Stolpersteine Droysenstraße 18

Hauseingang Droysenstr. 18

Hauseingang Droysenstr. 18

Die Stolpersteine für Johanna Anna, Lina, Frida und Margarethe Cohn und Hans Hirschfeld wurden am 17.3.2011 verlegt, der für Hans Hirschfeld wurde von der Deutsche Gesellschaft für Hämatologie und Onkologie (DGHO) gespendet.
Der Stolperstein zum Gedenken an Margarete Goldschmidt wurde von ihrer Enkelin Irene Herrmann (Santa Cruz, USA) gespendet und am 7.6.2011 verlegt.
Der Stolperstein für Herbert Goldschmidt wurde am 20.5.2014 verlegt, ihn hat die Landeshauptstadt Magdeburg (Sachsen-Anhalt) gespendet.

Die Stolpersteine für Frieda und Henriette Czarlinski wurden am 7.4.2016 verlegt.

Das Haus an der Droysenstraße 18 wurde 1908 von dem Architekten und Baugeschäftsmann Georg Knapke erbaut, der es im Jahr danach verkaufte. In der Zeit nach 1939 wohnten darin auffallend viele Juden, da die Eigentümerfamilie Weiß selbst jüdisch war und ihnen Unterkunft bot. Viele, vor allem Alleinstehende, hatten vermutlich keine eigenen Wohnungen, sondern wohnten zur Untermiete oder hatten Unterschlupf bei Freunden und Bekannten gefunden.

Stolperstein Johanna Anna Cohn

Stolperstein Johanna Anna Cohn

HIER WOHNTE
JOHANNA ANNA COHN
JG. 1885
DEPORTIERT 12.1.1943
ERMORDET IN
AUSCHWITZ

Johanna Anna Cohn wurde am 16. August 1885, Frida Cohn am 25. Dezember 1886 und Lina Cohn am 9. April 1894 in Lyck (Elk) in Masuren im heutigen Polen geboren – alle drei waren Schwestern und unverheiratet.

Über ihre Herkunft, ihre Berufstätigkeit und ihre Lebensumstände ist nichts bekannt. Sie lebten jedenfalls zusammen in einem Haushalt in der Droysenstraße 18, wo sie von den jüdischen Eigentümern eine Wohnung vermietet bekommen hatten, was sonst sicherlich schwierig gewesen wäre. In diesem Haus lebten, soweit bekannt ist, nur jüdische Menschen und Familien. Untermieterin war Walli Marcuse, geboren am 10. Mai 1900 in Berlin.

Am 12. Januar 1943 wurden die drei Schwestern Cohn festgenommen und mit ihnen alle anderen Juden aus ihrem Haus. Den Deportationslisten ist zu entnehmen, dass 36 Bewohner und Bewohnerinnen der Droysenstraße 18, wahrscheinlich vom Güterbahnhof Moabit an der Putlitzstraße, nach Auschwitz deportiert wurden. Im bitterkalten Januar 1943 wurden sie mit insgesamt 1190 Personen nach Auschwitz deportiert.

Johanna Anna, Lina und Frida Cohn haben das Vernichtungslager nicht überlebt. Ihre Todesdaten sind unbekannt.

Walli Marcuse, die mit ihnen zusammen gewohnt hatte, war am 24. Oktober 1941 nach Lodz/Litzmannstadt deportiert worden.

Stolperstein Lina Cohn

Stolperstein Lina Cohn

HIER WOHNTE
LINA COHN
JG. 1894
DEPORTIERT 12.1.1943
ERMORDET IN
AUSCHWITZ

Stolperstein Frida Cohn

Stolperstein Frida Cohn

HIER WOHNTE
FRIDA COHN
JG. 1886
DEPORTIERT 12.1.1943
ERMORDET IN
AUSCHWITZ

Stolperstein Margarethe Cohn

Stolperstein Margarethe Cohn

HIER WOHNTE
MARGARETHE COHN
GEB. FRIEDMANN
JG. 1881
GEDEMÜTIGT / ENTRECHTET
FLUCHT IN DEN TOD
27.9.1942

Margarete Cohn, geb. Friedmann wurde am 22. August 1881 in Breslau geboren. Sie war verheiratet mit Dr. Julius Cohn, über den wegen der Häufigkeit dieses Namens nichts herauszufinden ist. Ihre Tochter Hilde, geschiedene Helft, war rechtzeitig nach Brüssel emigriert. Frau Cohn war nicht unvermögend. Außer Möbeln und Bargeld besaß sie Wertpapiere in Höhe von mehreren tausend Reichsmark bei der Dresdner Bank, die die Nazis beschlagnahmten. So war sie gezwungen, zur Untermiete im 1. Stock in der Droysenstraße 18 bei Margot Rosenberg zu wohnen.

