Stolpersteine Trautenaustr. 6

Hauseingang Trautenaustr. 6, 10.06.2012

Hauseingang Trautenaustr. 6, 10.06.2012

Die Stolpersteine vor diesem Neubau – die Adresse des einst hier stehenden Wohnhauses war Nikolsburger Platz 3 – wurden am 29.04.2012 verlegt.

Stolperstein Erna Solmsen, 10.06.2012

Stolperstein Erna Solmsen, 10.06.2012

HIER WOHNTE
ERNA SOLMSEN
GEB. LANDAUER
JG. 1890
DEPORTIERT 28.3.1942
PIASKI
ERMORDET

Stolperstein Elise Hahn, 10.06.2012

Stolperstein Elise Hahn, 10.06.2012

HIER WOHNTE
ELISE HAHN
GEB. SALOMON
JG. 1873
DEPORTIERT 25.8.1942
THERESIENSTADT
ERMORDET 12.7.1943

Elise Hahn

Elise Hahn

Dieser Stolperstein wurde am 29. April 2012 verlegt.

Elise Hahn wurde als Tochter von Hermann Salomon und Johanna, geb. Tietzner, am 7. Februar 1873 in Berlin geboren. Sie hatte zwei Geschwister, den Bruder Ernst und die Schwester Ella.
Ihr Ehemann war Justizrat Rudolf Hahn (geb. am 25. September 1860, gest. am 10. September 1932), mit dem sie drei Töchter hatte, die alle in Berlin geboren wurden: Edith, geb. am 23. Januar 1895, Gertrud, geb. am 22. August 1897 und Ilse, geb. am 3. Juli 1902. Die beiden jüngeren Töchter starben in Israel. Die älteste Tochter Edith war Religionslehrerin und heiratete 1920 den bekannten jüdischen Religionsphilosophen Franz Rosenzweig. Dieser starb bereits 1929. 1939 emigrierte sie auf dem letzten Schiff mit jüdischen Emigranten nach Palästina. Edith Rosenzweig heiratete 1941 Max Scheinmann in Palästina. Sie starb 1979 in Israel.

Bis 1939 wohnte Elise Hahn vermutlich in Lichterfelde, Luisenstraße 86. Es ist anzunehmen, dass sie, nachdem ihre Kinder geflohen waren, in die Pension am Nikolsburger Platz 3 (heute Trautenaustr, 6) umzog, denn 1940 ist sie im Adressbuch nicht mehr zu finden.

Hedwig Ems, geb. Frank, (geb. 10.Januar 1869 in Halle) erinnert sich an Elise Hahn, mit der sie zeitweilig in Berlin die Unterkunft geteilt hat. Sie selbst wurde am 23. Oktober 1942 in das zur „Sammelstelle“ umfunktionierte jüdische Altersheim in der Großen Hamburger Straße verbracht und am 28.10.1942 vom Anhalter Bahnhof aus nach Theresienstadt deportiert, wo sie auch Elise Hahn wiedertraf. Hedwig Ems blieb nach der „Befreiung“ von Theresienstadt am 7./.8. Mai 1945 noch bis zum 17. August 1945 – als die Tschechen die vollständige Räumung des Ghettos anordneten – in Theresienstadt. Mit anderen Überlebenden fuhr sie zurück nach Berlin und lebte dort bis zu ihrem Tod am 5.6.1958.
Aus den Erinnerungen von Hedwig Ems, geb. Frank [Rechtschreibung angepasst]:

