde gegenüber an der Schlossstraße ein Weg nach dem Charlottenburger Otto Grüneberg benannt. Er wurde am 7.2.1908 in Charlottenburg geboren und starb am 1.2.1931 in Berlin-Charlottenburg. Er war Mitglied der “Roten Jungfront” und engagierte sich in einer Häuserschutzstaffel des Zille-Kiezes zur Abwehr des SA-Terrors. Am Abend des 1. Februar 1931 kam es an der Ecke Schloßstraße und Hebbelstraße zu einem Zusammenstoß mit der SA. Grüneberg wurde dabei von einem SA-Mann erschossen. Die Gedenktafel erinnert an diesen Mord mit folgendem Text:
HIER WURDE AM 1.FEBRUAR 1931
DER ANTIFASCHIST
OTTO GRÜNEBERG
GEBOREN AM 7. FEBRAUR 1908
VOM SA-STURM 33 ERMORDET.

Baller-Haus, Foto: KHMM

Baller-Haus, Foto: KHMM

Schloßstr. 45-47 Baller-Wohnhaus
Hier steht eines der Beispiele für die auffällige Bauweise des Architektenehepaares Hinrich und Inken Baller. Wir werden gleich ein weiteres, besonders spektakuläres Beispiel sehen. Weitere Beispiele gibt es ganz in der Nähe an der Stallstraße Ecke Nithackstraße und an der Schustehrusstraße Ecke Nithackstraße. Vor einigen Jahren entstand in Wilmersdorf an der Württembergischen Straße unweit des Fehrbelliner Platzes ein größerer Neubaukomplex von Baller, und ein weiteres Baller-Projekt waren die Rosenhöfe im Bezirk Mitte neben den Hackeschen Höfen.
An dem “neuen Expressionismus” von Hinrich und Inken Baller scheiden sich die Geister seit mehr als 20 Jahren. Für die einen haben die Häuser mit den charakteristischen Spitzbogengiebeln und den lindgrünen, aus dünnen Rundstählen gebogenen Fenster- und Balkongittern “Gesicht und Charakter”. Für andere wiederum sind die Baller-Bauten mit ihren filigranen Details lediglich Ausdruck “architektonischen Mutwillens” und eines dem äußeren Showeffekt frönenden “architektonischen Narzissmus”. In jedem Fall setzen die Baller-Bauten hier an der Schloßstraße wirkungsvolle städtebauliche Akzente und bereichern die vorhandene Vielfalt der architektonischen Formen um zwei außergewöhnliche Bauwerke der Moderne. Und was das Erstaunliche ist: Dieses Gebäude wurde im Zuge des Sozialen Wohnungsbaus errichtet. Es ist also ein deutlich sichtbarer Beweis dafür, dass auch im Sozialen Wohnungsbau anspruchsvolle Architektur möglich ist.

Jugendclub Schloss 19, Foto: KHMM

Jugendclub Schloss 19, Foto: KHMM

Schloßstr. 19 Jugendclub Schloss 19
Der Jugendclub Schloß 19 ist ein wichtiges Angebot für die Jugendlichen im Klausenerplatzkiez. Hier gibt es einen Jugendinfopoint mit Internetanschluss, eine Kletterwand und viele Veranstaltungen für Jugendliche: Gitarrenkurse, Bauchtanz, Kochen, eine Schmuckwerkstatt, Töpfern, Tischtennis, PC-Kurse und vieles mehr. Die Foto- und Videogruppe hat ein Projekt mit dem Titel “Mein Lieblingsplatz im Kiez” gemacht, ein schöner Beweis für die Verbundenheit der Jugendlichen mit ihrem Kiez.

