95. Kiezspaziergang am 14.11.2009

Vom Sophie-Charlotte-Platz zum Haus des Rundfunks

Start mit Sozialstadträtin Martina Schmiedhofer am Sophie-Charlotte-Platz, Foto: KHMM

Start mit Sozialstadträtin Martina Schmiedhofer am Sophie-Charlotte-Platz, Foto: KHMM

Sozialstadträtin Martina Schmiedhofer

Treffpunkt: U-Bahnhof Sohpie-Charlotte-Platz

Sehr geehrte Damen und Herren!
Herzlich willkommen zu unserem 95. Kiezspaziergang. Heute geht es vor allem um zwei Themen, die sich mit dem 9. November verbinden: erstens um die nationalsozialistischen Verbrechen, für die die Pogromnacht am 9. November 1938 zum Symbol wurde und zweitens um die deutsche Teilung, die mit dem Fall der Mauer vor 20 Jahren am 9. November 1989 beendet wurde.
Charlottenburg war zwar kein Mauerbezirk, aber es gab in Charlottenburg eine Reihe von Einrichtungen, die mit der Teilung Berlins zu tun hatten, darunter zum Beispiel in der Kuno-Fischer-Straße die Notaufnahmestelle für Flüchtlinge aus der DDR und das Haus des Rundfunks an der Masurenallee, in dem nach dem Zweiten Weltkrieg zunächst von russischen Soldaten Radio für die sowjetisch besetzte Zone gemacht wurde.
An den 9. November 1938 erinnern unter anderem das ehemalige Charlottenburger Polizeipräsidium gleich hier am Kaiserdamm 1, das ehemalige Reichskriegsgericht an der Witzlebenstraße und die Skulptur Treblinka am Amtsgerichtsplatz.

In den letzten Tagen sind zwei neue Bücher erschienen, die sich mit den beiden Themen in Charlottenburg beschäftigen. Das eine ist das “Gedenkbuch Juden in Charlottenburg”. Darin ist eine vollständige Liste mit den Namen und Adressen der 6.200 deportierten und ermordeten Charlottenburger Juden enthalten. Außerdem werden mit Zeitzeugenberichten, Briefen, Fotos, Biographien und Aktenauszügen auch Einzelschicksale dokumentiert und der bedeutende Beitrag vieler jüdischer Persönlichkeiten zur deutschen Geschichte gewürdigt. Ein Bericht über das gegenwärtige jüdische Leben im Bezirk macht aber auch deutlich, dass die Nationalsozialisten ihr Ziel nicht erreicht haben, alle Juden zu vernichten. Zu den Autoren gehören Wolfgang Knoll, Prof. Dr. Andreas Nachama, Dr. Simone Ladwig-Winters und Karl-Heinz Metzger.
Rechtzeitig zum 20. Jahrestag des Mauerfalls ist vor wenigen Tagen ein neuer Krimi von Irene Fritsch erschienen unter dem Titel “Kalter Krieg am Lietzensee”. Er spielt in den 1950er Jahren in Charlottenburg rund um den Lietzensee, und zu den entsprechenden Schauplätzen führt unser Kiezspaziergang. Ich freue mich sehr, dass die Autorin Irene Fritsch heute bei uns ist (oder zu uns stoßen wird) und uns einiges erzählen wird – vor allem zum Notaufnahmelager und zum Haus des Rundfunks, das wir am Ende unseres Spaziergangs besichtigen werden.
Beide Bücher sind übrigens im Text-Punkt-Verlag Berlin erschienen, und ich kann beide sehr zur Anschaffung, zur Lektüre und vielleicht auch zum Verschenken an Weihnachten empfehlen. Für Leute, die an der Geschichte Charlottenburgs interessiert sind, gehören sie zur Pflichtlektüre.

Bevor wir beginnen, möchte ich Ihnen mitteilen, wo der Treffpunkt für den nächsten Kiezspaziergang sein wird. Wie Sie wissen finden unsere Kiezspaziergänge immer am zweiten Samstag des Monats statt, also das nächste Mal am 12. Dezember, und Start ist wie immer um 14.00 Uhr, und zwar diesmal auf dem Breitenbachplatz, direkt am U-Bahn-Ausgang an der Schildhornstraße. Bezirksbürgermeisterin Monika Thiemen wird Sie dann durch Schmargendorf führen und mit Ihnen unter anderem die Dorfkirche Schmargendorf und das Seniorenheim an der Lentzeallee besuchen. Dort können Sie zum Abschluss des Spaziergangs passend zur Vorweihnachtszeit das Tiergehege mit einem Esel, Schafen und Kaninchen besichtigen.

Sophie-Charlotte-Platz
Der Sophie-Charlotte-Platz wurde 1892 benannt nach der Namensgeberin von Charlottenburg, der preußischen Königin Sophie Charlotte, der Gemahlin von König Friedrich I. Die 1668 in unserer Partnerstadt Bad Iburg geborene Sophie Charlotte starb sehr früh im Jahr 1705. Und ihr zu Ehren wurden das damalige Schloss Liezenburg und die neu gegründete Stadt nach ihr benannt. Charlottenburg erhielt gleichzeitig, im Jahr 1705 Stadtrechte. Der Platz wurde 1910 mit Rasen, Rabatten, Hecken und Bäumen angelegt.

Kaiserdamm 118 (gegenüber an der Ecke Kaiserdamm und Suarezstraße)
Das Wohnhaus wurde 1907/08 von Hermann Heider gebaut. Es steht unter Denkmalschutz und wurde 1990 restauriert. Es ist ein mehrgeschossiges Mietshaus im Stil der Neorenaissance mit einer kolossalen Giebelfront, einer mit Mosaiken verzierten Ladenzone, einem über dem Eingangsportal auf mächtigen figürlichen Konsolen ruhenden Erker, sowie weiteren, grau verputzten Erkern. Kurz nach dem Ende des Zweiten Weltkriegs zogen Offiziere der Roten Armee in die bis zu 400 qm großen Wohnungen.