In einer „Letzten Verfügung“ vom 12. September 1942 setzte sie Frau Ella Friedmann, geb. Kunze, Ludwigkirchstraße 13, als Alleinerbin ein. Frau Friedmann war nach der NS-Rassegesetzgebung arisch und fungierte als Treuhänderin für die Tochter Hilde Cohn, was diese nachträglich in einem Schreiben vom 7. Juli 1947 bestätigte.

Margarete Cohn ertrug die fortgesetzten Erniedrigungen und Entbehrungen nicht. Nachdem sie ihren Nachlass für die Tochter geregelt hatte, nahm sie sich am 27. September 1942 das Leben, indem sie den Gashahn öffnete. Sie war 60 Jahre alt. Es war eine Flucht in den Tod.

Quelle: Brandenburgisches Landeshauptarchiv Potsdam

Stolperstein Hans Hirschfeld

Stolperstein Hans Hirschfeld

HIER WOHNTE
HANS HIRSCHFELD
JG. 1873
DEPORTIERT 30.10.1942
THERESIENSTADT
ERMORDET 26.8.1944

Hans Hirschfeld war der international bekannteste Hämatologe und Krebsforscher der 1930er Jahre. Er stammte aus einer Berliner Kaufmannsfamilie und wurde am 20. März 1873 in Berlin geboren. Nach dem Besuch des Lessing-Gymnasiums studierte er von 1891-1897 Medizin an der Friedrich-Wilhelm-Universität in Berlin. Er war verheiratet mit Rosa Hirschfeld, geb. Todtmann, geboren am 6. Januar 1875 ebenfalls in Berlin. Das Ehepaar hatte zwei Töchter, Ilse und Käte, die rechtzeitig in die USA bzw. England ausgewandert waren und so der Judenverfolgung in Deutschland entkamen..

Hirschfeld machte schon während seines Studiums durch seine Zielstrebigkeit und Gewissenhaftigkeit auf sich aufmerksam. Der Leiter des Pathologischen Instituts Rudolf Virchow persönlich machte Hirschfeld zum Abschluss seiner Promotion in Anerkennung seiner Arbeit ein wertvolles Mikroskop zum Geschenk, von dem er sich auch 40 Jahre später bei der Deportation nach Theresienstadt nicht trennte.

Seine Assistenzzeit verbrachte Hirschfeld am Krankenhaus Moabit. 1910 oblag ihm die Betreuung der Patienten im Krebsinstitut der Charité. 1919 habilitierte er sich mit einer Arbeit über die perniziöse Anämie und 1922 erfolgte die Ernennung zum Professor. Er erhielt daraufhin eine eigene Abteilung für Hämatologie und Histologie. 1929 war er auf dem Höhepunkt seiner beruflichen Karriere durch seine Arbeit und seine Veröffentlichungen, die in Europa und Übersee Anerkennung fanden. Sie erschienen vor allem in dem Internationalen Magazin für Blutforschung „Folia Haematologica“. Seit seinem Erscheinen 1904 war er zunächst Redaktionsmitglied und ab 1916 Mitherausgeber und hauptsächlicher Redakteur. Im In- und Ausland gelobt wurde das 1918 erschienene „Lehrbuch der Blutkrankheiten für Ärzte und Studierende“ durch seine verständliche Ausdrucksweise.
Sein zusammen mit Anton Hittmair 1932-34 in Wien herausgegebenes vierbändiges „Handbuch der Allgemeinen Hämatologie“, eine bis dahin nicht erreichte Übersicht über alle Teilgebiete der Hämatologie, fand dennoch nicht die Anerkennung, die es verdient hätte, da es am Vorabend der Katastrophe erschien. Jüdische Publikationen wurden negiert. Bei der Zweitauflage 1957-1969 fand der Name Hirschfeld nicht einmal Erwähnung.

Das Portrait stammt aus dem Jahr 1933 und ist der Dokumentation der DGHO entnommen.

Aufgrund des von den Nationalsozialisten erlassenen Gesetzes zur Wiederherstellung des Berufsbeamtentums verlor Hirschfeld im Mai 1933 seine Lehrbefugnis und wurde am Betreten des Instituts gehindert. 1936 wurde ihm jede Veröffentlichung untersagt. Er hätte die Möglichkeit gehabt auszureisen. Reisen in den Jahren 1931 bis 1934 in die USA hätten ihm die Flucht ermöglicht. Seine Tochter Ilse, die in Basel promoviert wurde, traf ihren Vater zum letzten Mal 1936/37 in Wien. Auch lag der Notgemeinschaft Deutscher Wissenschaftler in London eine verhältnismäßig günstige Platzierung im Jewish Hospital in Buenos Aires vor. Ilse berichtete, dass der Vater von Auswanderung nichts wissen wollte, bis es zu spät war und das trotz der verzweifelten Versuche seiner viel realistischeren Frau Rosa. Er konnte sich nicht vorstellen, dass die Naziherrschaft andauern und „die Welt so etwas zulassen“ würde. Er wollte sein Werk, seine „Folia Haematologica“, nicht im Stich lassen.