Baller-Sporthalle, Foto: KHMM

Baller-Sporthalle, Foto: KHMM

Schloßstr. 56 Sporthalle
Zu den auffälligsten Gebäuden an der Schloßstraße gehört heute zweifellos die von Hinrich und Inken Baller entworfene, 1988 fertiggestellte Sporthalle auf dem Grundstück Schloßstraße 56. Die Architekten lösten die anfangs für unmöglich gehaltene Aufgabe, auf dem verhältnismäßig kleinen Grundstück eine Doppelturnhalle unterzubringen, indem sie die Hallen übereinander bauten, was besondere statische Probleme aufwarf, aber gelöst werden konnte. Auf diese Weise entstand in Stahlbetonweise im ersten Obergeschoss eine Halle in der Größe eines Handballfeldes und darüber eine weitere Halle, die olympischen Normen entspricht. Die mit der Verglasung der Geschosse erzielte Transparenz und die lebhafte Fassadengliederung mit Balkonen sowie Vor- und Rücksprüngen lassen die Funktion des Gebäudes zunächst nicht vermuten. Dies war auch die Absicht Hinrich Ballers, für den normale Turnhallen aussehen “wie für die Schweinezucht gebaut”.
Eine Sehenswürdigkeit eigener Art ist das Tonnengewölbe der oberen Halle: Statt der in Turnhallen sonst üblichen monströsen Lüftungsanlagen und Deckenkonstruktionen vermitteln feine stählerne Spannglieder und Aufhängungen für die Sportgeräte eine geheimnisvolle Zirkusatmosphäre, “wie wenn es gleich los geht”, meint Hinrich Baller.

Otto-Grüneberg-Weg
Die frühere Straße “Am Parkplatz” wurde 1989 nach Otto Grüneberg benannt, dessen Gedenktafel wir schon gesehen haben.

Villa Oppenheim, Foto: KHMM

Villa Oppenheim, Foto: KHMM

Schloßstr. 55 Villa Oppenheim
Die Villa Oppenheim ist nach den früheren Eigentümern benannt und steht unter Denkmalschutz. Bauherr der Villa war der Obertribunalrat Otto Georg Oppenheim. Er lebte von 1817 bis1909 und war ein Schwiegersohn des Bankiers Alexander Mendelssohn. Dieser lebte von 1798 bis 1871 und erwarb bereits 1845 das riesige Anwesen von dem Kammerherrn und Legationssekretär Graf von Kameke. Er bebaute es mit der ‘Villa Sorgenfrei’ und einigen Nebengebäuden. Alexander Mendelssohn war Besitzer des renommierten Berliner Privatbankhauses Mendelssohn Et Co. und gleichzeitig Ehrenbürger der Stadt Charlottenburg.
Oppenheim ließ die ‘Villa Sorgenfrei’ abreißen und 1881/82 von dem Architekten Heidecke an ihrer Stelle das heutige zweigeschossige Haus bauen. Die Ziegel- und Sandsteinfassade in den Formen der Renaissance und der klassisch symmetrische Grundriss verkörpern die historisierenden Gestaltungselemente dieser Zeit.
Zu dem weitläufigen Villengrundstück gehörte auch die Fläche der heutigen Oppenheim-Schule. Auf diesem 28.000 Quadratmeter großen Grundstück entstanden eine Kegelbahn, ein Tennisplatz, Gartensaal und Treibhäuser. Das Leben trug hier wahrhaft großbürgerliche Züge – nur einen Steinwurf entfernt vom ‘roten Kiez’ westlich der Schloßstraße mit den schlimmsten Wohn- und Lebensverhältnissen in Charlottenburg.
Nach dem Tod Otto Georg Oppenheims wurde 1910 dessen Sohn Hugo Oppenheim Besitzer des Anwesens. Der Multimillionär Hugo Oppenheim war Teilhaber des Berliner Privatbankhauses Robert Warschauer & Co. Schon damals war die Villa Oppenheim ein Anachronismus. Das Grundstück war zwar riesig, aber es war umstellt von hohen Mietshäusern, aus deren oberen Stockwerken man auf die Gartenanlage herab sehen konnte. Damit war die Intimität des großbürgerlichen Wohnens verloren gegangen.
1911 kaufte die Stadt Charlottenburg den gesamten Oppenheimschen Grundstückskomplex, um hier einen öffentlichen Park anzulegen. Die Kommune sah angesichts des Mangels an Grünflächen im Inneren der Stadt die Gefahr, “dass der schöne große Park zu Baustellen für Mietskasernen ausgenutzt wird.”
Der Charlottenburger Stadtgartendirektors Erwin Barth gestaltete den öffentlichen Park, indem er den etwa hundertjährigen Baumbestand mit einem streng rechtwinkligen Wegesystem verband. Barth, der 1926 zum Stadtgartendirektor von Groß-Berlin aufstieg, hat zahlreiche Stadtplätze und Parks in Charlottenburg gestaltet. Er sah die Gartenkunst als eine soziale Aufgabe an.
Hier sollten Ruheplätze, Gärten und Spielplätze für diejenigen entstehen, die nicht über eigenen Grund und Boden verfügten.
Die neue Parkanlage erhielt mit der Straße ‘Am Parkplatz’, dem heutigen Otto-Grüneberg-Weg, einen Zugang von der Schloßstraße, so dass sie auch für die Bewohner des dicht besiedelten Arbeiterviertels westlich der Schloßstraße leicht zugänglich wurde.
Nach schweren Kriegsschäden erhielt die Villa 1945 ein flaches Notdach. 1985/86 wurden Park und Villa aus Sondermitteln zur 750-Jahr-Feier Berlins nach denkmalpflegerischen Gesichtspunkten wiederhergestellt. Beachtenswert ist der original aufgebaute Dachstuhl mit der Schieferabdeckung. An dieser Arbeit erlernten 50 Schüler einer Gewerbeschule die alten Handwerkertechniken. Heute sind in der Villa eine Kindertagesstätte, die Schulverwaltung und die kommunale Galerie Villa Oppenheim untergebracht.
Im nächsten Jahr wollen wir an Stelle der Kita und der Schulverwaltung die Galerie erweitern und hier endlich einmal diejenigen Kunstwerke zeigen, die sich im Besitz des Bezirks Charlottenburg-Wilmersdorf befinden.

