Stolpersteine Clausewitzstraße 4

Hausansicht Clausewitzstr. 4

Hausansicht Clausewitzstr. 4

Die Stolpersteine für Max und Lilli Laser wurden von der Enkelin Carol Cohen geb. Laser (London) gewünscht und am 28.9.2016 verlegt.
Die Stolpersteine für Wilhelm und Frieda Russ wurden am 25.04.2018 verrlegt.
Der Stolperstein für Bianca Brasch wurde am 08.11.2021 verlegt.

Stolperstein Max Laser

HIER WOHNTE
MAX LASER
JG. 1882
DEPORTIERT 18.10.1941
LODZ / LITZMANNSTADT
ERMORDET 8.5.1942
CHELMNO/KULMHOF

Stolperstein Lilli Laser

HIER WOHNTE
LILLI LASER
GEB. RUSS
JG. 1898
DEPORTIERT 18.10.1941
LODZ / LITZMANNSTADT
ERMORDET 8.5.1942
CHELMNO / KULMHOF

Max und Lilli Laser

Max und Lilli Laser

Max Laser wurde am 21. September 1892 in Splitter im ostpreußischen Kreis Tilsit geboren. Sein Vater Markus Laser war „Schneidemühlenbesitzer“.
Auch Max Laser war im Holzgewerbe tätig. Wir finden seine Firma „Max Laser & Co., Holzhandlung“ Ende der 1920er Jahre im Danziger Telefonbuch. Dem Eintrag von 1929 ist zu entnehmen, dass die Firma in der Sackenheimer Hinterstraße 2 ansässig war. 1937 gibt es einen Eintrag, der besagt, dass Max Laser mit Bauholz handelte. Sein Betrieb lag in der Litzmannstraße 20 in Danzig-Ohra südlich des Stadtzentrums.

Lilli Laser wurde am 15. August 1898 in Berlin geboren. Sie war die Tochter von Wilhelm und Elfriede Russ, geb. Gumpert.
Wann Lilli die Ehe mit Max Laser geschlossen hat, ist unbekannt. Beide waren Mitglieder der Synagogen-Gemeinde in Königsberg, wie aus einer
Bescheinigung des Vorstands der Gemeinde vom 23. März 1939 hervorgeht. „Herr Laser genoß hier in kaufmännischen Kreisen den besten Ruf”, ist dort zu lesen.

Der Sohn Heinz wurde am 15. Mai 1923 in Königsberg geboren. Er besuchte dort zunächst eine Grundschule und anschließend die jüdische Volksschule.
1938 zog die Familie nach Berlin.

Heinz Laser besuchte hier die ORT-Schule, wo er eine handwerkliche Ausbildung erhielt. Die Bildungseinrichtung, 1880 in Russland gegründet, war in vielen Ländern tätig (seit 1921 auch in Berlin) und bildet bis heute Juden als Handwerker und Techniker aus, um ihnen eine Berufstätigkeit zu ermöglichen.
Heinz Laser gelangte, vermutlich 1939, mit einem sogenannten Kindertransport nach Großbritannien. Hier nahm er später den Vornamen Henry an.

Die Familie Laser wohnte 1941 in der großbürgerlich geprägten Clausewitzstraße 4 unweit des Kurfürstendamms. Vermutlich waren sie Untermieter; im Berliner Adressbuch wurden sie nicht aufgeführt. Über ihre Lebensumstände ist nichts überliefert.