Kaiserdamm 1, Foto: KHMM

Kaiserdamm 1, Foto: KHMM

Kaiserdamm 1: Polizeipräsidium
Dieses Haus wurde 1906 bis 1910 von Oskar Launer und Kloeppel für das damalige Polizeipräsidium Charlottenburg gebaut. Das Haus steht unter Denkmalschutz. Heute sind hier das Referat Umweltkriminalität des Landeskriminalamtes und der Polizei-Abschnitt 24 untergebracht.
Nach der Eingemeindung Charlottenburgs nach Berlin im Jahr 1920 wurde hier die Kriminalpolizei untergebracht, und in den 20er Jahren war dies der Sitz des von den Nationalsozialisten wegen seiner jüdischen Herkunft diffamierten Berliner Vizepolizeipräsidenten und Chefs der Kriminalpolizei Bernhard Weiß.
Er wurde am 30. Juli 1880 in Berlin geboren. Sein Vater war Vorsitzender der Jüdischen Gemeinde Fasanenstraße.
Nach dem Abitur im Jahr 1900 studierte Bernhard Weiß Rechtswissenschaften in Berlin, München, Freiburg und Würzburg, promovierte und absolvierte anschließend eine militärische Ausbildung zum Reserveoffizier.
Im Ersten Weltkrieg stieg er zum Rittmeister auf und wurde mit dem Eisernen Kreuz zweiter und erster Klasse ausgezeichnet. Im Sommer 1918 wurde er als Stellvertretender Leiter der Kriminalpolizei in Berlin in den Polizeidienst aufgenommen, 1925 wurde er Chef der Kriminalpolizei und 1927 Vizepolizeipräsident.
Weiß förderte gemeinsam mit seiner Frau Lotte auch die Kultur und war persönlich befreundet mit Künstlern wie Richard Tauber. Als Mitglied der liberalen DDP engagierte er sich für die Demokratie der Weimarer Republik. Als Beamter der Republik griff er gegen Rechtsbrüche konsequent durch.
Nachdem Joseph Goebbels von Hitler Ende 1926 zum Berliner Gauleiter der NSDAP ernannt worden war, fand er in Bernhard Weiß seinen Hautgegner. Er veranstaltete unablässig Diffamierungskampagnen gegen ihn und nannte ihn wegen seiner jüdischen Herkunft immer nur “Isidor Weiß”. Besonders in der Hetzzeitung “Der Angriff” wurde Weiß ständig in Texten und antisemitischen Karikaturen diffamiert. Für Goebbel war Weiß ein ideales Opfer als Bürger jüdischer Herkunft und als Repräsentant der demokratischen Weimarer Republik, im Nazijargon “Vertreter des Systems”. Weiß wehrte sich und gewann gegen Goebbels mehr als 60 Prozesse. Goebbels war das egal. Er nutzte die Gerichtsverhandlungen als Bühne für seine Propaganda.
Als Vizepolizeipräsident machte Weiß keinen Unterschied zwischen rechts und links. Er bekämpfte die Pöbeltruppen der SA ebenso wie die Kampfformationen der Kommunisten, die der Weimarer Republik ebenfalls feindselig gegenüberstanden.
In der Berliner Bevölkerung und in der Polizei war Weiß sehr populär und geachtet. Liebevoll-despektierlich nannten sie ihn “Vipoprä”.
Nach dem “Preußenschlag” Papens 1932 verlor Weiß – wie die gesamte Regierung Preußens – sein Amt. Nach kurzer Haft wurde er freigelassen und lebte bis zum März 1933 in Berlin. Als die Nazis ein Kopfgeld auf ihn aussetzten, ermöglichten ihm Kollegen die Flucht. Weiß floh 1933 über Prag nach London, wo er 1951 kurz nach der Wiedererlangung seiner deutschen Staatsbürgerschaft im Alter von 70 Jahren starb.
Im letzten Jahr, am 11. Juli 2008, haben wir an dem Wohnhaus am Steinplatz 3 eine Gedenktafel mit folgendem Text enthüllt:
In diesem Haus lebte bis zum März 1933
BERNHARD WEISS
30.7.1880 – 29.7.1951
Jurist, Polizeivizepräsident in Berlin von 1927 bis 1932
Als Jude und Demokrat vom NS-Regime verfolgt
mußte er nach der Erstürmung seiner Wohnung durch die SA
über Prag ins Londoner Exil fliehen
Kurz vor Wiedererlangung der ihm von den Nationalsozialisten
aberkannten deutschen Staatsbürgerschaft
starb Bernhard Weiß in London

Witzlebenstraße
Die Witzlebenstraße und der Witzlebenplatz wurden 1905 nach dem Preußischen Geralmajor, Staats- und Kriegsminister Wilhelm von Witzleben benannt. Er wurde 1783 in Halberstadt geboren, starb 1837 in Berlin. 1827 kaufte er in Charlottenburg den Lietzensee mit Umgebung und schuf sich hier einen Sommersitz mit großem Park. Im gleichen Jahr erhielt er die Charlottenburger Ehrenbürgerrechte. Nach seinem Tod verkaufte die Familie 1840 den Charlottenburger Besitz.

Lietzensee-Grundschule, Foto: KHMM

Lietzensee-Grundschule, Foto: KHMM

Witzlebenstr. 34/35: Lietzensee-Grundschule
Das Gebäude wurde 1903/04 nach Plänen von Paul Bratring und Rudolf Walter für die 21. und 22. Gemeindeschule Charlottenburg für Knaben und Mädchen gebaut. Der Mauerwerkbau ist mit orangeroten Ziegeln verblendet. Die schmückenden und gliedernden Teile sind aus Muschelkalk und Sandstein. Die Fassade ist zum Teil mit bildhauerischem Schmuck versehen. Das im Zweiten Weltkrieg ausgebrannte Dachgeschoss wurde nach 1945 vereinfacht wieder hergestellt. Heute ist hier die Lietzensee-Grundschule untergebracht.

