Kiezspaziergang am 9.12.2006

Vom Mierendorffplatz nach Alt-Lietzow

Bezirksbürgermeisterin Monika Thiemen
Treffpunkt: Auf dem Mierendorffplatz am U-Bahn-Ausgang

Bezirksbürgermeisterin Monika Thiemen auf dem Mierendorffplatz, 9.12.2006, Foto: KHMM

Bezirksbürgermeisterin Monika Thiemen auf dem Mierendorffplatz, 9.12.2006, Foto: KHMM

Sehr geehrte Damen und Herren!

Herzlich willkommen zu unserem 60. Kiezspaziergang. Wir wollen heute den Mierendorffkiez ein wenig kennen lernen, den früheren Ortsteil Kalowswerder, der genau genommen eine Insel ist. Anschließend werden wir auf dem Siemenssteig die Spree überqueren und hinter dem Rathaus Charlottenburg den alten Dorfkern von Lietzow erreichen. Wir werden heute drei sehr verschiedene Kirchen besichtigen: die Syrisch-Orthodoxe Kirche hier am Mierendorffplatz, die evangelische Kirche Alt-Lietzow und die katholische Herz-Jesu-Kirche, ebenfalls in Alt-Lietzow.
Zuvor aber wie gewohnt die Ankündigung unseres nächsten Kiezspazierganges: Auch im neuen Jahr 2007 werden wir bei unserem gewohnten Turnus bleiben und immer am zweiten Sonnabend eines Monats, immer um 14.00 Uhr einen Treffpunkt festlegen. Am 13. Januar, um 14.00 Uhr wollen wir uns am S-Bahnhof Heerstraße treffen, und werden nach einem kurzen Spaziergang durch Neu-Westend das Georg-Kolbe-Museum besuchen. Aufmerksam machen will ich Sie auch auf ein Konkurrenzunternehmen, das uns aber sehr sympathisch ist: Frau Katja van Dyck-Taras bietet in Kooperation mit der Evangelischen Familienbildung Charlottenburg und unserer Wirtschaftsförderung insgesamt 10 verschiedene Kulturspaziergänge in Charlottenburg-Wilmersdorf an, und zwar immer einmal im Monat samstags von 15.00 bis 17.00 Uhr für 10 bis 20 Personen. Die Teilnahme kostet 6.- EUR pro Person. Und für Gruppen können auch extra Termine vereinbart werden. Wer sich dafür interessiert, kann von Herrn Metzger ein Faltblatt bekommen, dem die Termine, die Themen und die Telefonnummer zu entnehmen sind.
Und noch ein Tipp: Ganz hier in der Nähe, nämlich auf dem Klausenerplatz gegenüber dem Schloss Charlottenburg gibt es heute und morgen einen Alt-Berliner Weihnachtsmarkt, den das Kiezbündnis Klausenerplatz veranstaltet: Heute noch bis 20.00 Uhr und morgen von 11.00 bis 18.00 Uhr. Es ist ein nicht-kommerzieller Weihnachtsmarkt, der überwiegend von privater Initiative getragen wird. Ich habe schon darauf hingewiesen: Heute befinden wir uns streng genommen auf einer Insel. Wenn Sie mit der U-Bahn gekommen sind, haben Sie es wahrscheinlich nicht gemerkt, aber Sie sind auf jeden Fall unter einem Wasserweg hindurch gefahren. Wenn Sie in den Stadtplan schauen, werden Sie feststellen, dass diese Insel eine fast quadratische Form hat und im Süden und Westen von der Spree begrenzt wird, im Norden vom Westhafenkanal und im Osten vom Charlottenburger Verbindungskanal. Kaum jemand kennt heute noch den alten Charlottenburger Stadtteil Kalowswerder. Dabei handelt es sich genau um diese Insel.