Max und Lilli Laser wurden am 18. Oktober 1941 nach Łódź/Litzmannstadt deportiert. Max Laser war zu diesem Zeitpunkt 49 Jahre alt, Lilli 43 Jahre.
Vermutlich hatten sie ihre Wohnung verlassen und sich in die Synagoge in der Levetzowstraße in Moabit begeben müssen, die als Sammellager missbraucht wurde. Die „Ausschleusung aus dem Sammellager“, so der NS-Jargon, begann am Vormittag des 18. Oktober. Kinder und ältere Menschen mussten Lastwagen besteigen, die sie zum Güterbahnhof Grunewald brachten, alle anderen mussten den acht Kilometer langen Weg zu Fuß zurücklegen. Dieser erste Deportationszug, der Berlin am 18. Oktober 1941 von Gleis 17 des Güterbahnhofs Grunewald verließ, brachte 1089 jüdische Kinder, Männer und Frauen nach Łódź/Litzmannstadt. 1940 hatten die deutschen Behörden das Ghetto Lodz als „Produktionsghetto“ errichtet, in dem die Bewohner überwiegend Textilien für die Wehrmacht herstellen mussten.

Ab Dezember 1941 wurden die ersten nicht arbeitsfähigen Juden aus Deutschland von Łódź in das Vernichtungslager Kulmhof (Chełmno), etwa 130 km östlich von Posen gelegen, deportiert. Max und Lilli Laser wurden dort am 8. Mai 1942 ermordet.

Text: Harald Marpe, Kiezbündnis Klausenerplatz e.V.
Quellen: Unterlagen des Entschädigungsamtes Berlin und Informationen der Enkelin Carol Cohen aus Großbritannien

Stolperstein Wilhelm Russ

HIER WOHNTE
WILHELM RUSS
JG. 1866
DEPORTIERT 18.10.1941
LODZ / LITZMANNSTADT
1942 CHELMNO / KULMHOF
ERMORDET 8.5.1942

Stolperstein Frieda Russ

HIER WOHNTE
FRIEDA RUSS
GEB. GUMPERT
JG.1876
DEPORTIERT 18.10.1941
LODZ / LITZMANNSTADT
1942 CHELMNO / KULMHOF
ERMORDET 8.5.1942

Das Ehepaar Russ lebte in Charlottenburg in der Clausewitzstraße 4. Wilhelm Russ wurde am 31. Oktober 1866 in Berlin geboren, seine Ehefrau Frieda Russ geborene Gumpert wurde am 3. März 1876 in Brandenburg/Havel geboren. Das Ehepaar hatte zwei Töchter, Lilly, geboren am 15. August 1898 und Ilse, geboren am 2. März 1902.Wilhelm Russ war Mitinhaber der Kartonagenfabrik Sachs & Russ, die Firma hatte 10 Angestellte. Die Firma wurde am 1. Januar 1878 von den Gesellschaftern Heinrich und Wilhelm Russ gegründet und im Handelsregister unter der Nummer HR A 3302 eingetragen.
Die Geschäftsräume befanden sich in der Rungestraße 18 in Mitte. Nach dem Tod von Heinrich Russ am 15. Februar 1908 wurde Wilhelm Russ Alleininhaber. Die Firma wurde am 17. Dezember 1908 als OHG neu gegründet und bestand bis zum 3. Dezember 1937, sie wurde durch Wilhelm Russ auf Anweisung der NS Behörde gelöscht.
Die Tochter Lilly wohnte mit ihrem Mann in der Wohnung der Eltern. Die Tochter Ilse besuchte die Auguste -Victoria- Schule und machte 1918 das Abitur, sie besuchte anschließend die Handelsschule. Von 1919 bis 1925 arbeitete sie als Privatsekretärin in der Fa. Gebrüder Arnold und im Bankgeschäft Emil Nürnberg, bis 1930 in der Buchhandlung Max Riedel & Co. Am 1. Oktober hat Ilse Russ ihre Anstellung bei der Berliner AOK begonnen, sie wurde am 31. Mai 1933 durch die NS Behörde aus rassischen Gründen entlassen. Für die Zeit bis 1939 hatte sie eine Anstellung im Bankhaus Gebrüder Arnold. Sie verließ Berlin am 9. April 1939 und reiste mit dem Zug über Brüssel und Ostende nach London. Am 27. Februar 1948 wurde sie Britische Staatsbürgerin. Sie verstarb am 18. März 1972 in London.