Am ehemaligen Reichskriegsgericht, Foto: KHMM

Am ehemaligen Reichskriegsgericht, Foto: KHMM

Witzlebenstraße 4-5 / Witzlebenplatz 1-2:
Ehemaliges Reichskriegsgericht, Reichsmilitärgericht, Kammergericht
Das Gerichtsgebäude wurde 1908-1910 erbaut. Seit 1997 stand das bundeseigene Gebäude leer. Im Juni 2005 kaufte ein niederländischer Privatinvestor das Gebäude. Im Juni 2006 wurde der Grundstein für den Umbau zu einem Mietwohnkomplex gelegt. Es entstanden rund 100 Mietwohnungen mit einer Durchschnittsgröße von 80 bis 100 qm. Auch das Dachgeschoss wurde ausgebaut.
Von 1910 bis 1920 fungierte das Gebäude als Reichsmilitärgericht, danach bis 1936 als Reichswirtschaftsgericht und Kartellgericht. 1936 zog hier das von den Nazis gegründete Reichskriegsgericht ein, der höchste Gerichtshof der NS-Wehrmachtsjustiz.
Er war zuständig für Hoch- und Landesverrat von Militärangehörigen, “Kriegsverrat” und Wehrdienstverweigerung aus religiösen Gründen. Mit Kriegsbeginn 1939 wurde seine Kompetenz erweitert auf Spionage, Wirtschaftssabotage und “Wehrkraftzersetzung”. Aus den Jahren 1939 bis 1945 sind mehr als 1400 Todesurteile aktenkundig, von denen mehr als 1000 vollstreckt wurden. Insgesamt haben NS-Kriegsgerichte während des Zweiten Weltkriegs mehr als 30.000 Todesurteile verhängt, von denen die meisten vollstreckt wurden. Zum Vergleich: Während des gesamten Ersten Weltkriegs hat die Militärjustiz des Kaiserreichs insgesamt 150 Todesurteile verhängt, von denen 48 vollstreckt wurden.
Am bekanntesten wurden die Verfahren gegen die Widerstandsgruppe “Rote Kapelle”. Mehr als 50 Mitglieder der Gruppe wurden hier zum Tode verurteilt und in Plötzensee ermordet.
Das Reichskriegsgericht war ein Instrument des Terrors des NS-Staates. 1943 zog das Gericht wegen der zunehmenden Luftangriffe nach Torgau um. Das letzte Urteil wurde am 10.4.1945 gefällt. Danach flohen die Richter in den Süden Deutschlands.
Von einigen Überlebenden und Angehörigen der Opfer wurde unmittelbar nach dem Krieg gefordert, die Richter des Reichskriegsgerichtes als Kriegsverbrecher anzuklagen. Das französische Tribunal Général ermittelte gegen sieben führende Richter, die eineinhalb Jahre in der Festung Rastatt in Untersuchungshaft zubringen mussten. Dabei erhängte sich der ehemalige Senatspräsident Walter Biron 1947 in seiner Zelle. 1948 wurde das Verfahren vor Prozesseröffnung eingestellt. Keiner der Richter wurde nach dem Krieg verurteilt. Erst in den letzten Jahren wurden einige der von ihnen gefällten Urteile revidiert, und erst jetzt stellt sich auch die deutsche Justiz ihrer nationalsozialistischen Vergangenheit. Eine Tafel auf dem Gehweg vor dem Haupteingang erinnert seit einigen Jahren an die Geschichte des Hauses:
Zum Gedenken
In diesem Hause, Witzlebenstraße 4-10,
befand sich von 1936-1943 das Reichskriegsgericht.
Die höchste Instanz der Wehrmachtjustiz
verurteilte hier
über 260 Kriegsdienstverweigerer
und zahllose Frauen und Männer des Widerstands
wegen ihrer Haltung gegen Nationalsozialismus und Krieg
zum Tode
und ließ sie hinrichten.

1997 wurde am Zaun eine Gedenktafel für Franz Jägerstätter angebracht. Jägerstätter wurde hier wegen Kriegsdienstverweigerung 1943 zum Tode verurteilt und im Zuchthaus Brandenburg hingerichtet. In der amerikanischen Friedensbewegung ist Jägersätter eine Symbolfigur wie Martin Luther King und Mahatma Gandhi. Der Text lautet:
IN DIESEM GEBÄUDE WURDE DER
ÖSTERREICHISCHE BAUER
FRANZ JÄGERSTÄTTER (1907 – 1943)
VOM EHEMALIGEN REICHSKRIEGSGERICHT
WEGEN SEINER GEWISSENSENTSCHEIDUNG
GEGEN EINE KRIEGSTEILNAHME
AM 6. JULI 1943 ZUM TOD VERURTEILT.
MIT IHM GEDENKEN WIR ALL JENER,
DIE WEGEN EINER
GEWISSENSENTSCHEIDUNG OPFER
VON KRIEGSGERICHTEN WURDEN.

Gegenüber der Gedenktafel für Franz Jägerstätter befindet sich ein Verkehrsspiegel mit einer kleinen Erläuterungstafel. Sie informiert über das Mahnmal “Denkzeichen zur Erinnerung an die Ermordeten der NS-Militärjustiz am Murellenberg”.
Dieses Mahnmal wurde von der Berliner Künstlerin Patricia Pisani geschaffen und im Jahr 2002 entlang des Waldweges von der Glockenturmstraße am Olympiastadion bis in die Nähe des Erschießungsortes hinter der Waldbühne aufgestellt. Es besteht aus 106 Verkehrsspiegeln. Auf sechzehn Spiegeln informieren eingravierte Texte über das Geschehen in der Murellenschlucht. Unter den Nationalsozialisten wurde dort eine Wehrmachtshinrichtungsstätte errichtet. In der Murellenschlucht, am Hang des Murellenberges wurden zwischen dem 12. August 1944 und dem 14. April 1945 Deserteure, Wehrdienstverweigerer und Befehlsverweigerer standrechtlich erschossen, meist nach Urteilen des Reichskriegsgerichtes,. Die genaue Zahl ist nicht bekannt. Mehr als 230 sind bisher namentlich ermittelt. Viele der Exekutierten wurden im Spandauer Fort Hahneberg beerdigt.