Seelingstraße
Die Straße wurde 1950 benannt nach dem Architekten Heinrich Seeling. Er lebte von 1852 bis 1932 und war Spezialist für Theaterbauten und von 1907 bis 1921 Stadtbaurat in Charlottenburg. Unter seiner Regie entstanden unter anderem der Wasserturm Westend, das Neue Theater am Schiffbauerdamm in Berlin-Mitte, heute Berliner Ensemble, einige Charlottenburger Schulen, der Erweiterungsbau des Rathauses Charlottenburg, in dem die Stadtbibliothek untergebracht ist, und das Deutsche Opernhaus Charlottenburg, das im Zweiten Weltkrieg zerstört wurde. An seiner Stelle steht jetzt der Neubau von Fritz Bornemann für die Deutsche Oper. Er wurde begraben auf dem Friedhof Wilmersdorf an der Berliner Straße.

Kiezbüro, Foto: KHMM

Kiezbüro, Foto: KHMM

Seelingstr. Nr.14 Kiezbüro, Block 118
Hier ist der Eingang zum Kiezbüro und zum Block 118. Er ist besonders typisch für das neue Konzept der “behutsamen Stadterneuerung” von Prof. h.-w.Hämer. Er verbindet Entkernung und Begrünung.

Neue Christstraße

Schloßstr. 6 Gedenktafel
Die Gedenktafel für den Kammertürken Hassan wurde 1987 enthüllt. Sie enthält folgenden Text:
Hier befand sich bis zu seiner Zerstörung
im 2. Weltkrieg das ehemalige
FREIHAUS des KAMMERTÜRKEN HASSAN
das von 1855 bis 1857 dem Bildhauer
Christian Daniel Rauch
( 2.11.1777 – 3.12.1857)
als Sommerhaus diente.

