Stolpersteine Niebuhrstraße 70

Hauseingang Niebuhrstr. 70

Hauseingang Niebuhrstr. 70

Die Stolpersteine für Martin und Toni Cohn und für Hildelotte Gerson wurden am 25.10.2011 verlegt.

Die Stolpersteine zum Gedenken an Eugen Hirschfeld, Siegmar Freund und Gertrud Lövinsohn wurden am 16.6.2016 verlegt, sie sind gespendet worden von den Hausbewohner/innen Philipp und Kathrin Engler sowie Werner Elsner.
Über die einstigen Bewohner/innen sind nur noch Bruchstücke herauszufinden.

Stolperstein Martin Cohn

Stolperstein Martin Cohn

HIER WOHNTE
MARTIN COHN
JG. 1884
DEPORTIERT 12.3.1943
ERMORDET IN
AUSCHWITZ

Stolperstein Toni Cohn

Stolperstein Toni Cohn

HIER WOHNTE
TONI COHN
GEB. SCHERK
JG. 1895
DEPORTIERT 12.3.1943
ERMORDET IN
AUSCHWITZ

Stolperstein Hildelotte Gerson

HIER WOHNTE
HILDELOTTE GERSON
GEB. COHN
JG. 1921
DEPORTIERT MAI 1943
THERESIENSTADT
BEFREIT / ÜBERLEBT

Martin Cohn

Martin Cohn

Martin Cohn wurde am 6. Juni 1884 in Berlin geboren. Er war Zahnarzt und hatte seine Praxis in der Köpenicker Straße 103. Seine Ehefrau Toni Cohn geb. Scherk, geboren am 21. April 1895 in Berlin, kam aus wohlhabendem Hause.
Ihre Onkel waren erfolgreiche Unternehmer, die mehrere Geschäfte in bester Lage am Kurfürstendamm besaßen. Berthold Scherk gehörte ein großes und modernes Lederwarengeschäft, Ludwig Scherk das renommierte Kosmetikunternehmen “Parfümerie Scherk”, das 1906 gegründet worden war und in den 1920er Jahren Zweigniederlassungen in aller Welt besaß. Bertold und Ludwig Scherk waren Brüder des Vaters, Heinrich Scherk. Toni hatte noch einen Onkekl, Dr. med. Gerhard Scherk, der in die USA flüchten konnte.

Toni Cohn

Toni Cohn

1938 wurde die Firma “arisiert” und Ludwig Scherk zum Verkauf gezwungen. Kurz darauf floh er nach London, wo er 1946 starb.
Seine Frau Alice, eine Pianistin und Sängerin, hatte sich 1934 mit 46 Jahren das Leben genommen.

Martin und Toni Cohn wurden am 12. März 1943 in einem Zug mit 946 Menschen vom Berliner Bahnhof Grunewald nach Auschwitz deportiert, wo sie ermordet wurden.

Hildelotte und Susi Cohn

Hildelotte und Susi Cohn

Cohns hatten zwei Töchter: Hildelotte, geboren 1921 und Susi, geboren 1924. Die Kinder bekamen sehr früh die Ausgrenzung der jüdischen Bevölkerung zu spüren. Beide gehörten dem Schwimmclub Hellas an. Susi hatte noch 1933 bei einem Wettkampf in Prag für Deutschland einen zweiten Platz belegt. Eine Woche später wurden beide Mädchen aus dem Verein ausgeschlossen.

Susi erinnerte sich später an ihre traurigen Erfahrungen in dieser Zeit,

bq. wie meine Lieblingslehrerin mich vor der ganzen Klasse verspottete, weil ich eine ‚Hakennase‘ hätte; wie man mich vom Fahrrad warf und es unter mir wegstahl; wie es an der Tür klopfte und ich mitansehen musste, wie man meinen Vater mitnahm; und der Weg allein und ohne meine Eltern zum Zug.

Am 20. Juni 1939 reiste die 15jährige Susi mit einem Kindertransport nach England aus.

Hochzeitsfoto Hildelotte und Helmut Gerson

Hochzeitsfoto Hildelotte und Helmut Gerson

Die Schwester Hildelotte Gerson, geb. Cohn, heiratete Helmut Gerson, geboren am 25. Februar 1909, und arbeitete als Krankenpflegerin im Jüdischen Krankenhaus. Sie und ihr Mann überlebten Theresienstadt, wohin sie 1943 deportiert worden waren. Hildelotte Gerson starb aber mit 26 Jahren am 22. März 1947 im Jüdischen Krankenhaus in Berlin an den Folgen der Lebensbedingungen im Ghetto, Helmut Gerson lebte bis mindestens 1955.

Susi Podgurski geb. Cohn zog in die USA, wo sie mit ihrem Mann J.C. Podgurski in Baltimore (Maryland) lebte. Sie haben eine Tochter.