Bereits 1984 wurde am Zaun eine Gedenktafel für Dr. Karl Sack enthüllt, der von 1938 bis zum November 1939 Richter am Reichskriegsgericht war:
“Am Reichskriegsgericht wirkte hier
1938/39 Dr. Karl Sack als Widerstandskämpfer.
Am 9.4.1945 ermordet im KZ Flossenbürg.”
Im September 1942 wurde er zum Chef der Heeresjustiz ernannt. Er hatte Kontakte zu der Widerstandsgruppe der militärischen Abwehr um Canaris, Oster und Hans von Dohnanyi. In den Plänen der Verschwörer vom 20. Juli 1944 war er in einer zivilen Regierung als Justizminister vorgesehen. Nach dem Attentat wurde er im September 1944 verhaftet und am 9. April zusammen mit anderen Widerstandskämpfern wie Dietrich Bonhoeffer, Admiral Wilhelm Canaris und Generalmajor Hans Oster im Konzentrationslager Flossenbürg erhängt.

Lietzenseepark: Skulpturen von Volkmar Haase
Wir gehen heute nicht in den Lietzenseepark, obwohl er wunderschön ist. Aber wir haben ihn schon mehrfach bei Kiezspaziergängen erkundet, und heute wollen wir ihn gewissermaßen umkreisen. Sie können aber natürlich im Vorbeigehen immer wieder Blicke hineinwerfen und werden dabei auch den Lietzensee erblicken. Gleich hier am Parkeingang wurde 1995 eine Skulptur von Volkmar Haase aufgestellt. Sie trägt den Titel “Woge mit Kugel – Der Anfang und das Ende”. Am nächsten Eingang nach wenigen Metern auf der rechten Seite werden Sie eine zweite Skulptur von Volkmar Haase entdecken. Sie wurde bereits 1990 aufgestellt und trägt den Titel “Versuch einer Balance”.

Witzlebenstr.27-29: Katholische Kirche St. Canisius
Gleich gegenüber der Skulpur sehen Sie die katholische Kirche St. Canisius.
Sie wurde an Stelle der 1995 durch einen Brand zerstörten Kirche von dem Architekturbüro Büttner, Neumann & Braun errichtet und am 28.06.2002 eingeweiht.

Witzlebenstr.11 Pianohaus Klatt
Das Pianohaus Klatt existiert seit 50 Jahren als Familienbetrieb. Heute wird es geführt von Wolfgang Klatt. Im Geschäft befindet sich auch ein von Leonard Bernstein handsignierter Flügel, den Klatt für ihn gestimmt hat.

Neue Kantstraße
Nachdem die Kantstraße bereits 1887 nach dem Philosophen Immanuel Kant benannt worden war, wurde die Verlängerung 1905 ebenfalls nach ihm als “Neue Kantstraße” benannt.

Ignatius-Haus, Foto: KHMM

Ignatius-Haus, Foto: KHMM

Kantstr. 1 Stolpersteine am Ignatius-Haus
Das Ignatius-Haus wurde 1956/57 von Johannes Jackel für die Jesuiten erbaut mit Wohnheim, Tagungsräumen und Kappelle. Es steht unter Denkmalschutz.
Vor dem Haus wurden im Juni 2004 zwei Stolpersteine verlegt für Johanna und Dr. Paul Reiche.

Charlottenburg und Wilmersdorf waren in den 20er und 30er Jahren die beiden Berliner Bezirke mit dem höchsten Anteil jüdischer Bevölkerung. Deshalb sind besonders viele Bürgerinnen und Bürger aus Charlottenburg-Wilmersdorf Opfer der nationalsozialistischen Verfolgung geworden. An viele bedeutende Persönlichkeiten, die emigrieren mussten oder ermordet wurden, erinnern inzwischen Gedenktafeln. Eine ganz andere Form der Erinnerung sind die Stolpersteine. Sie sind nahezu unscheinbar, leicht zu übersehen, aber eben doch auf den Gehwegen sichtbar und sollen an Menschen erinnern, die Opfer geworden sind und die bisher vergessen waren, deren Namen nicht in den Geschichtsbüchern und nicht im Lexikon stehen.
Der 1947 in Berlin geborene Kölner Bildhauer Gunter Demnig hat 1996 in Köln die ersten Stolpersteine verlegt, 10 × 10 cm große aus Beton gegossene Steine mit eingelassener Messingtafel, in die der Künstler mit Hammer und Schlagbuchstaben “Hier wohnte”, Namen, Jahrgang und Stichworte zum weiteren Schicksal eines einzelnen Menschen einstanzt. Die im Gehweg vor dem früheren Wohnort eingelassenen Stolpersteine sollen an die Opfer von Holocaust und Euthanasie in der Zeit des Nationalsozialismus erinnern.
Entscheidend ist dabei die persönliche Erinnerung an die Namen der Opfer. In unserem Bezirk wurden bisher mehr als 600 Stolpersteine verlegt. Ein Verzeichnis ist zu finden auf unserer Website im Internet unter www.stolpersteine.charlottenburg-wilmersdorf.de und in unserer Bezirksbroschüre, die in allen Einrichtungen des Bezirksamtes ausliegt und Mitte Dezember in einer aktualisierten Neuausgabe erscheint.

Die beiden Stolpersteine für Johanna und Dr. Paul Reiche tragen folgende Inschriften:

Hier wohnte
Johanna Reiche
geb. Wolff
JG. 1890
deportiert 3.10.1942
Theresienstadt
überlebt

Hier wohnte
Dr. Paul Reiche
JG. 1878
deportiert 3.10.1942
Theresienstadt
überlebt

Es ist übrigens sehr selten, dass auf einem Stolperstein das Wort “überlebt” zu lesen ist.

Amtsgerichtsplatz: Mahnmal Treblinka
Der Amtsgerichtsplatz wurde bereits 1859 als Schmuckplatz angelegt. Nach dem Bau des Amtsgerichts erhielt er 1897 seinen Namen. Die 1905 von Rudolf Walter in Form eines Tiroler Hauses erbaute Bedürfnisanstalt steht unter Denkmalschutz. Heute befindet sich ein Bistro darin.
Das Mahnmal für die Opfer des östlich von Warschau gelegenen Vernichtungslagers Treblinka, in dem mehr als 750.000 Juden ermordet wurden, schuf 1966 der russische Bildhauer Vadim Sidur. Es zeigt aufeinander getürmte menschliche Körper in abstrahierter Form. 1979 wurde es auf dem Amtsgerichtsplatz aufgestellt. Auf der einen Seite des Mahnmals trägt eine Bronzeplatte den Schriftzug “Treblinka”, oben und unten gerahmt von dem Namen des Bildhauers, sowohl in kyrillischer, wie in lateinischer Schrift. 1986 wurde zusätzlich eine Mahntafel mit folgendem Text in das Pflaster eingelassen:
Im Lager Treblinka II wurden
vom Juli 1942 bis November 1943
über 750.000 Menschen ermordet.
Wer aber vor der Vergangenheit
die Augen verschließt,
wird blind für die Gegenwart.
Wer sich der Unmenschlichkeit
nicht erinnern will,
der wird wieder anfällig
für neue Unrechtstaten.