Die Insel Kalowswerder wurde erst relativ spät in größerem Stil bebaut, und zwar in den letzten Jahren vor dem Ersten Weltkrieg. Zunächst gab es nur eine einzige Brücke, und zwar eine Zugbrücke, die heutige Schlossbrücke, die Kalowswerder mit der Stadt Charlottenburg verband. König Friedrich Wilhelm II betrachtete das Gelände als eine Art erweiterten Schlossbezirk und wollte vom Schloss her über die Spree hinweg freie Aussicht behalten. Im 19. Jahrhundert nannte man das Gebiet “Über der Spree”, womit die Sicht aus der Schlossperspektive gemeint war. So wurden zunächst lediglich Holzplätze und Holzhandlungen hier geduldet. Später entstanden einige kleinere Produktionsanlagen wie etwa die Gottschalk’sche Zichorienfabrik und eine Ätherfabrik der Firma Schering. Die Kaiserin-Augusta-Allee wurde 1848 von einer privaten Aktiengesellschaft angelegt. Sie verlief hier entlang der heutigen Mierendorffstraße bis zur Schlossbrücke. Für ihre Benutzung wurde an der Einmündung der Wiebestraße ein Chausseegeld erhoben. 1865 erwarb die Stadt Berlin die Chaussee und verpachtete sie. Berlin kassierte also indirekt Wegezölle auf Charlottenburger Gebiet. Erst 1893 übernahm die Stadt Charlottenburg die Straße in ihr Eigentum und schaffte die Straßenbenutzungsgebühr ab. Ich glaube, diese Geschichte sollten wir unserem Finanzsenator lieber nicht erzählen, sonst bringen wir ihn noch auf neue alte Ideen.
Eine Voraussetzung für die Bebauung im großen Stil war die Verkehrserschließung und die Kanalisation. Ein wichtiges Datum dafür war der 1. Mai 1894, an dem der Bahnhof Jungfernheide eröffnet wurde. Damit hielt zum ersten Mal ein Zug in Kalowswerder. Zunächst allerdings stiegen hier vor allem die Leute aus, die am Wochenende die Jungfernheide besuchen wollten.
Aber der Bahnhof war eine wichtige Voraussetzung dafür, dass die Justizverwaltung das Angebot Charlottenburgs annahm, ein Grundstück am Tegeler Weg kostenlos zur Verfügung zu stellen für den Bau des Landgerichts. Die Stadt versprach sich davon einen Aufschwung des Stadtteils, und sie sollte Recht behalten. Der Bau des Landgerichts von 1901 bis 1906 und der damit verbundene Straßenbau und Anschluss an die Kanalisation sorgten dafür, dass in der Folge bis 1914 das Viertel zwischen dem Tegeler Weg und der heutigen Mierendorffstraße an der Osnabrücker Straße, Mindener Straße, Tauroggener Straße und Kamminer Straße mit Mietshäusern bebaut wurden.
Das Ensemble ist für die Gestaltung des Mietshausbaus kurz vor dem Ersten Weltkrieg beispielhaft, und da die Kriegsschäden hier nur gering waren kann man es bis heute erleben. Besonders an der Kaiserin-Augusta-Allee entstand eine durchgehende Bebauung. An den anderen Straßen blieben Baulücken, die erst in den zwanziger und dreißiger Jahren ausgefüllt wurden.

Mierendorffplatz

Wie die Mierendorffstraße wurde auch der Mierendorffplatz 1950 benannt nach dem Politiker und Widerstandskämpfer Carlo Mierendorff. Der 1897 in Großenhain in Sachsen geborene Carlo Mierendorff kehrte aus dem Ersten Weltkrieg als Pazifist heim und wurde 1930 Reichtstagsabgeordneter der SPD. Im März 1933 floh er nach einer Hausdurchsuchung für 14 Tage in die Schweiz, kehrte aber zurück und wurde am 13. Juni 1933 in Frankfurt/Main verhaftet. Bis zum Juni 1938 war er in verschiedenen Konzentrationslagern und im Gestapo-Gefängnis in der Prinz-Albrecht-Straße in Berlin inhaftiert. Nach seiner Entlassung ging er als Mitglied des Kreisauer Kreises in den Widerstand. Am 4. Dezember 1943 kam er in Leipzig bei einem Bombenangriff ums Leben.
Vor 1950 hieß der Platz Gustav-Adolf-Platz. Es ist ein verkehrsreicher Platz inmitten der von Spree, Charlottenburger Verbindungs- und Westhafenkanal gebildeten Charlottenburger Insel am Kreuzungspunkt von fünf Straßen und mehreren Buslinien. Außerdem ist hier ein Bahnhof der U7. Mittwochs und sonnabends ist von 8 bis 13 Uhr Wochenmarkt.