Weitere Stolpersteine wurden verlegt für Toni Cohns Mutter, Margarethe Scherk, geb Cohn (eine andere Cohn-Familie) an der Aschaffenburger Str. 24 in Wilmersdorf und für die mit Toni Cohns Bruder Ludwig Scherk verheiratete Alice Scherk, geb. Carsch, geboren am 11. Februar 1888, an der Mozartstr. 10 in Lankwitz verlegt.

Text: Cristina Konn-Saile, siehe auch “Juden in Charlottenburg. Ein Gedenkbuch”. Berlin 2009, Seiten 163-165.
Quelle: Susi Podgurski geb. Cohn.
Ergänzungen: Elke Elsner, Helmut Lölhöffel. Weitere Quelle: Jüdische Gewerbebetriebe in Berlin 1930-1945 (Humboldt-Universität)

Stolperstein Eugen Hirschfeld

HIER WOHNTE
EUGEN HIRSCHFELD
JG. 1895
DEPORTIERT 17.11.1941
KOWNO FORT IX
ERMORDET 25.11.1941

Eugen Hirschfeld wurde am 30. März 1895 in Oels in Schlesien geboren. In Berlin wohnte er in der Niebuhrstraße 70, wo er am 17.5.1939 bei der Volkszählung gemeldet war. Nachdem er sich in einem Sammellager registrieren lassen musste, das die Gestapo in der fast unzerstörten Synagoge Levetzowstraße in Moabit eingerichtet hatte, wurde Eugen Hirschfeld am 17. November 1941 vom Bahnhof Grunewald nach Kowno (Kauen) deportiert, wo er im Fort IX am 25. November 1941 erschossen worden ist.

Stolperstein Siegmar Freund

HIER WOHNTE
SIEGMAR FREUND
JG. 1867
DEPORTIERT 25.9.1942
THERESIENSTADT
ERMORDET 23.3.1943

Siegmar Freund wurde geboren am 27. Juni 1867 in Breslau. In Berlin wohnte er in der Niebuhrstraße 70, wo er am 17.5.1939 bei der Volkszählung gemeldet war. Kurz vor seiner Deportation wurde er in die Uhlandstraße 114-115 zwangsumgesiedelt, wo mehrere jüdische Menschen wohnten. Von dort aus wurde er ins Sammellager Große Hamburger Straße 26 verlegt, das die Gestapo in einem ehemaligen jüdischen Altersheim eingerichtet hatte, registriert und am 25. September 1942 nach Theresienstadt in das Ghetto deportiert, das älteren Juden als „Altersruhesitz“ angepriesen wurde. Der Zug nach Theresienstadt startetete morgens am Anhalter Bahnhof. Siegmar Freund wurde mit 100 anderen Jüdinnen und Juden in einem verriegelten Abteil nach Theresienstadt deportiert, wo sie qualvolle Enge und unsägliche Umstände erwarteten. Am 23. März 1943 kam er, der kurz vor seinem Abtransport aus Berlin 75 Jahre alt wurde, ums Leben.

Stolperstein Gertrud Lövinsohn

HIER WOHNTE
GERTRUD LÖVINSOHN
GEB. LEBRAM
JG. 1876
DEPORTIERT 19.1.1942
RIGA
ERMORDET

Gertrud Lövinsohn geborene Lebram wurde geboren am 10. Januar 1876 in Berlin. Sie wohnte in Berlin in Charlottenburg in der Niebuhrstraße 70 im 2. Stock. Im allgemeinen Berliner Adressbuch war sie unter dieser Adresse seit 1927 als Dr. Gertrud Lövinsohn, „Rentiere“ (das hieß: sie lebte von ihrem Vermögen), eingetragen, im Jüdischen Adressbuch 1931 ohne Vornamen. Vorher ist weder sie noch ihr Mann, der wahrscheinlich Landgerichtsrat gewesen war, in den Adressbüchern zu finden. 1939 war Gertrud Lövinsohn-Lebram mit diesem Doppelnamen und dem Zusatz „verwitwet Landgerichtsrat“ eingetragen. Als ihren „letzten Wohnsitz“, der vermutlich erzwungen war, vermerkten die Behörden das Nachbarhaus Niebuhrstraße 71.

Von hier wurde Gertrud Lövinsohn-Lebram zunächst in die ehemalige Synagoge Levetzowstraße verschleppt, wo eine Sammelstelle eingerichtet worden war und dann am 19. Januar 1942 vom Bahnhof Grunewald nach Riga deportiert, wo sie wie fast alle Insassen – sofern sie noch nicht erfroren waren – gleich nach der Ankunft erschossen worden ist.

Quellen: Bundesarchiv, Adressbücher, Scheffler/Schulle: Buch der Erinnerung. Die ins Baltikum deportierten deutschen, österreichischen und tschechoslowakischen Juden“. München 2003, herausgegeben von Volksbund Deutsche Kriegsgräberfürsorge e.V.