Das heutige Amtsgerichtsgebäude wurde 1895-97 von Poetsch und Clasen als Civilgericht im Stile des Märkischen Barock errichtet. Es gab vier Schöffengerichte und ein Amtsgefängnis. Das Hauptgebäude umschließt einen großen Innenhof. Der Putzbau steht auf einem Sockel aus schlesischem Granit. Das imposante Hauptportal befindet sich in einem dreiachsigen Mittelrisalit. 1915-21 wurde ein Erweiterungsbau angefügt.
In der Nachkriegszeit befand sich hier bis 1979 die Landesanstalt für Lebensmittel, Arznei und gerichtliche Chemie. 1985 wurde das Haus als Gerichtsgebäude renoviert und wieder Rechtsbehörden zur Verfügung gestellt.
Heute ist das Amtsgericht zuständig für Charlottenburg-Wilmersdorf und für das Handels- und Vereinsregister Berlins. Hier sind etwa 400 Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter beschäftigt, davon 50 Richterinnen und Richter. Das für unseren Bezirk zuständige Grundbuchamt befindet sich allerdings in der Zuständigkeit des Amtsgerichts Schöneberg in der Ringstraße 9 in Berlin-Lichterfelde.

Suarezstraße
Die Straße wurde 1897 nach dem Juristen Carl Gottlieb Suarez benannt. Er lebte von 1746 bis 1798. Die Suarezstraße gilt als Berliner Antiquitätenmeile. Seit 8 Jahren veranstaltet die Gemeinschaft der Geschäftsleute einmal im Jahr ein Fest unter dem Motto “Antikmeile Suarez”.

Suarezstr. 27: Gedenktafel für Werner Sombart
1988 wurde hier eine Gedenktafel für Werner Sombart enthüllt mit folgendem Text:
Hier lebte von 1906 bis 1919
WERNER SOMBART/
19.1.1863 – 18.5.1941
Volkswirtschafter, Soziologe
und Historiker, Professor der Nationalökonomie

Sombart gilt zwar als bedeutender Soziologe und Kapitalismus-Theoretiker aber er ist wegen seiner Haltung zum Nationalsozialismus auch umstritten. Sein Buch über “Die Juden und das Wirtschaftsleben” ist nicht frei von antisemitischen Tendenzen. Seit 1918 lehrte an der Friedrich-Wilhelms-Universität in Berlin, der heutigen Humboldt-Uni. Er wurde 1933 emeritiert, lehrte aber noch bis 1938 weiter. Seine Versuche, im nationalsozialistischen Regime politischen Einfluss und Wirkung zu gewinnen, scheiterten unter Angriffen auf seine Person. Studenten wurde vom Besuch seiner Vorlesungen abgeraten. In seinem 1938 geschriebenen Werk “Vom Menschen” distanziert er sich dann eindeutig von nationalsozialistischen Rassentheorien.
Sein Sohn Nicolaus Sombart beschrieb 1984 in seinem Buch “Jugend in Berlin 1933-1943” das großbürgerliche Leben seiner Familie in der Villenkolonie Grunewald in der Humboldtstraße 35a. Der Vater starb dort 1941, und das Haus wurde 1943 durch eine Fliegerbombe zerstört.

Am Haus Kuno-Fischer-Straße 8 mit Martina Schmiedhofer und Irene Fritsch, Foto: KHMM

Am Haus Kuno-Fischer-Straße 8 mit Martina Schmiedhofer und Irene Fritsch, Foto: KHMM

Kuno-Fischer-Straße
Die Straße wurde 1905 benannt nach dem Philosophiehistoriker Kuno Ernst Berthold Fischer, der von 1824 bis 1907 lebte.

Kuno-Fischer-Platz und Kuno-Fischer-Str.8: Gedenktafel für die Notaufnahmestelle
Der Kuno-Fischer-Platz wurde 1912 von Erwin Barth gestaltet. Er ist heute ein Gartenbaudenkmal und als solches öffentlich zugänglich.
Das Haus am Lietzensee ist inzwischen ein Medienhaus, in dem mehrere Medienfirmen residieren, darunter Endemol, Boulevard der Stars und META Productions. Der Geschäftsführer der Firma META Productions, Ulrich Meyer, und seine Frau Georgia Tornow haben als Besitzer des Hauses an der Kuno-Fischer-Str.8 die Gedenktafel gestiftet, die am 22.11.2007 enthüllt wurde. Sie enthält folgenden Text:
In diesem Haus befand sich
von 1950 bis 1953 die
Notaufnahmestelle
für Flüchtlinge aus der DDR
Sie war die erste Anlaufstelle
für rund 300.000 Menschen

Nach der Auflösung der letzten sowjetischen Speziallager Sachsenhausen, Buchenwald und Bautzen stieg die Zahl der Flüchtlinge aus der DDR sprunghaft an. Zu ihrer Betreuung wurde am 18.1.1950 die Notaufnahmestelle eröffnet. Sie wurde im August 1953 von dem neu gebauten zentralen Notaufnahmelager in Marienfelde abgelöst.
Wie schon erwähnt ist diese Notaufnahmestelle Hauptschauplatz des neuen Krimis von Irene Fritsch “Kalter Krieg am Lietzensee”. Sie hat alles dazu recherchiert, was überhaupt in Erfahrung zu bringen ist. Und davon kann sie uns jetzt erzählen.