bq. …Im Juli 1939 wurde meinen Pensionsinhabern mitgeteilt, dass sie die zwei Wohnungen sofort räumen müssten, weil Abteilungen der Nazi da untergebracht werden sollten. Mit vieler Mühe wurde eine andere Wohnung gefunden. Kaum waren wir einen Monat darin, als sich genau dasselbe abspielte und wir wieder umziehen mussten. Dann hatten wir allerdings ein Jahr Ruhe, danach war es dasselbe. Vorher war schon verlangt worden, dass einzeln wohnende Menschen, wenn die Größe des Raumes es gestattete, es war ein Mindestmaß dafür bestimmt, eine zweite Person bei sich aufnehmen müssten, und so bekam ich Frau Elise Hahn (Schwiegermutter von Frau Rosenzweig) in mein Zimmer; eine feine, gebildete Dame, aber sehr nervös. Wir kamen aber gut miteinander aus, waren recht befreundet, und als wir wieder aus der Wohnung hinaus mussten, und Cohns keine große Wohnung fanden, um alle Pensionäre mitzunehmen, entschlossen Frau Hahn und ich uns, zusammen ein Zimmer zu suchen und uns allein zu beköstigen.
Nach vieler Mühe hatten wir bei einer netten jüdischen Familie ein Zimmer mit Küchen-benutzung gefunden, das Zimmer reinigen lassen, sogar einen Kammerjäger dagehabt, Verdunklung anbringen lassen und was sonst noch dazu gehörte, als am Vormittag vor dem Tage, an dem wir umziehen wollten, uns mitgeteilt wurde, dass der Besitzer des Hauses keine Juden mehr in seinem Haus haben wollte. Obgleich ich mich gleich an Hans Gumpert [während des Nationalsozialismus »jüdischer Konsulent«; eigentlich Rechtsanwalt und Notar] wandte, konnte er auch nichts ausrichten, ebenso wenig wie die jüdische Gemeinde, die uns das Zimmer zugewiesen hatte, weil der Besitzer mit »Speer« in Verbindung stand und deshalb nichts zu machen war. Frau Hahn lag mit einer Nierenbeckenentzündung zu Bett. Ich musste dann den Tag herumlaufen und alles abbestellen, Möbelwagen, Tapezierer usw. Es war furchtbar. Es schreibt sich alles so einfach, aber es war es nicht. Aus unserem Zimmer mussten wir hinaus; weshalb, weiß ich selber nicht mehr, und wir wussten nicht wohin. Ein jeder, an den wir uns wandten, hatte Angst, uns aufzunehmen, und wir gingen ernsthaft mit dem Gedanken um, uns das Leben zu nehmen, als uns durch einen Verwandten von Frau Hahn noch zu guter Letzt eine Wohnung, resp. ein Zimmer genannt wurde, das wir mieten konnten, und dann, im Februar 1942, bei grimmiger Kälte, einzogen. Dabei erkältete sich Frau Hahn von Neuem, so dass sie sich gleich zu Bett legen musste. Unsere Wirte waren sehr wenig entgegenkommend. Zum Schluss war ich sogar mit ihnen befreundet, aber erst nachdem ich in einer sehr heftigen Auseinandersetzung Herrn Dr. meine Meinung gesagt und sein Benehmen »unmenschlich« genannt hatte. Er verlangte, daß ich das zurücknehme, was ich aber nicht getan habe. Es waren aber trotzdem sehr feine, gebildete Menschen, mit denen ich außerordentlich gut stand, besonders nachdem ich allein war. Kaum waren wir eingezogen, als Frau Hahn registriert wurde. Das war der Anfang von der Evakuierung. Da aber die Akten wohl verlegt waren, so hatte sich ihre Evakuierung bis zum August hingezogen. Da unsere Wirtin uns nur ungern in ihrer Küche sah, so haben wir, des lieben Friedens willen, mittags in einer Volksküche gegessen, und ich habe Frau Hahn das Essen mitgebracht, solange sie krank war. Da zu Hause aber die Pflege für mich zu anstrengend war – ich musste nachts so und so oft aufstehen – kam Frau Hahn dann in eine Klinik. Bei jedem Klingelzeichen erschreckte man und zitterte, denn immer fürchtete man die Gestapo oder jemand, der registrierte. Die Angst war, sowohl die letzte Zeit in Berlin als auch die ganze Zeit in Theresienstadt, die ständige Begleiterin, die uns nicht einen Moment verließ. Ich war noch verschont geblieben. In den ersten Tagen des August bekam dann Frau Hahn die Mitteilung, daß sie in den nächsten Tagen abgeholt würde, Ich blieb allein zurück.
Eines Tages wurde auch ich registriert, aber da ich darauf vorbereitet war, regte es mich gar nicht auf. Ich wusste also, daß ich in der nächsten Zeit auch damit rechnen konnte, fortzukommen. Obgleich ich doch darauf vorbereitet war, bekam ich einen solchen Schreck, als ich eines Tages nach Hause kam und die Mitteilung vorfand, daß ich am 22. Oktober abgeholt werden würde, dass ich furchtbar zu zittern anfing. Darüber ärgere ich mich heute noch. Eine Dame (Christin), die mit uns auf derselben Etage wohnte, war hoch anständig zu mir und stellte mir ihr Telefon zur Verfügung (wir hatten doch längst keins mehr). Wir hatten einen Fahrer, der in Berlin nicht Bescheid wusste, und so kamen wir dreimal wieder an unserem Haus vorbei und erst am Abend, wo man uns schon seit Stunden erwartet hatte, in der Großen Hamburger Straße an, dem ehemaligen Altersheim, das jetzt ein Sammelplatz für die Menschen war, die nach Theresienstadt evakuiert werden sollten.
Am Nachmittag des ersten Tages meines Dortseins kamen Frau Hahn und Paula Wertheim zu mir, die erfahren hatten, daß ich angekommen war. Ich erkundigte mich dann bei Frau Hahn nach Frau Wahrenberg und hörte, daß diese bereits mit einem Transport wieder von Theresienstadt fortgekommen sei. Ich traute meinen Ohren nicht, denn das hatte ich doch nicht geahnt, daß man von dort noch weiter verschickt werden könnte.