Mierendorffplatz, 9.12.2006, Foto: KHMM

Mierendorffplatz, 9.12.2006, Foto: KHMM

Bemerkenswert für die so genannte “Kleine-Leute-Gegend” ist die aufwändige Gestaltung der Parkanlage. Der Park wurde 1912 nach Entwürfen des Städtischen Gartenbaudirektors Erwin Barth mit Rhododendren, Blumengarten, Spielplatz, kleinen Laternen mit quadratischem Glaszylinder sowie einem Fontänenbrunnen angelegt und von Platanen eingerahmt; er spiegelt die soziale Gesinnung seines Gestalters wider. Barths Credo lautete: “Wenn irgendwo eine reiche Ausstattung der Plätze mit verschwenderischer Blumenfülle, mit Brunnen und dergleichen angebracht ist, so ist es da, wo Leute wohnen, die sich keine eigenen Gärten leisten können.”
Der Platz wurde im Zweiten Weltkrieg zerstört, danach vorübergehend kleingärtnerisch genutzt, 1950 wieder instand gesetzt, 1975 für den U-Bahnbau abgeräumt und 1978 bis 1987 unter denkmalpflegerischen Gesichtspunkten wieder hergestellt. Die Rekonstruktion des Platzes nach den historischen Plänen wurde im Jahr 2000 mit dem Gustav-Meyer-Preis ausgezeichnet. Am Parkeingang wurde 1980 in seinem 100. Geburtsjahr eine Gedenktafel für Erwin Barth enthüllt:
ERWIN BARTH
1880 -1933
GARTENDIREKTOR VON
CHARLOTTENBURG 1912 – 1926
GROSS-BERLIN 1926 – 29
GUSTAV ADOLF (MIERENDORFF) PLATZ
KAROLINGERPLATZ LIETZENSEEPARK
SACHSEN (BRIX) PLATZ
VOLKSPARK JUNGFERNHEIDE
CHARLOTTENBURG 1980