Kuno-Fischer-Str. 22-26: Peter-Ustinov-Realschule
Die Peter-Ustinov-Oberschule ist 2004 aus der Fusion zweier Realschulen hervorgegangen: der Max-Liebermann-Oberschule und der Robert-Bosch-Oberschule, die sich in der Kastanienallee befand. Diese beiden Realschulen arbeiteten seit Anfang der 50er Jahre im Bezirk Charlottenburg. Nach der Fusion konnten die besonderen Arbeitsbereiche beider Schulen weitergeführt werden. Namensgeber der Schule ist Sir Peter Ustinov (1921-2004). Ustinov war Schauspieler, vielseitiger Künstler und Menschenrechtler, der sich auch sein Leben lang für die Bekämpfung der Ursachen für Armut einsetzte. Die Namensgebung fand am 23.09.2005 statt.
Die Peter-Ustinov-Oberschule befindet sich in einem viergeschossigen Neubau. Die Fassade ist weiß verputzt und verklinkert. Die moderne Turnhalle der Schule befindet sich direkt an der Neuen Kantstraße.

Kuno-Fischer-Str. 4: Kita
Die Kita ist eine ehemals städtische Kindertagesstätte. Sie gehört jetzt zu den Kindertagesstätten Nordwest Eigenbetrieb von Berlin.

Neue Kantstraße

Lietzenseebrücke
Die Lietzenseebrücke wurde 1904 im Zuge der Verlängerung der Kantstraße zur Neuen Kantstraße durch die “Terrain-Aktiengesellschaft Park Witzleben” als Buntsandsteinbrücke über den Lietzensee erbaut. Für die Verlängerung der Straße wurde ein Damm aufgeschüttet, durch den der Lietzensee und der dazugehörige Park in zwei Teile zerschnitten wurde. Erst 1954 wurde durch eine Fußgängerunterwegung unter der Brücke wieder eine Verbindung der beiden Parkhälften hergestellt.

Herbartstraße
Die Straße wurde 1905 nach dem Philosophen und Pädagogen Johann Friedrich Herbart benannt. Er lebte von 1776 bis 1841 und war einer der Begründer der wissenschaftlichen Pädagogik.

Ehemalige Landespostdirektion, Foto: KHMM

Ehemalige Landespostdirektion, Foto: KHMM

Herbartstr. 18-20: Ehemalige Landespostdirektion
Der riesige Bau wurde 1925 bis 1928 von Willy Hoffmann für die damalige Oberpostdirektion Berlin mit mehr als 1000 Beschäftigten errichtet. 1934 wurde sie in Reichspostdirektion Berlin umbenannt. 1945 ging sie in der Abteilung für das Post- und Fernmeldewesen des Magistrats von Groß-Berlin auf. 1954 wurde dann hier die Landespostdirektion Berlin gegründet. Nach dem Fall der Mauer wurde sie 1991 zur Oberpostdirektion Berlin, die hier bis 1997 bestand. Seither befinden sich verschiedene Tochterfirmen der deutschen Telekom in dem Gebäude. Der Haupteingang befindet sich auf der anderen Seite an der Dernburgstraße 50.
Das Haus ist eine gewaltige 5- bis 7-geschossige Vierflügelanlage mit einem inneren Verbindungstrakt. Im Süden befinden sich zwei kleinere Flügelbauten, an der Herbartstraße 21/22 das ehemalige Wohngebäude des Präsidenten, das von spitzbogigen Zinnen bekrönt ist.

Herbartstr. 4-6: Kirche am Lietzensee
Die Kirche am Lietzensee wurde 1957-59 von Paul Baumgarten am westlichen Hang des Lietzenseeparks an Stelle einer im Krieg zerstörten hölzernen Notkirche von 1920 errichtet. Die Betonung liegt auf einfachen geometrischen Bauformen: Der Grundriss ist fünfeckig. die Eingangsfassade als leicht geneigtes Trapez gestaltet, das Faltdach ist aus Dreiecksflächen gebildet und teilweise bis zum Boden herabgezogen. Die Kirche wurde am 27.9.1959 eingeweiht. Das Gemeindehaus links daneben wurde 1930-31 von Heinrich Straumer errichtet.

Nachbarschaftshaus am Lietzensee, Foto: KHMM

Nachbarschaftshaus am Lietzensee, Foto: KHMM

Herbartstr. 25: Nachbarschaftshaus am Lietzensee e.V.
Dieses Haus war 25 Jahre lang die größte bezirkliche Seniorenfreizeitstätte Charlottenburgs. 1991 wurde dann das Modellprojekt als “Nachbarschaftshaus und Seniorenzentrum” in kommunaler Trägerschaft in Kooperation mit einem freien Träger eröffnet. Die ehemalige Seniorenfreizeitstätte wurde mit breitgestreuter bezirkspolitischer Beteiligung und Unterstützung konzeptionell umstrukturiert. Ende 1996 übertrug das Bezirksamt Charlottenburg die Einrichtung an das Max-Bürger-Zentrum gGmbH, das 2002 zu den Einrichtungen der “Vivantes – Netzwerk für Gesundheit GmbH” überging.
Seit Januar 2005 ist der gemeinnützige Verein Nachbarschaftshaus am Lietzensee e.V. Träger der Einrichtung. Im Mai 2005 wurde sie mit dem neu hinzugekommenen Selbsthilfe-Treffpunkt als Stadtteilzentrum für den Bezirk Charlottenburg-Wilmersdorf neu eröffnet.
Ziel des Nachbarschaftshauses ist es, Kontakt- und Begegnungsmöglichkeiten zwischen den Generationen zu schaffen, der Isolation von Menschen entgegen zu wirken und verloren gegangene nachbarschaftliche Kontakte zu fördern. Die Förderung von sozialem und kulturellem Engagement und von Selbsthilfepotentialen stehen im Vordergrund.
Geboten werden vielfältige Aktivitäten wie Kurse, Gruppen, Veranstaltungen und nachbarschaftliche Hilfen und Beratungsangebote, zum Beispiel kreatives Schreiben, Yogakurse, ein Tauschring und psychologische Beratung.