Elise Hahn wurde am 25. August 1942 mit dem sog. „49. Alterstransport“ mit 99 weiteren Menschen nach Theresienstadt deportiert und dort am 12.7.1943 ermordet

Recherche und Text: Marianne Wintgen

Quellen: Erinnerungen von Hedwig Ems, https://collections.ushmm.org/search/catalog/irn39107
Deutsche Biographie: >https://www.deutsche-biographie.de/sfz108287.html
geni.com >https://www.geni.com/people/Edith-Rosenzweig-Hahn/6000000010584634320
>https://www.geni.com/people/Rudolf-Hahn/6000000051172640322
>https://www.geni.com/people/Elise-Hahn/6000000051173451825

Weiterführender link:
https://archive.org/details/TheresienstadtDerFührerSchenktDenJudenEineStadtFilm

  • Abschrift Hedwig Ems geb. Frank

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Stolperstein Abraham Adolf Löwenberg, 10.06.2012

Stolperstein Abraham Adolf Löwenberg, 10.06.2012

HIER WOHNTE
ABRAHAM ADOLF
LÖWENBERG
JG. 1869
DEPORTIERT 5.8.1942
THERESIENSTADT
ERMORDET 30.12.1942

Stolperstein Friedrich Raphael, 10.06.2012

Stolperstein Friedrich Raphael, 10.06.2012

HIER WOHNTE
FRIEDRICH RAPHAEL
JG. 1919
DEPORTIERT 17.5.1943
ERMORDET IN
AUSCHWITZ

Erna Solmsen
Erna Solmsen, als Erna Landauer am 17. Oktober 1890 in Stuttgart geboren, ist am 28. März 1942 vom Güterbahnhof Berlin-Moabit in einem Viehwagen in die Provinzstadt Piaski nach Ostpolen verfrachtet worden. Der mit 985 Menschen vollgestopfte Zug, der als „11. Osttransport“ oder „Welle XI“ bezeichnet wurde, kam zwei Tage später in Trawniki an, von hier wurden die Insassen zwölf Kilometer über die Landstraße in das Transit-Ghetto Piaski getrieben. Was danach geschah, ist nicht genau bekannt, jedoch wird Erna Solmsen das gleiche Schicksal erlitten haben wie die meisten aus diesem Transport des Grauens: Nach einiger Zeit wurden sie aus Piaski in die Vernichtungsstätte Belzek gebracht und dort ermordet.
Die verwitwete, alleinstehende Erna Solmsen hat am Nikolsburger Platz 3 in Wilmersdorf zur Untermiete bei Philip gewohnt, wo auch der von seiner Frau Vally getrennt lebende Abraham Adolf Löwenberg sowie Elise Hahn, geboren am 7. Februar 1872, Zimmer hatten. Beide wurden ebenfalls deportiert und ermordet. Alle drei waren kurzfristig vor ihren Deportationen ausgezogen, Erna Solmsen in die Suarezstraße 35 nach Charlottenburg, wo sie für 170 Reichsmark ein unmöbliertes Zimmer bei Hulda Lewin mietete.
In ihrer mit Schreibmaschine ausgefüllten ausführlichen Vermögenserklärung vom 15.3.1942 (archiviert im Brandenburgischen Landeshauptarchiv Potsdam), die sie wie alle Juden abgeben musste, sind zahlreiche Daten enthalten, die Rückschlüsse auf ihre Lebensumstände zulassen. So sind in der Rubrik „Ausgewanderte Familienangehörige“ zwei Söhne, allerdings ohne Vornamen und Geburtsdaten, eingetragen, die nach Palästina und nach Schanghai flüchten konnten.
Erna Solmsen muss eine wohlhabende Frau gewesen sein. Ihr Vermögen, das aus Bankguthaben und Wertpapieren bestand, wurde von den Finanzbehörden auf knapp 200 000 Reichsmark (RM) taxiert. Früher hatte sie ein Grundstück in Erkner bei Berlin an der Uferstraße 40 besessen, das sie am 7. Juli 1941, vermutlich unter Druck, an Theodor und Ida Simos aus der Wilsnacker Straße verkaufen musste. Der Beruf von Theodor Simos wird mit „Zwischenmeister“ angegeben, er war also ein Hersteller von Modekollektionen. Der Erlös von 16 700 RM wurde bei dem Notar Willy Tormann an der Kaiserallee 22 hinterlegt und sollte auf ihr – schon damals nur eingeschränkt verfügbares – Konto überwiesen werden, was aber nie geschah. Schon am 12.3.1942 hatte sie unter Zwang unterschrieben, dass „mein gesamtes Vermögen und das meiner Familienangehörigen als beschlagnahmt gilt“, wie der ihr zugeteilte „Generalbevollmächtige“ Richard Marcuse aus der Kleiststraße 13 schriftlich festhielt.