Mierendorffplatz 16
“Modellbahnen am Mierendorffplatz GmbH Weidemann”
Unter den originellen Läden und Geschäften am Platz ist bei Liebhabern besonders gefragt das Modellbahngeschäft von Hartmut Weidemann, wo keineswegs in erster Linie Kinder als Kunden gesichtet werden, sondern überwiegend leidenschaftliche erwachsene Eisenbahnsammler. Weidemann findet seinen Standort ideal, besonders wegen der guten Bus- und U-Bahnverbindungen und der bezahlbaren Miete, die damit zusammen hängt, dass dies nicht gerade ein Schickeria-Viertel ist.
Im letzten Berliner Sozialstrukturatlas wurde das Quartier Mierendorffplatz als Präventionsgebiet eingestuft. Das reicht zwar nicht für besondere finanzielle Mittel zur Einrichtung eines Quartiersmanagements aber das Bezirksamt hat vor einem Jahr am 13.12.2005 beschlossen, diesen Bereich als Pilotprojekt für eine ressortübergreifende Stadtteilarbeit vorzusehen.
Inzwischen hat sich eine Arbeitsgruppe „Stadtteilmanagement Mierendorffplatz“ gebildet, die sich aus Mitgliedern der Fachämter Jugend, Soziales, Wirtschaft, Kultur, Wohnen, Grünflächen und Stadtplanung sowie der Migrantenbeauftragten zusammensetzt. Die Koordination liegt beim Stadtplanungsamt. Frau Spengler vom Stadtplanungsamt leitet die Gruppe. Sie ist heute bei uns und kann bei Bedarf über die Arbeit der Gruppe informieren.
Ziel ist es, ein Entwicklungskonzept zu erarbeiten, dessen Maßnahmen dazu beitragen, die Wohn- und Arbeitsverhältnisse, die Bildungs- und Beschäftigungssituation sowie die soziale und interkulturelle Integration in diesem Gebiet zu verbessern und somit die Schaffung und Erhaltung sozial stabiler Bewohnerstrukturen und die Entwicklung nachhaltiger Gemeinwesenarbeit zu ermöglichen.
Zunächst hat die Gruppe die Ausgangssituation für dieses Gebiet untersucht: Die Gesamtfläche beträgt ca. 165 ha, wovon rund 1/3 Wohnbebauung, 1/3 Industrie- u. Gewerbeflächen sowie 1/3 Verkehrs-, Grün-, und Erholungsflächen sind.
Der nördliche Bereich des Gebietes ist geprägt durch einen hohen Anteil an gewerblicher Nutzung, unter anderem im BioTechPark am Tegeler Weg. Im westlichen Bereich dominiert die Wohnbebauung, und der östliche Bereich weist neben Wohnungsbau auch große Flächen für Versorgungseinrichtungen auf, das ehemalige Gaswerk, das Kraftwerk, ein BSR-Betriebshof und Discounter, außerdem Verwaltungsbauten, Kleingewerbe und Kleingärten. Durch dieses Gebiet werden wir heute hauptsächlich gehen.
Das Gebiet ist insgesamt gekennzeichnet durch einfache Wohnlage gemäß Berliner Mietspiegel, also Kaltmieten zwischen 2,80 EUR und 6,60 EUR je nach Baualter, Wohnungsgröße und Ausstattung. Der überwiegende Teil der Wohnungen besitzt einen zeitgemäßen Ausstattungsstandart. Während die Altbauten meist einzelnen Eigentümern gehören, befinden sich die Siedlungsbauten im Besitz verschiedener Wohnungsbaugesellschaften, wobei zum Teil nach einem Verkauf an private Immobiliengesellschaften ein Großteil der Bestände vor kurzem modernisiert und in Wohneigentum umgewandelt wurden. Größeren Wohnungsleerstand gibt es nicht.
Ende 2005 lebten rund 13.700 Bewohnerinnen und Bewohner im Gebiet Mierendorffplatz, wobei die Bevölkerungsentwicklung seit 1991 rückläufig ist. Vom Rückgang am stärksten betroffen ist hierbei die Altersgruppe der Kleinkinder (0 bis 6 Jahre), welche den geringsten Anteil an der Bevölkerung hat, gefolgt von der Gruppe der Senioren (über 65 Jahre). Den größten Anteil an der Kiez-Bevölkerung hat die Gruppe der Erwerbsfähigen (18 bis 65 Jahre), was dem Berliner Durchschnitt entspricht.
Der prozentuale Anteil der Deutschen im Untersuchungsgebiet ist ebenfalls leicht rückläufig. Zugenommen hat hingegen der Anteil der Bevölkerung mit nicht deutscher Staatsangehörigkeit. Er beträgt 20,8 % im Vergleich zu 18,4% im gesamten Bezirk Charlottenburg-Wilmersdorf und 13,8% in Berlin.
Der Anteil an Arbeitslosen im Gebiet liegt mit 15,1% ebenfalls über den Vergleichszahlen im gesamten Bezirk mit 11,4% und in Berlin mit 14%.
Im Quartier Mierendorffplatz befinden sich die Mierendorff-Grundschule mit rund 500 Schülerinnen und Schülern, die Elisabeth-Realschule mit 350 Schüler und das Gottfried-Keller-Gymnasium mit 630 Schülerinnen und Schülern, sowie eine Außenstelle der Universität der Künste mit den Fachbereichen Musik, Darstellende Kunst und Gestaltung. Ferner gibt es eine private Musikschule und zwei private Sprachschulen. Der Einzugsbereich der 5-zügigen Grundschule umfasst das gesamte Mierendorffplatz-Gebiet. Seit ihrer Umwandlung zur gebundenen Ganztagsschule ist zudem die Nachfrage aus den umliegenden Einzugsbereichen gestiegen. Die Oberschulen werden von Schülern aus 22 Nationen besucht, wobei 40% der Schüler aus dem Kiez, weitere 40% aus den umliegenden Bereichen und 20% von außerhalb des Bezirks kommen.
Das Gebiet ist geprägt durch eine kleinteilige Gewerbe,- Einzelhandels- und Dienstleistungsstruktur, wobei sich der Einzelhandel entlang der Hauptverkehrsstraßen Kaiserin-Augusta-Allee, Osnabrücker-, Tauroggener-, Mierendorffstraße und Tegeler Weg konzentriert. Der Schwerpunkt liegt auf kleinteiligem Facheinzelhandel. Hinzu kommen mehrere Discounter sowie ein Wochenmarkt. Dominierende Branchen sind Gastronomie mit 19%, gefolgt von Dienstleistungen (14,8%), Schönheit (10,7%), Lebensmittel (9,5%), Freizeit (8,9%), Handwerk (8,3%) und Gesundheit (7,7%), Soziale Einrichtungen, Kleidung, Möbel, Elektro, Kultur und Kunst nehmen nur 3 bis 1% in Anspruch.
Die Versorgung des Gebietes mit Ärzten, Apotheken, Physiotherapieeinrichtungen und Ambulanten Pflegediensten aber auch mit Spiel- und Sportplätzen sowie Grün- und Erholungsflächen ist in ausreichendem Maße gegeben. Des weiteren befinden sich im Gebiet drei städtische und eine kirchlich getragene Kindertagesstätte sowie mehrere Eltern-Initiativ-Kitas und eine Kita in privater Trägerschaft. Darüber hinaus gibt es 3 Kirchen (evangelisch, syrisch-orthodox und neuapostolisch), Einrichtungen für Senioren (‚Caritas‘), Jugendförderung (‚FiB‘), Jugendarbeit (‚Dorfwerkstatt‘), Jugendwohnen (‚DAS‘‚ ‚Aktion 70‘), geistig Behinderte (‚BEW 12‘, ‚Wohnverbund GPVA‘, etc.), Schuldnerberatung (‚SOFA‘), sowie soziale Gemeinwesenarbeit (‚Lebenswelt‘).
Soweit die bisherige Bestandsaufnahme der Arbeitsgruppe, mit der wir versuchen wollen, die Verhältnisse rund um den Mierendorffplatz zu verbessern.

