Stolperstein Bayerische Straße 20

Hausansicht Bayerische Str. 20

Dieser Stolperstein wurde von der SPD Wilmersdorf Nord gespendet und am 9.4.2013 verlegt.

Stolperstein Hilde Ephraim

Stolperstein Hilde Ephraim

HIER WOHNTE
HILDE EPHRAIM
JG. 1905
IM WIDERSTAND
VERHAFTET JULI 1936
VERURTEILT 25.6.1937
GEFÄNGNIS LÜBECK
„VERLEGT“ SEPT. 1940
SCHLOSS HARTHEIM
ERMORDET 20.9.1940

Hilde Ephraim ist am 1. April 1905 in Berlin geboren. Sie war Fürsorgerin in Brandenburg an der Havel und trat 1931 der Sozialistischen Arbeiterpartei Deutschlands (SAPD/SAP), einer Abspaltung der SPD, bei. In Brandenburg zählte Hilde Ephraim zu den aktiven Köpfen der SAPD und schloss sich, nachdem sie wegen ihrer jüdischen Herkunft und ihrer Zugehörigkeit zur Sozialdemokratie entlassen worden und nach Berlin umgezogen war, 1933 dem Untergrundkampf an. Dort war sie für die Rote Hilfe verantwortlich, die sich in der Illegalität um Familien von aus politischen Gründen Verhafteten kümmerte.

1936 wurde sie selbst verhaftet, misshandelt und 1937 vom Volksgerichtshof zu vier Jahren Zuchthaus verurteilt. Sie war in Lübeck und Amberg eingesperrt. Wie Hans-Rainer Sandvoß, Mitglied der Historischen Kommission der SPD, von einer Gefährtin Hilde Ephraims erfuhr, war die kleine, zarte Frau der Haft nicht gewachsen und so verzweifelt, dass sie Nahrung verweigerte und in geistige Umnachtung fiel. Nach drei Jahren Zuchthaus zermürbt, entkräftet und verwirrt, wurde sie in das Aktion T4 genannte Euthanasie-Programm der Nazis eingereiht und nicht lange vor der geplanten Entlassung in der Tötungsanstalt Hartheim bei Linz am 20. September 1940 umgebracht.

Am 1. April 2010, ihrem 105. Geburtstag, wurde nach Hilde Ephraim eine Straße in Berlin-Grunewald benannt, die vom Halensee zum Bahnhof Grunewald führt. Von dort wurden zwischen dem 18. Oktober 1941 und dem 27. März 1945 mehr als 50 000 Berlinerinnen und Berliner überwiegend jüdischer Herkunft in Züge gepfercht und in Ghettos, Konzentrations- und Vernichtungslager deportiert.
Das berüchtigte Gleis 17 ist heute ein Mahnmal.

Text: Helmut Lölhöffel
Siehe auch: archiv.spd-berlin.de/geschichte/personen/a-k/ephraim-hilde/

Bei der Verlegung des Stolpersteins für Hilde Ephraim hielt Frank-Axel Dietrich, Vorsitzender der SPD-Abteilung Wilmersdorf Nord, in Anwesenheit von 20 Schülerinnen und Schülern der benachbarten Katholischen Schule St. Ludwig diese Ansprache:

bq. Liebe Mitbürgerinnen und Mitbürger, liebe Schülerinnen und Schüler!
Ein Blinken im Bürgersteig – man bleibt stehen, bückt sich, liest einen oder mehrere Namen, die Geburts- und Todesdaten einer Frau, eines Mannes oder Kindes. Man hält inne, für einige Augenblicke spürt man ein Entsetzen, bis der Verstand es erfasst: Aus diesem Haus sind Bewohner während der Nazizeit verschleppt worden. Hier liest man keine anonymen Zahlen, hier wird an individuelle Schicksale erinnert. Die meisten wurden in Konzentrationslagern ermordet.
Diese Erinnerung an das Grauen des deutschen Faschismus und den Schwur von Buchenwald ‚Nie wieder Krieg, nie wieder Faschismus‘ wachzuhalten ist einer der politischen Schwerpunkte der SPD in Wilmersdorf Nord. Auch bisher wurde konkrete Erinnerungsarbeit vor Ort unterstützt durch Spaziergänge zu Orten der Verfolgung und des Widerstandes im Stadtteil, durch die Gedenktafelinitiative Duisburger Straße und durch das jährliche Stolpersteinputzen um den 8.Mai, das es auch in diesem Jahr geben wird. Als unser Freund Lothar Lewien fragte, ob wir ihn bei der Patenschaft für den Stolperstein zum Gedenken an Hilde Ephraim unterstützen würden, haben wir auch dies gerne gemacht.
Wir danken dem Künstler Gunter Demnig für das Stolpersteinprojekt. Allein heute werden in unserer näheren Umgebung 16 weitere Stolpersteine an sieben Orten verlegt, damit sind es insgesamt 1874 in unserem Bezirk. Überall haben sich Menschen mit dem Schicksal der Opfer beschäftigt. Eine große Mahn- und Erinnerungsinitiative ist entstanden, die sich im Straßenpflaster dauerhaft dokumentiert und mahnt.
Und dennoch: Hilde Ephraim dokumentiert nicht nur die Opferperspektive. Schon 1933 wurde sie als Jüdin und aktive Sozialistin aus dem Staatsdienst entlassen, wo sie in Brandenburg an der Havel als Sozialfürsorgerin – so hieß das damals – tätig war. Sie duckte sich nicht weg, ging nach Berlin und unterstützte hier den Untergrundkampf der SAP, einer Linksabspaltung der SPD, der damals auch Willy Brandt angehörte. Sie kümmerte sich um die Familien Verhafteter in der ‚Roten Hilfe‘, bis sie selbst verhaftet, vom sogenannten Volksgerichtshof verurteilt und nach dem Ende ihrer Haftstrafe zynischer Weise im Rahmen der Euthanasieaktion T4 nach Hartheim bei Linz verschleppt und dort am 20.9.1940 im Alter von nur 35 Jahren ermordet wurde.
Wir gedenken Ihrer über Parteigrenzen hinweg, weil sie als politischer Mensch Verfolgten half. Wir gedenken ihrer, weil sie in einer schweren Situation daran festgehalten hat, dass Widerstand und Hilfe für Betroffene möglich ist. Wir gedenken ihrer, weil sie eine Nachbarin war, von denen es gerade in Wilmersdorf zu wenig gegeben hat und auch heute mehr geben sollte.