Jüdisches Seniorenzentrum, Foto: KHMM

Jüdisches Seniorenzentrum, Foto: KHMM

Herbartstr. 26: Jüdisches Seniorenzentrum
Der hier entstandene Komplex des Jeanette-Wolff-Seniorenzentrums und des Leo-Baeck-Altenwohnheims mit der Leo-Baeck-Synagoge wurde 1981 eingeweiht.
Die Berliner SPD-Politikerin Jeantte Wolff war eine Überlebende des Holocaust. Sie gehörte zu den Frauen der ersten Stunde beim Aufbau der Jüdischen Gemeinde. Sie war Mitglied des Abgeordnetenhauses von Berlin und des Deutschen Bundestages, Stadtälteste, Vorkämpferin der liberalen Jüdischen Einheitsgemeinde nach dem Krieg und sozial engagiert in der Zentralwohlfahrtstelle der Jüdischen Gemeinde.
Der Rabbiner und Philosoph Leo Baeck war seit 1912 in der Berliner Jüdischen Gemeinde tätig, hoch angesehen als geistiger Führer und bis 1942 tätig an der Hochschule für die Wissenschaft des Judentums. 1933 wurde er Präsident der Reichsvertretung der deutschen Juden. Nach seiner Befreiung aus dem KZ Theresienstadt lebte er in London.
Die von Hans Wolff-Grohmann entworfene Synagoge im Leo-Baeck Altenwohnheim enthält im Eingangsbereich Säulen aus der zerstörten Synagoge in der Oranienburger Straße.

Dernburgstraße
Die Straße wurde 1905 nach dem Juristen Heinrich Dernburg benannt, der von 1829 bis 1907 lebte.

Dernburgstr. 50: Haupteingang
Die ist der imposante Haupteingang der ehemaligen Landespostdirektion, in dem heute die Deutsche Telekom und die Bundesanstalt für Post und Telekommunikation residieren.

Hedwig-Rüdiger-Haus, Foto: KHMM

Hedwig-Rüdiger-Haus, Foto: KHMM

Dernburgstr. 58: Hedwig-Rüdiger-Haus
Das Haus wurde 1924/25 von dem Architekten Otto Spalding ebenfalls für die Oberpostdirektion als Ledigenheim für Postbeamtinnen errichtet. Benannt wurde es nach der ersten Vorsitzenden des Berliner Bezirksvereins der Reichspost und –telegraphenbeamtinnen, Hedwig Rüdiger. Die engagierte Sozialreformerin und Frauenrechtlerin war die Initiatorin der Wohnanlage. Das Baugelände wurde dem Verein von der Deutschen Reichspost auf hundert Jahre im Erbbaurecht überlassen. Das Vorderhaus an der Dernburgstraße wurde während des Zweiten Weltkriegs zerstört und danach nicht wieder aufgebaut. Es dient heute als Grünfläche. Wegen des Baustils, der verklinkerten Fassade und der ausschließlich weiblichen Bewohnerschaft wurde die Anlage im Berliner Volksmund auch als “Drachenburg” bezeichnet.

Dernburgstr. 57: Gedenktafel für Siegfried Jacobsohn
Die Gedenktafel für Siegfried Jacobsohn wurde am 2.4.2002 enthüllt.
Hier, damals Dernburgstraße 25
lebte und arbeitete von 1910 bis 1921
SIEGFRIED JACOBSOHN
28.1.1881 – 3.12.1926
Gründer und Herausgeber
der unabhängigen Politischen Wochenschrift
“Die Weltbühne”
Demokrat und Pazifist, Verfechter von Meinungsfreiheit
und Völkerverständigung
Siegfried Jacobsohn starb am 3.12.1926. Sein wichtigster Weltbühnen-Mitarbeiter schrieb über ihn: “Er hat uns, Mitarbeiter und Leser, zu seinem Werk bekehrt; er liebte, wie wir, Deutschland und wusste, dass dessen schlimmste Feinde nicht jenseits des Rheines wohnen.”

Neue Kantstraße

S-Bahnhof Messe Nord / ICC (ehem. Witzleben)
Der Bahnhof Witzleben wurde 1913-16 von August Bredtschneider errichtet. Die Bahnsteige liegen etwa acht Meter unter Straßenniveau und die Empfangsgebäude hier an der Neuen Kantstraße und am Dresselsteg. Im Juni 2002 wurde der Bahnhof von der Deutschen Bahn trotz Protesten umbenannt in Bahnhof Messe-Nord/ICC.

Ostpreußenbrücke
Die erste Brücke von der Neuen Kantstraße zur Masurenallee wurde 1928 erbaut und erhielt den Namen Ostpreußenbrücke. Im Zuge des Autobahnbaus wurde sie 1959/60 erneuert. Seither überquert sie als 93 Meter lange Spannbetonbrücke die S-Bahn und die Stadtautobahn A 100.

ICC, Foto: KHMM

ICC, Foto: KHMM

ICC
Das Internationale Congress Centrum Berlin wurde 1973-79 von Ursulina Schüler-Witte und Ralf Schüler gegenüber dem Ausstellungs- und Messegelände am Funkturm erbaut und mit diesem über eine Fußgängerbrücke verbunden. Die silbrig glänzende Aluminium-Ummantelung des Stahlbetonbaus und die sichtbare, freischwebende Konstruktion des Daches erwecken den Eindruck eines futuristischen Raumschiffes. Es ist 320m lang, 80m breit und bis zu 40m hoch. Es enthält je nach Raumaufteilung rund 80 Säle und Räume mit einer Gesamtkapazität von 20.300 Plätzen. Zwischen den beiden größten Sälen befindet sich eine nach beiden Seiten zu öffnende komplett ausgestattete Bühne. Es ist der wichtigste und größte Veranstaltungsort in Berlin für internationale Kongresse. Außerdem finden hier Konzerte, Bälle, Shows und andere Veranstaltungen statt. Vor wenigen Tagen wurde das ICC zum sechsten Mal in Folge mit dem “World Travel Award”, dem “Oscar” der Reiseindustrie ausgezeichnet und damit wiederum als weltweit führendes Konferenzzentrum gekürt.