Mindener Straße
Die Mindener Straße wurde 1906 benannt nach der nordrhein-westfälischen Kreisstadt. Wilmersdorf hat 1968 eine Partnerschaft mit Minden geschlossen, die seit der Bezirksfusion vom neuen Bezirk Charlottenburg-Wilmersdorf weiter gepflegt wird.

Kirche der syrisch-orthodoxen Gemeinde Mor Afrem e.V., 9.12.2006, Foto KHMM

Kirche der syrisch-orthodoxen Gemeinde Mor Afrem e.V., 9.12.2006, Foto KHMM

Mindener Str. 1
Syrisch-orthodoxe Kirche Mor Afrem e.V., ehem. Katholische Kirche Mariä Himmelfahrt
Eine zu Beginn der 20er Jahre geplante Kirche an dieser Stelle wurde aus Geldmangel nicht gebaut. Aber am 15. 8. 1926 weihte Prälat Lichtenberg eine bescheidene Kapelle ein. Die heutige Kirche wurde 1964-66 von Alfons Boklage gebaut, und zwar als Nachfolgebau der zuvor abgerissenen Kapelle aus den zwanziger Jahren. Es ist eine Vierflügelanlage in geschlossener Bebauung. Neben Sichtbetonbalken und verglasten Betonformsteinen gibt es eine Verblendung mit rotbraunen holländischen Handstrichziegeln. Die Kirche diente auch als Gotteshaus für die italienisch-sprachigen Katholiken. Die Kirche wurde vor rund zwei Jahren als eine von sechs katholischen Kirchen in Berlin zum Verkauf angeboten. Erworben wurde sie von der syrisch-orthodoxen Kirche Mor Afrem e.V., über die uns jetzt Herr Isa Totzmann mehr erzählen wird. Er ist Mitglied des Gemeinderates, und ich danke ihm herzlich dafür, dass er uns seine Kirche vorstellt.

Mierendorffstr. 30: Gedenktafel
An dem Haus Mierendorffstraße 30 erinnert eine Gedenktafel an Carlo Mierendorff, die 1983 von der Hochschule der Künste gestiftet und an ihrem Gebäude angebracht wurde:
Dem Andenken an
Carlo Mierendorff
1897 – 1943
Nationalökonom und SPD – Reichsabgeordneter
Widerstandskämpfer gegen das NS-Regime
Verbindungsmann der SPD zur
Widerstandsgruppe “ Kreisauer Kreis”
Hochschule der Künste Berlin

Nordhauser Straße
Die Nordhauser Straße wurde 1909 benannt nach der Stadt am Südrand des Harzes

Sömmeringstraße
Die Sömmeringstraße wurde 1902 benannt nach dem Arzt und Naturforscher Samuel Thomas von Sömmering (1755-1830).

Sporthalle Charlottenburg, 9.12.2006, Foto: KHMM

Sporthalle Charlottenburg, 9.12.2006, Foto: KHMM

Sömmeringstr. 29 Sporthalle Charlottenburg
Bis 1960 war es ein Konkurrenzkampf zwischen Charlottenburg und Wilmersdorf und umstritten, ob eine große Sporthalle neben dem Stadion am damaligen Lochowdamm in Wilmersdorf, der heutigen Fritz-Wildung-Straße, oder hier an der Sömmeringstraße gebaut würde. Kurz nach dem Mauerbau 1961 wurde dann hier der Grundstein gelegt für den bis dahin größten Sporthallenbau Berlins nach dem Krieg. Der “Kleine Sportpalast”, wie es damals hieß, sollte Plätze für 2.200 Zuschauer bieten. Die 55 mal 25 Meter große Spiel- und Sportfläche kann verkleinert werden, so dass dann weitere 1.000 Zuschauer Platz finden. Die ursprünglich auf 2,2 Millionen DM veranschlagten Kosten erhöhten sich beträchtlich auf 3,5 Millionen, unter anderem durch die Entdeckung, dass der Baugrund im Urstromtal der Spree so schlecht war, dass die Halle auf etwa 150 dicken Stahlpfählen errichtet werden musste. Eingeweiht wurde die Halle schließlich am 31. Oktober 1964.
Inzwischen ist die Halle als “Sömmering-Halle” bekannt und beliebt für sportliche und manchmal auch andere Großveranstaltungen. Ihr korrekter Name lautet “Sporthalle Charlottenburg”.