Wilhelm und Frieda Russ wurden am 18.Oktober 1941 zusammen in das Getto Litzmannstadt deportiert, am 8. Mai des folgenden Jahres verschleppte man sie weiter nach Kulmhof, wo sie vermutlich gleich nach ihrer Ankunft in einem der Gaswagen ermordet wurden.

Quellen: Gedenkbuch Berlins der jüdischen Opfer Hrsg. FU Berlin; -Landesamt Berlin, -Entschädigungsbehörde, -Handelsregister

Recherche und Text: Siegfried Dehmel

Stolperstein Bianca Brasch

HIER WOHNTE
BIANCA BRASCH
GEB. LAZARUS
JG. 1877
DEPORTIERT 29.1.1943
AUSCHWITZ
ERMORDET MÄRZ 1943

Bianca Brasch geb. Lazarus wurde am 25. Oktober 1877 in Zempelburg/Westpreußen geboren.
Ihre Eltern waren der Kaufmann Aaron Brasch und Rosa Brasch.
Bianca heiratete den ebenfalls in Zempelburg geborenen Leonhard Brasch. Dieser war Inhaber der 1838 gegründeten Firma Levinthal in Birnbaum, Provinz Posen. Fa. Levinthal war das Stammhaus der später in Berlin gegründeten Fa. Brasch Liköre.
Der erste Sohn des Ehepaares, Arnold (Arno) kam am 24. März 1904 in Zempelburg auf die Welt. Danach zog die Familie um nach Birnbaum, wo am 7. März 1907 der zweite Sohn Martin Rudi geboren wurde.
Zu Beginn des 1. Weltkriegs meldete sich Leonhard Brasch zum Einsatz an der Ostfront. 1918, nach Übernahme der Provinz Posen durch Polen, mussten die Braschs ihre Heimat fluchtartig verlassen und gingen nach Berlin. Sie bezogen 1921 eine 7- Zimmerwohnung in der Clausewitzstraße 4.
1923 gründete Leonhard Brasch eine Likörfabrik.

Brasch-Liköre

Die Büroräume der Firma befanden sich in der Wohnung der Braschs in der Clausewitzstraße, ihre Lager- und Kellerräume waren – mit eigenem Gleisanschluss – an der Lehrter Straße 39.
Bianca ging ihrem Mann in der Firma tatkräftig zur Hand, nicht allein deshalb konnte sie die Geschäfte nach dem Tod ihres Mannes weiterführen. Ab 1925 war auch der Sohn Martin hauptberuflich mit in dem Geschäft tätig.
Die Firma befasste sich mit der Herstellung von Likören, Weinbrandverschnitt und dem Engroshandel von Weindestillaten. Abnehmer waren u.a. das Kaufhaus Tietz (Hertie), Siemens und Halske und die Einkaufsgenossenschaft der Drogenhändler. Die Firma arbeitete ertragreich, dementsprechend hoch war das Einkommen und der Lebensstandard der Braschs. Freunde der Söhne berichteten später von wertvollen Möbeln, echten Perserteppichen, Ölgemälden, einem Steinway Flügel und kostbarem Silber und Schmuck in den Wohnräumen der Familie.
Im Juni 1929 starb Leonhard Brasch an den Folgen einer Kriegsverletzung. Bianca Brasch führte von nun an mit Unterstützung ihres Sohnes Martin die Geschäfte der Firma allein weiter.
Gleich nach der Machtergreifung der Nationalsozialisten 1933 brachen viele Kunden, teils freiwillig, teils gezwungenermaßen die Geschäftsbeziehungen zur Fa. Brasch ab. Dazu gehörten auch die Großabnehmer wie Siemens & Halske und Hermann Tietz (Hertie).
Im selben Jahr nahm die Gestapo mehrere Durchsuchungen der Wohnung in der Clausewitzstraße vor.
Während Bianca Brasch vor 1933 völlig gesund, rüstig und unternehmungslustig den Betrieb leitete, änderte sich in diesem Jahr ihr Gesundheitszustand schlagartig. Die Wohnungsdurchsuchungen hatten eine sofortige Herzerkrankung bei ihr zur Folge. Die Herzanfälle nahmen im Laufe der folgenden Jahre ständig zu.
1938 kündigte die Reichsmonopolverwaltung der Firma den Kredit und Bianca Brasch sah sich gezwungen, in sehr kurzer Zeit eine hohe Geldsumme zur Abdeckung des Kredits aufzutreiben. Diese Aufregungen, sowie der Umstand, dass ihr älterer Sohn, der Physiker Dr. Arno Brasch als jüdischer Wissenschaftler aus der AEG ausscheiden musste und 1936 in die USA auswanderte, hatten für Bianca Brasch einen verheerenden Einfluss auf ihre Gesundheit.
Nach den Novemberpogromen stellte die Reichsmonopolverwaltung den Spritverkauf an die Fa. Brasch gänzlich ein und Bianca Brasch war gezwungen, die Firma aufzulösen.