Vor dem ICC wurde 1980 auf einem Betonsockel die 6,6 m hohe und 16 m lange Bronze-Skulptur “Ecbatane / Der Mensch baut eine Stadt” von Jean Ipoustéguy aufgestellt. Es handelte sich um eine Vergrößerung auf der Basis der früheren Skulptur “Alexander der Große betritt die eroberte Stadt Ecbatane”. Die Skulptur zeigte eine große nackte Männerfigur, die zwei Arme nach vorn steckte und mit dem Fuß auf die vor ihr liegende Stadt trat. Im September 2005 wurde die Figur abgebaut und auf dem Messegelände eingelagert, weil sowohl der Betonsockel als auch die Figur selbst durch Korrosion einsturzgefährdet waren. Die Finanzierung einer Restaurierung, die mehr als 100.000 EUR kosten würde ist nicht geklärt.

Seit Februar 2000 denkt die Messe Berlin wegen der hohen Betriebskosten über einen Abriss des ICC nach. Dies wird inzwischen auch im Abgeordnetenhaus und im Berliner Senat diskutiert. Diese Diskussion führte nicht nur zu empörtem Einspruch des Architektenpaares. Auch der Bezirks Charlottenburg-Wilmersdorf wendet sich strikt gegen einen Abriss.
Am 27.5.2008 verkündete der Senat seinen Beschluss, das ICC für rund 182 Mio Euro von 2010 bis 2016 bei laufendem Betrieb sanieren und modernisieren zu lassen. Im Oktober 2009 wurde von Finanzsenator Ulrich Nußbaum wegen erhöhter Kosten sowohl für den laufenden Betrieb als auch für die Sanierung erneut ein Abriss ins Gespräch gebracht.

Fußgänger-Unterführung
Die Fußgänger-Unterführung hat sich seit einigen Jahren zum Skater-Paradies entwickelt. Ansonsten ist sie wie alle Fußgänger-Unterführungen nicht besonders einladend. Hier bietet sie die einzige Möglichkeit, auf die andere Straßenseite zu gelangen.

Masurenallee
Die Masurenallee wurde 1918 nach der ostpreußischen Landschaft benannt, die heute zu Polen gehört.

Zentraler Omnibusbahnhof
Der Zentrale Omnibusbahnhof zog im Mai 1966 vom Stuttgarter Platz an diesen Standort direkt gegenüber dem Messegelände am Funkturm mit 37 überdachten Haltestellen und 18 Bus-Parkplätzen. Rund 62.000 An- und Abfahrten werden pro Jahr gezählt. Die Kapazität liegt bei 110.000. 2007 wurde hier mit 3,2 Millionen Passagieren ein Rekord aufgestellt. Die Internationale Omnibusbahnhof Betreibergesellschaft IOB, ein Tochterunternehmen der BVG plant einen Neubau mit bis zu dreistöckigen Gebäuden am Platzrand für Gastronomie, Läden und Büros.

Masurenallee 6a, 6b: Ärztehaus (Kassenärztliche Vereinigung Berlin)
In den Jahren 2001 und 2002 errichtete das Architekturbüro Engel & Zwillich zunächst zwei von insgesamt drei 8-geschossigen gegeneinander versetzten Hochhäusern als kubische, weiß verputzte Bauten, die einen deutlichen Kontrast zu der dunkel-rot-violetten Klinkerfront des Hauses des Rundfunks bilden.
In die beiden Häuser zog 2002 die Kassenärztliche Vereinigung Berlin ein.
Sie vertritt die Interessen der etwa 6.800 niedergelassenen Ärzte und 1.600 Psychologischen Psychotherapeuten Berlins, die gesetzlich Versicherte behandeln dürfen. Als Teil der Selbstverwaltung im Gesundheitswesen stellt sie die ambulante medizinische Versorgung sicher und vertritt die Rechte, Pflichten und wirtschaftlichen Interessen der Kassenärzte gegenüber den Krankenkassen. Sie untersteht der Rechtsaufsicht der Senatsverwaltung für Gesundheit, Umwelt und Verbraucherschutz.

Hammarskjöldplatz
Der Platz wurde 1961 nach dem schwedischen Politiker, UNO-Generalsekretär und Friedensnobelpreisträger Dag Hammarskjöld benannt, der von 1905 bis 1961 lebte. Er starb bei einem bis heute ungeklärten Flugzeugabsturz in Zentralafrika.
Das Palais am Funkturm wurde 1956/57 von Bruno Grimmek südlich der Ehrenhalle auf dem Messegelände am Hammarskjöldplatz erbaut. Es beherbergt ein Terrassenrestaurant und Festsäle für Bälle, Bankette und Empfänge, für Kongressveranstaltungen und Vorträge. Das 50er-Jahre-Ambiente ist bis heute erhalten.

Abschluss im Großen Sendesaal im Haus des Rundfunks, Foto: KHMM

Abschluss im Großen Sendesaal im Haus des Rundfunks, Foto: KHMM

Masuenallee 8-14: Haus des Rundfunks
Das Haus des Rundfunks wurde 1929-31 von Hans Poelzig errichtet. Von Kriegsende 1945 residierte hier bis 1956 der Berliner Rundfunk unter sowjetischer Leitung, danach von 1957 bis 2003 der Sender Freies Berlin, seit 1.5.2003 der Rundfunk Berlin-Brandenburg.
Das Haus ist eine geschlossene Anlage in Form eines gleichschenkligen gebogenen Dreiecks. Der Klinkerbau ist mit blauschwarz changierenden Keramikfliesen verkleidet.. Im Innenhof gibt es drei trapezförmige Sendesäle. Der große Lichthof am Haupteingang wurde 1987 nach den Plänen von Poelzig wieder hergestellt. Hier stand seit 1931 die Bronzeplastik “Große Nacht” von Georg Kolbe. Sie wurde 1933 von den Nationalsozialisten entfernt und 1965 durch einen Neuguss ersetzt. Im Großen Sendesaal finden Konzerte und andere Veranstaltungen statt. 2006 wurde im Innenhof des Hauses ein Neubau für Inforadio errichtet.
Der Leiter des Besucherservice des RBB, Herr Stuntz, hat uns eingeladen in den Großen Sendesaal und wird uns dort einiges zur Geschichte des Hauses erzählen. Vielen Dank dafür!