Mit einer gewissen Berechtigung wird manchmal behauptet, dass Sophie Charlottes Kammertürken Aly und Hassan die ersten Charlottenburger waren. Denn als König Friedrich I. am 5. April 1705 den berühmten Brief schrieb, in dem er befahl, der Ansammlung von Häusern südlich des Schlosses Stadtrechte und den Namen Charlottenburg zu verleihen, da wohnten tatsächlich nur einige wenige Hofbedienstete in einigen Häusern entlang der heutigen Schloßstraße. Hassan war einer von ihnen, und er hatte es weit gebracht, da er sich hier ein eigenes Haus hatte bauen können.

Neufertstr. Block 103 (Zugang von der Schloßstraße)
Der Block 103 ist ein Beispiel für die erste Sanierung in Kahlschlag-Manier mit Neubauten in den Höfen.

Spandauer Damm

Spandauer Damm 17 Kommandantenhaus
Dieses Haus wurde 1892-93 von Garnison-Bauinspektor Kahl als Wohnhaus für verheiratete Unteroffiziere gebaut. Deshalb wird es allgemein “Kommandantenhaus genannt. Es war Teil einer größeren militärischen Anlage, zu der auch das heutige Bröhan-Museum gehört. Hier war bis 2004 eine Kita untergebracht, danach vorübergehend bis voraussichtlich März 2008 das Puppentheater Berlin. Nach einem Umbau wollte Charlottenburg-Wilmersdorf hier die Kunstsammlung des Bezirks ausstellen, nahm von diesen Plänen aber wieder Abstand, als die Erben des Kunstsammlers Heinz Berggruen anboten, hier die Sammlung des benachbarten Museums Berggruen zu erweitern.

Östlicher Stülerbau und Museum Charlottenburg-Wilmersdorf, Foto: KHMM

Östlicher Stülerbau und Museum Charlottenburg-Wilmersdorf, Foto: KHMM

Stüler-Bauten
Die beiden Stüler-Bauten wurden 1855 bis 1859 im Auftrag Friedrich Wilhelms IV von Friedrich August Stüler für eine Schwadron der königlichen Leibwache, die Garde du Corps gebaut, die seit 1740 in Charlottenburg stationiert war. Im östlichen Bau wurde 1967 das Ägyptische Museum untergebracht, bis es 2005 an seinen alten Standort auf der Museumsinsel in Mitte zurückzog. Wenn der Umbau abgeschlossen ist, soll hier die Sammlung Scharf/Gerstenberg mit bedeutenden Werken des Surrealismus und der fantastischen Kunst einziehen.

Schloßstr. 1 Museum Berggruen
Im westlichen Stülerbau ist im Museum Berggruen eine der weltweit bedeutendsten Privatsammlungen mit Werken der Klassischen Moderne zu sehen. Der ehemalige Pariser Kunsthändler und Sammler Heinz Berggruen hat die Werke seiner Vaterstadt Berlin als Dauerleihgabe zur Verfügung gestellt. Am 6. September 1996 wurde die Ausstellung hier unter dem Titel “Picasso und seine Zeit – die Sammlung Berggruen” eröffnet, später in “Museum Berggruen” umbenannt. Am 21. Dezember 2000 ging die Sammlung quasi qua Schenkung in den Besitz der Stiftung Preußischer Kulturbesitz über. Picasso ist mit 80 Exponaten vertreten, den zweiten Schwerpunkt bilden Arbeiten von Paul Klee. Heinz Berggruen starb am 23.2.2007 in Paris. Er wurde in Berlin auf dem Dahlemer Waldfriedhof beerdigt. Die Erben von Heinz Berggruen wollen das Museum um fünfzig Werke der Klassischen Moderne erweitern, darunter Picasso, Matisse, Klee und Cézanne. Vorgesehen für die Erweiterung ist das benachbarte Kommandantenhaus, das wir eben gesehen haben.