Ihr Sohn Martin verließ im April 1939 Deutschland und ließ sich in England nieder. Er hatte schon vorher in ständiger Furcht vor Verhaftung jede Nacht an einem anderen Ort verbracht und Bianca lebte in ständiger Ungewissheit, ob er noch auf freiem Fuß war oder nicht.

Zusätzlich zu der weiteren Verschlechterung ihres Gesundheitszustandes – Erkrankung an Diabetes, Unterernährung – begann Bianca Brasch die wertvolle Einrichtung der Wohnung, sowie Schmuck und Pelze zu verschleudern. Sie trug sich letztlich mit Selbstmordgedanken, wie den Briefen an die Söhne entnommen wurde. Die völlig entkräftete Frau war darüber hinaus menschlichen Schikanen ausgesetzt: In einem der sehr kalten Winter (1940 oder 1941) schickte sie ein SS – Offizier unter bedrohlichen Beschimpfungen in den Hof um Kohlen zu schaufeln.
Bianca Brasch wurde vermutlich 1942 gezwungen, die große Wohnung in der Clausewitzstraße 4 zu verlassen und zur Untermiete bei Steinberg in ein möbliertes Zimmer in der Güntzelstraße zu ziehen. Auch dort durfte sie nicht bleiben. Ihre letzte Adresse war die Pension Phiebig in der Schlüterstraße 54, in der zahlreiche Juden vor der Deportation eine letzte Bleibe fanden.

Am 29. Januar 1943 wurde Bianca Brasch zusammen mit der Pensionsinhaberin Rosa Phiebig und fünf weiteren Hausbewohner/Innen der Schlüterstraße 54 in das Vernichtungslager Auschwitz deportiert. Sie starb dort im März 1943. Für Rosa Phiebig und mehrere Bewohner ihrer Pension liegen Stolpersteine vor der Schlüterstraße 54.

Recherche/Text: Karin Sievert Stolpersteininitiative Charlottenburg – Wilmersdorf

Quellen:
Gedenkbuch – Opfer der Verfolgung der Juden unter der nationalsozialistischen Gewaltherrschaft in Deutschland 1933 – 1945
; Landesamt für Bürger- und Ordnungsangelegenheiten – Entschädigungsbehörde; Berliner Adressbücher – Zentral- und Landesbibliothek Berlin
; Landesarchiv Berlin 
WGA; 
Deportationslisten; 
Gottwald/Schulle „Die Judendeportationen aus dem Deutschen Reich 1941 – 1945“
; 
Yad Vashem – Opferdatenbank
;
https://www.berlin.de/ba-charlottenburg-wilmersdorf/ueber-den-bezirk/geschichte/stolpersteine/artikel.179619.php
https://www.tagesspiegel.de/themen/gesundheit/wo-einst-kuenstliche-blitze-zuckten/111462.html; https://de.wikipedia.org/wiki/Arno_Brasch; https://de.wikipedia.org/wiki/Arno_Brasch