Quedlinburger Straße
Die Quedlinburger Straße wurde 1909 nach der Stadt am Harz benannt
Wir gehen weiter die Sömmeringstraße entlang und vor der Brücke links in die Straße Am Spreebord am Kraftwerk Charlottenburg entlang. Zum Kraftwerk will ich Ihnen auf der anderen Seite einige Erläuterungen geben, weil man von dort einen schönen Blick auf die historischen Kraftwerksgebäude hat.

Am Spreebord
Die Straße “Am Spreebord” wurde 1909 benannt. Auf einer Karte von 1835 ist an dieser Stelle des Spreeufers ein “Spree Port” eingezeichnet, also ein Hafen. Mit Spreebord könnte allerdings auch der obere Rand der Spree oder der Schiffe, die hier anlegten, gemeint sein. Bis vor einigen Jahren war hier die Entladestelle für die Kohleschiffe.

Siemenssteg, 9.12.2006, Foto: KHMM

Siemenssteg, 9.12.2006, Foto: KHMM

Siemenssteg
Der Siemenssteg wurde 1900 gleichzeitig mit dem Kraftwerk Charlottenburg als Fußgängerweg über die Spree gebaut, eine Metallkonstruktion mit Sandsteinrahmungen. Gleichzeitig mit der Inbetriebnahme der Städtischen Elektrizitätswerke am 1.8.1900 wurde die Brücke als Verbindung des neuen Industriestandortes zum alten Lützow freigegeben. Die ursprüngliche Brücke wurde allerdings im Zweiten Weltkrieg zerstört. Der heutige Bau mit einer Länge von 77 Metern und einer Breite von 3,5 Metern wurde 1960 gebaut. Der Siemenssteg wird links und rechts durch eine bis zu 15 Meter hohe geschwungene Metallkonstruktion mit zahlreichen Verstrebungen stabilisiert, darunter befindet sich jeweils ein Kunstschmiedegeländer. Der eigentliche Laufsteg ist aus Holz.

Kraftwerk Charlottenburg, 9.12.2006, Foto KHMM

Kraftwerk Charlottenburg, 9.12.2006, Foto KHMM

Kraftwerk Charlottenburg
Die Maschinenhalle des Kraftwerks wurde 1899/1900 von Georg Klingenberg als roter Ziegelbau mit weißen Putzfeldern gebaut. Die ursprünglichen Kegeldächer der Ecktürme wurden entfernt.
Bei dem Kraftwerk handelt es sich um eine frühe Kraft-Wärme-Kopplungsanlage. Die Errichtung eines eigenen Kraftwerkes für die Stadt Charlottenburg erfolgte durch Magistratsbeschluss von 1898. Die erste Heizwärme floss in das Rathaus Charlottenburg. Die Kraftwerksanlage wurde errichtet durch die Frankfurter Firma Lameyer & Co. Die Generatoren wurden durch Kolbendampfmaschinen angetrieben. Die dafür benötigten Kohle wurde über die Spree angeliefert.
Mit dem 1891 eröffneten Gaswerk an der Gaußstraße und dem Kraftwerk hier am Spreebord wurde Kalowswerder zum wichtigsten Standort für die Energieversorgung Charlottenburgs.
1922 wurde das Kraftwerk in die “Berliner Städtischen Elektrizitätswerke” eingegliedert und 1925/26 umgebaut zum ersten deutschen Hochdruck-Großkraftwerk mit Hochdruckturbinen. Hier wurde das erste Fernheiznetz Berlins eingerichtet. Das Schalthaus im Stil der neuen Sachlichkeit stammt von 1925.
1953 wurde das alte Kesselhaus abgerissen und ein neues gebaut. 1954-66 wurde neben dem mit Wasserdampf als Wärmeträger arbeitenden Heiznetz zusätzlich ein Heißwasser-Heiznetz eingerichtet.
1989 wurden die Rauchgasentschwefelungsanlagen und 1994 die großen Rauchgasentstickungsanlagen gebaut, die seither den gesamten Bau dominieren.
2001 kam das Ende des “Dampfkraftwerkes” mit der Stillsetzung des letzten der drei kohlebefeuerten Dampfblöcke.
Die heutige Anlage arbeitet mit drei leichtölgefeuerten Gasturbinen. Der große Schornstein, der nicht mehr gebraucht wird, wurde seit September stufenweise abgerissen. Für die nicht mehr benötigten Gebäudekomplexe wird nach einer neuen Nutzung gesucht. Nachdem zunächst an eine große Hotel- und Freizeitnutzung gedacht wurde, ist jetzt eher eine kleinteilige Gewerbenutzung im Gespräch, das heißt Vattenfall will einzelne Gebäudeteile an interessierte Gewerbetreibende vermieten. An der Spree wird ein Uferwanderweg angelegt.