Schloßstr. 1a Bröhan-Museum
In Anschluss an den Stülerbau an der Schloßstraße 1a errichtete der Architekt Kahl 1892/93 ein Mannschaftsgebäude und Offizierswohnhaus für die Gardes-du-Corps. 1929 baute Alfred Richter das Haus um zum Polizei-Institut. 1983 zog das Bröhan-Museum ein. Es ist das Landesmuseum für Jugendstil, Art-Déco und Funktionalismus. Hervorgegangen ist das Museum aus der Privatsammlung Karl H. Bröhans, der sie Anfang der 80er Jahre dem Land Berlin schenkte. Die Sammlung enthält Gemälde der Berliner Sezession, Industriedesign, Kunsthandwerk und Möbel. Das Bröhan-Museum zeigt immer wieder interessante Sonderausstellungen

In der Mitte der Schloßstraße steht seit 1901 das Bronzestandbild des Prinzen Albrecht von Preußen, der von 1809 bis 1872 gelebt hat. Er war der jüngste Bruder Kaiser Wilhelms I und ist hier als Reitergeneral dargestellt. Die Reliefs an den Seiten zeigen Kampfszenen aus dem deutsch-französischen Krieg von 1870/71, an dem Albrecht teilgenommen hat. Das Denkmal wurde von dem Bildhauer Eugen Boermel und dem Maler Conrad Freyberg geschaffen. Dieser ist als Regimentskamerad Prinz Albrechts auf dem östlichen Sockelrelief selbst dargestellt.

Schloßstr. 69 Museum Charlottenburg-Wilmersdorf
Seit kurzem haben wir das Heimatmuseum umbenannt in Museum Charlottenburg-Wilmersdorf. Wir folgen damit den meisten anderen Berliner Bezirken, und wir wollen damit auch ein Publikum ansprechen, das den Begriff “Heimatmuseum” vielleicht als etwas antiquiert empfindet.
1987 wurde es als Heimatmuseum Charlottenburg gegründet. Es wird von Birgit Jochens geleitet und hat sich längst zu einer festen “Größe” in der Charlottenburg-Wilmersdorfer Kulturlandschaft entwickelt. Dazu haben wesentlich seine vielen Sonderaustellungen beigetragen; mehr als 100 hat das Haus mittlerweile präsentiert. Eine davon wollen wir jetzt besichtigen: “Die Weihnachtsgeschichte. Kinderbibeln aus Europa”. Sie wird gezeigt bis zum 6.1.2008. Geöffnet ist dienstags bis sonntags von 10 bis 17 Uhr. Der Eintritt ist frei. An den Adventssonntagen wird zusätzlich ein kleiner Weihnachtsmarkt geboten. Kunsthandwerkerinnen bieten Weihnachtsdekor und Puppenkleider zum Verkauf. Auch kann man sich in einem kleinen Café mit Kaffee und Kuchen stärken.

Bezirksbürgermeisterin Monika Thiemen, Foto: KHMM

Bezirksbürgermeisterin Monika Thiemen, Foto: KHMM

Schloss Charlottenburg
Die Mittelbauten des Schlosses errichteten die Baumeister Nehring, Grünberg und Eosander im Barockstil von 1695-1712. Anbauten durch Knobelsdorff folgten 1740-42 im Spätbarock und Rokokostil, 1788-91 im Frühklassizismus durch Langhans und 1825 von Schinkel ein zusätzlicher Bau im Klassizismus.
Im Zweiten Weltkrieg wurde das Schloss Charlottenburg ebenso stark zerstört wie das Berliner Stadtschloss. Dass Charlottenburg nicht abgerissen, sondern wieder aufgebaut wurde, haben wir vor allem einer Frau zu verdanken: Margarete Kühn. Die Kunsthistorikerin lebte von 1902 bis 1995. Sie hat als erste Direktorin der Berliner Schlösserverwaltung nach 1945 wie eine Löwin für den Wiederaufbau der Ruine des Schlosses Charlottenburg gekämpft und ihn schließlich durchgesetzt.

In diesem Jahr gibt es zum ersten Mal einen Weihnachtsmarkt am Schloss. Er wird veranstaltet von dem Charlottenburger Unternehmer Tommy Erbe mit seinem Werbeteam Berlin.