Stolpersteine Sybelstraße 26

Hausansicht Sybelstr. 26

Diese Stolpersteine wurden von Dr. Annelie Hahn und Dr. Dieter Strauß sowie weiteren Hausbewohnern/innen gespendet und am 21.4.2016 verlegt.

Stolperstein Regina Cohn

HIER WOHNTE
REGINA COHN
GEB. KANTOROWICZ
JG. 1873
GEDEMÜTIGT / ENTRECHTET
FLUCHT IN DEN TOD
4.8.1939

Regina Cohn geb. Kantorowicz wurde am 22. Dezember 1873 in dem Glashüttenort Gostin in Oberschlesien geboren. Sie wohnte zusammen mit ihrem Bruder Julius Kantorowicz, geboren am 16. August 1872 ebenfalls in Gostin, in der Sybelstraße 26. Regina Cohn hatte einen Mann namens Cohn geheiratet, was ein häufiger jüdischer Nachname ist. Sein Vorname ist kaum herauszufinden, da es im Landeshauptarchiv in Potsdam keine Akten über sie und ihren Bruder Julius gibt. Regina Cohn hat am 4. August 1939 Selbstmord begangen, als ihr Bruder noch lebte. Er blieb in der Wohnung zurück, bevor er zum Umzug gezwungen und nach Theresienstadt deportiert wurde. Ob der Freitod persönlich oder politisch motiviert war, lässt sich im Nachhinein nicht mehr ergründen.

Stolperstein Julius Kantorowicz

HIER WOHNTE
JULIUS
KANTOROWICZ
JG. 1872
DEPORTIERT 22.9.1942
THERESIENSTADT
FLUCHT IN DEN TOD
3.12.1942

Julius Kantorowicz wurde am 16. August 1872 in dem oberschlesischen Glashüttenort Gostin geboren. Er stand von 1936 an als Kaufmann im Berliner Adressbuch mit der Anschrift Sybelstraße 26. Er nahm seine Schwester Regina Cohn, geboren am 22. Dezember 1873 in Gostin, in seiner Wohnung auf, wo sie 1939 Selbstmord beging.

Vor seiner Deportation wurde er gezwungen, in die Kantstraße 102 umzuziehen. Am 22. September 1942 wurde Julius Kantorowicz aus dem Sammellager Große Hamburger Straße 26, einem ehemaligen jüdischen Altersheim, vom Anhalter Bahnhof in einem Zug mit 100 Menschen nach Theresienstadt gebracht. In der Nacht zum 3. Dezember 1942 hat er sich dort, wo er in qualvoll enger Umgebung untergebracht und unterversorgt war, erhängt, was vier Mediziner auf einer Todesurkunde bescheinigten.
Zwei Tage später wurde Julius Kantorowicz begraben, er war kurz vorher 70 geworden.

Stolperstein Ruth Grunau

HIER WOHNTE
RUTH GRUNAU
GEB. KREBS
JG. 1905
DEPORTIERT 3.2.1942
ERMORDET IN
AUSCHWITZ

Ruth Grunau geb. Krebs wurde am 2. Oktober 1905 in Beuthen (Oberschlesien) geboren. Wann sie nach Berlin kam, ist nicht bekannt. Jedenfalls wohnte sie in der Sybelstraße 26 in Charlottenburg, wo sie bei der Volkszählung am 17.5.1939 mit ihrem Mädchennamen Krebs gemeldet war.

Unbekannt ist auch, wann sie Siegmund Grunau, geboren am 14. Januar 1900 in Belgard (Persante) in Pommern, den Vater ihres Kindes Helga, das am 10. Dezember 1937 in Berlin geboren ist, heiratete. Wahrscheinlich war es 1940.

Seit September 1940 wohnte sie in Tiergarten in der Bachstraße 3 im 1. Stock des Quergebäudes. Hier wohnte ihre Schwägerin Hanna Grunau, die am 4. Februar 1894 wie deren Bruder Siegmund in Belgard (Persante) in Pommern geboren wurde. Die junge Familie Siegmund, Ruth und Helga Grunau bezog dort ein Leerzimmer.

Während Ruth Grunau in den Siemens&Schuckert-Werken Zwangsarbeit leisten musste, war ihr Mann Siegmund zu einer Fahrbereitschaft verpflichtet, was ihm nach eigener Angabe in der Woche „30 Reichsmark netto“ einbrachte. Hanna wurde 1939 als Zwangsarbeiterin bei den Deutschen Asbestwerken eingesetzt, wo sie einen Wochenlohn von 20 RM bekam.

Alle vier mussten ins Sammellager an der Großen Hamburger Straße in das ehemalige jüdische Altersheim einrücken, wo sie registriert wurden und am 2. Februar 1943 vorgedruckte 16-seitige „Vermögenserklärungen“ ausfüllen mussten. Für sich und seine Familie tat dies Siegmund Grunau mit Bleistift. Er gab bescheidene Möbel und „div.“ Wäschestücke an und trug bei der Tochter Helga ein: „Eltern wandern mit aus.“ In einer „Verfügung“ der Gestapo vom 1.10.1942, unterschrieben: Hampel, hieß es, „das gesamte Vermögen“ sei … „zugunsten des Deutschen Reiches eingezogen“.

Deportiert wurden alle vier am 3. Februar 1943 vom Güterbahnhof an der Putlitzstraße in Moabit mit 952 Menschen in einem von 16 Waggons ins 570 Kilometer entfernte Konzentrationslager Auschwitz. Dort wurden sie ermordet. Am 19.4.1943 wurde die Wohnung in der Bachstraße geräumt.

Text: Stolpersteine-Initiative Charlottenburg-Wilmersdorf.
Quellen: Bundesarchiv, Adressbücher, Deportationslisten, Zentralarchiv Yad Vashem.