Iburger Ufer
Das Iburger Ufer wurde 1972 nach Bad Iburg benannt, der Stadt im Landkreis Osnabrück, in der 1668 Sophie Charlotte geboren wurde, der Charlottenburg sein Schloss und seinen Namen verdankt. Charlottenburg schloss 1980 eine Partnerschaft mit Bad Iburg.

Röntgenstraße
Die Straße wurde 1899 nach dem damals 54jährigen Physiker Wilhelm Röntgen benannt. 1895 hatte er die Röntgenstrahlen entdeckt und 1901 wurde ihm als erstem der Nobelpreis für Physik verliehen. Den ihm angetragenen Adelstitel lehnte er ab. Er starb 1923 in München. Heute wäre eine Straßenbenennung nach einer lebenden populären Persönlichkeit nicht möglich. Vielleicht sollte man diese Regelung überdenken und die Genies unserer Gegenwart mehr ins öffentliche Bewusstsein rücken.

Alt-Lietzow
Die Straße wurde 1937 nach dem alten Dorfnamen benannt. Zuvor hieß sie Lützower Straße.
Das Dorf Lietzow wurde im Jahr 1239 erstmals erwähnt, damals noch unter der Bezeichnung “Lucene”. Erwähnt wurde das Dorf, das damals nur aus einem einzigen Hof bestand, in der Stiftungsurkunde des Nonnenklosters in Spandau, dem es 300 Jahre lang bis 1542 gehörte. Also nicht nur die Stadtgründung Charlottenburgs im Jahr 1705 geht auf eine Frau zurück, sondern auch die dörfliche Vergangenheit stand unter der Herrschaft von Frauen, den Spandauer Nonnen, die 1542 von Kurfürst Joachim II enteignet wurden. Es war die Zeit der Säkularisation: Ein großer Teil des Kirchenbesitzes ging an den Staat über. Damals gab es in Lietzow 13 Höfe. Das Dorf wurde 1720 in die Stadt Charlottenburg eingemeindet, die 15 Jahre zuvor, 1705 gegründet worden war.

Ev. Kirche Alt-Lietzow, 9.12.2006, Foto: KHMM

Ev. Kirche Alt-Lietzow, 9.12.2006, Foto: KHMM

Alt-Lietzow 30
Pfarrer Klaus Kurt Raschkowski stellt uns seine Kirche vor, und ich danke ihm herzlich, dass er sich die Zeit für uns genommen hat.
Die evangelische Kirche Alt Lietzow ist der fünfte Kirchenbau an dieser Stelle. Bereits im 15. Jahrhundert wurde hier eine dörfliche Feldsteinkirche gebaut. Die dritte Kirche wurde 1848 von August Stüler gebaut. Sie wurde 1910 abgerissen und durch eine größere, neobarocke Kirche von Jürgen Kröger ersetzt, die dann im Zweiten Weltkrieg zerstört wurde. Die heutige Kirche baute 1961 der Architekt Ludwig von Walthausen.
Sie besteht aus einem zeltartigen Saalbau mit einem freistehenden Glockenturm. Teilweise wurde in Fertigteilbauweise gebaut. Die Kirche gehört zur Luisengemeinde.
Am 1.10.2006 wurde der Taufstein aus dem Jahre 1599 wieder in Gebrauch genommen. Er gehörte zur Kirche bis zur Stüler-Kirche im 19. Jahrhundert. Zuletzt befand er sich im Märkischen Museum, wo ihn die Kunsthistorikerin Sophia Hofmann entdeckt hat. Er wurde von der Firma Jan Hamann restauriert und nach Vermittlung durch das Heimatmuseum Charlottenburg-Wilmersdorf wieder der Kirche Alt-Lietzow als Dauerleihgabe zur Verfügung stellt. Der ca. 1 m hohe Taufstein aus sächsischem Sandstein trägt folgende Inschrift:
“MARCI AM LETZTEN WER DA GLEUBET UND GETAUFT WIRDT
DER WIRDT SHELICH WER ABER NICHT GLEUBET
DER WIRDT VERDAM
GIDEON FREISE DER CHVRF:
HOFGLASER HAT DIESE TAUFFE DER KIRCHEN ZU EHREN
UND
DER GEMEINE ZU WOLGEFALLEN SETZEN LASSEN:
ANNO 1.5.9.9”