Auch im Finanzamt Charlottenburg waren zahlreiche Stellen mit dem Vermögen von Erna Solmsen befasst, an dem sich der Nazi-Staat bereicherte. Am 7.7.1942, als sie längst im Ghetto Piaski eingesperrt oder schon tot war, notierte Regierungsrat Dr. Rau: „Die vorgenannte Jüdin ist am 28. März 1942 abgeschoben … Ich mache … die Reichsfluchtsteuer in Höhe von 44 715 RM“, die „am 28.3.1942 fällig geworden“ sei, „und die verwirkten Zuschläge geltend.“
Der als „Generalbevollmächtiger“ auftretende Richard Marcuse, der sich mit einem Stempel als „Konsulent, zugelassen nur zur rechtlichen Beratung und Vertretung von Juden“ auswies, meldete dem Finanzamt Wertpapiere zum Kurs von rund 11 000 RM und 2 100 RM Bargeld. Gleichzeitig erhob er für diese Vermögensanzeige „nach der Landesgebührenordnung“ einschl. Porto und Umsatzsteuer den Betrag von 24,75 RM. Marcuse, der selbst Jude war und vielfach im Zusammenhang mit Vermögensangelegenheiten Deportierter in Akten genannt ist, wurde im Oktober 1942 ins Ghetto Theresienstadt deportiert und 1944 umgebracht.
Erhalten sind außerdem zwei unbezahlte Rechnungen in Höhe von 30 RM und 58 RM, die für ärztliche Behandlungen Erna Solmsens ausgestellt waren und dem Finanzamt zur nachträglichen Begleichung zugeschickt wurden. Die Möbel und Haushaltsgegenstände sind am 18. Juni 1942 an den Einzelhändler Otto Lüttgemann „übergeben worden“, der dafür 971,60 RM quittierte. Wie an zahlreiche ähnlichen Fällen ist auch hier zu erkennen, wie viele Personen in die planmäßige Ausraubung der Jüdin Erna Solmsen einbezogen waren.

Abraham Adolf Löwenberg
Abraham Adolf Löwenberg, geboren am 3. November 1869 in Bad Rehburg (Niedersachsen), wohnte mit seiner Frau Vally, geb. Friedlaender, geboren am 27. Mai 1982 in Kolmar (bei Posen), bis nach 1940 am Nikolsburger Platz 3. Das Ehepaar hatte sich schon 1936 getrennt, die Klavierlehrerin Vally Löwenberg zog in die Salzburger Straße 8 um.
Über Abraham Adolf Löwenberg sind keine Unterlagen mehr auffindbar. Nur aus den spärlichen Vermerken seiner Frau lässt sich rekonstruieren, dass die beiden „dauernd getrennt“ lebten und zwei Kinder hatten: Hans, geboren am 13. April 1907, der nach Palästina geflüchtet war, und Alice, geboren am 7. September 1911, die 1941 in Zürich, Dolder Straße 10, gemeldet war. In einer Vermögenserklärung vom 26.10.1941 hat Vally Löwenberg kurz vor ihrer Deportation vermerkt, dass sich ihr Vermögen und ihre Wertpapiere „in Verwaltung des Ehemannes“ befänden und dass sie Anspruch auf Unterhalt habe.
Abraham Adolf Löwenberg ist vermutlich 1941 oder 1942 kurzfristig – die Gründe sind nicht mehr erklärbar – in die Landshuter Straße 4 umgezogen, von wo aus er am 5. August 1942 in einem Personenwagen zusammen mit 100 Menschen vom Bahnhof Grunewald ins Ghetto Theresienstadt deportiert wurde. Dort ist er am 30. Dezember 1942 umgebracht worden.
Vally Löwenberg wurde am 1. November 1941 ins Ghetto nach Lodz/Litzmannstadt und am 9. Mai 1942 ins Vernichtungslager Kulmhof gebracht, wo sie ermordet worden ist.