Alt-Lietzow-Platz mit Gefallenendenkmal, Villa Kogge und Rathaus Charlottenburg, 9.12.2006, Foto: KHMM

Alt-Lietzow-Platz mit Gefallenendenkmal, Villa Kogge und Rathaus Charlottenburg, 9.12.2006, Foto: KHMM

Alt-Lietzow-Platz
Hier befand sich der ehemalige Dorfanger von Lietzow. Um 1900 wurde er zu einem ovalen Schmuckplatz umgestaltet. Das Gefallenendenkmal für die preußischen Kriege wurde bereits 1875 errichtet. Später wurden die Tafeln zur Erinnerung an die Gefallenen der beiden Weltkriege ergänzt. Trotz der Einmündung von sechs Straßen ist es ein ruhiger Platz mit Aufenthaltswert. In der Mitte befindet sich die Holzskulptur eines Bären mit einem Vogel.

Alt-Lietzow 33
Malteser Hilfsdienst
Das Haus wurde 1888/99 von Paul Bratring als viergeschossiger Ziegelbau für die Feuerwache Lietzow gebaut. In den Folgejahren gab es zahlreiche Erweiterungsbauten: 1895 einen Zwischenflügel, 1899 einen hölzernen Steigeturm, 1903/04 eine nach Norden ausgerichtete Dreiflügelanlage und 1924 ein Wohnhaus.

Alt-Lietzow 28
Standesamt in der Villa Kogge: Die Villa wurde 1864-66 als spätklassizistischer Putzbau mit sandsteinartigen rötlichen Absetzungen errichtet. An allen vier Seiten gibt es Vorbauten und reichen Bildschmuck. Mit der Villa Kogge, dem Rathaus Schmargendorf und dem Intarsiensaal im Rathaus Charlottenburg haben wir drei äußerst beliebte Hochzeitsorte anzubieten. Aber es gibt auch weitere attraktive Angebote, zum Beispiel im Hochzeitssommer 2007 4- und 5-Sterne-Hotels wie Kempinski, Palace oder Brandenburger Hof.
Und natürlich sind am 7.7.07 besonders viele Standesbeamtinnen und –beamte im Einsatz, obwohl es ein Sonnabend ist. Und wer sich an diesem Tag im 7. Himmel fühlen will, der kann sogar ausnahmsweise im Schloss Charlottenburg heiraten, in der Großen Orangerie.

Kath. Herz-Jesu-Kirche, 9.12.2006, Foto: KHMM

Kath. Herz-Jesu-Kirche, 9.12.2006, Foto: KHMM

Alt-Lietzow 23
Katholische Herz-Jesu-Kirche
Pfarrer Florian Erlenmeyer stellt uns seine Kirche vor, und ich danke ihm herzlich dafür.
Die katholische Herz-Jesu-Kirche wurde 1875-77 von Hubert Stier als dreischiffige Basilika im gotischen Stil ohne Turm und ohne Querhaus erbaut. 1883 wurden der Chor und die Sakristei angefügt. Die Kirche wurde im Krieg beschädigt und 1953 wiederhergestellt. Die Kirche steht unter Denkmalschutz.

Gedenktafel für Bernhard Lichtenberg, enthüllt im Juni 2002
In dieser Kirche wirkte
von 1913 bis 1930
BERNHARD LICHTENBERG
3.12.1875 – 5.11.1943
als Pfarrer
Seit 1932 Dompfarrer an der St. Hedwigs-Kathedrale,
seit 1938 Dompropst in Berlin,
im Vorstand des Friedensbundes Deutscher Katholiken,
predigte engagiert gegen den Nationalsozialismus,
rettete Verfolgte vor der Gestapo,
wurde 1941 verhaftet und zu 2 Jahren Gefängnis verurteilt,
starb in Hof auf dem Transport ins KZ Dachau.