Genau das wurde ihm zum Verhängnis. 1938 zwang man ihn, die Redaktion des Magazins aufzugeben, was er selbst als die größte Enttäuschung seines Lebens empfand. Herausgeber war jetzt der Nazi Schilling, Leiter der Klinik Moabit seit 1933. Im September 1938 verlor Hirschfeld auch seine Bestallung als Arzt. Er war von nun an als „jüdischer Krankenbehandler zur ausschließlichen Behandlung von Juden berechtigt“. Seine Bittschreiben um Anstellung bei Instituten in London, New York und Oslo wurden abschlägig beschieden. Durch die Aufhebung jüdischer Mietverträge von 1938 mussten Hans und Rosa ihre 7½ Zimmer-Wohnung in Alt-Moabit 110 verlassen, in der sie seit 1911 gewohnt hatten. Ab 1939 wohnte und praktizierte Hirschfeld in der 3½- Zimmer-Wohnung im ersten Stock des Gartenhauses Droysenstr. 18 für 95 RM.

Die im August 1943 in Theresienstadt angefertigte Zeichnung stammt von Max Placek.

Die Nazis hatten ein perfides System entwickelt, um wohlhabenden Juden ihr Geld abzunehmen. Um vorzutäuschen, dass die Deportierten in Theresienstadt ein Sanatorium oder Altenheim erwartete, mussten sie für den Transport in den Tod auch noch zahlen. Das entsprach zusammen dem Betrag, den sie auf dem Bankkonto hatten und über den sie ohnehin seit 1941 nicht mehr verfügen konnten. Hirschfeld hatte gemäß Vermögenserklärung von 1940 Wertpapiere in Höhe von mehreren zigtausend RM bei der Deutschen Bank. Am 21. Oktober 1942, eine Woche vor der Deportation, musste er einen „Sonderbeitrag für Abwanderung“ sowie Beträge für Altersheim-Verpflegung und Pflegegeld und Transport bezahlen. Das verbliebene Vermögen von über 60.000,00 RM wurde als „Heimeinkauf“ eingezogen. Zudem wurde die Jüdische Kultusvereinigung zum Einziehen und der Weitergabe des Geldes missbraucht. Am 29.Oktober 1942 wurden Hans Hirschfeld und seine Frau Rosa in das Sammellager Große Hamburger Straße 26, ein ehemaliges jüdisches Altenheim, gebracht und am nächsten Tag nach Theresienstadt deportiert.

Hans Hirschfeld dozierte und praktizierte auch im Ghetto. Er starb am 26. August 1944 in Theresienstadt. Rosa überlebte und konnte nach London zu ihrer Tochter Käte Hirschfeld emigrieren. Sie starb 1948. Erst 2012 erschien auf Initiative der Deutschen Gesellschaft für Hämatologie und Onkologie (DGHO) eine ausführliche Dokumentation über Hans Hirschfeld.

Text: Monika Herz.
Quellen: Peter Voswinckel: Verweigerte Ehre. Dokumentation zu Hans Hirschfeld. Berlin 2012; 1937-2012 Die Geschichte der Deutschen Gesellschaft für Hämatologie und Onkologie im Spiegel ihrer Ehrenmitglieder.

Stolperstein Herbert Goldschmidt

Stolperstein Herbert Goldschmidt

HIER WOHNTE
HERBERT
GOLDSCHMIDT
JG. 1890
DEPORTIERT 13.1.1942
RIGA
ERMORDET

Herbert Goldschmidt kam aus einer zum Protestantismus übergetretenen Juristenfamilie mit jüdischen Wurzeln und ist am 1. September 1890 in Strehlen (Schlesien) geboren. Sein Vater Emil Goldschmidt, geboren am 28. Juni 1854, war seit 1898/99 in Magdeburg Landgerichtsdirektor und führte den Titel „Geheimer Justizrat“. Seine Mutter war Paula geb. Levy. Sie wurde am 7. Mai 1868 in Bromberg geboren und wuchs als Jüdin auf. Sie heirateten am 27. Juni 1887 in Breslau, vermutlich dabei wurde auch Paula Levy evangelisch.

1894 zog die Familie nach Halle um, wo Emil Goldschmidt Landgerichtsrat war, und 1899 nach Magdeburg, wo er Landgerichtsdirektor wurde. Herbert Goldschmidt besuchte das Magdeburger Domgymnasium und legt dort 1908 sein Abitur ab. Dann folgte er dem väterlichen Beispiel und studierte Rechts- und Staatswissenschaften an den Universitäten München, Heidelberg, Berlin, Grenoble und Halle.

Doch nicht bei Gericht, sondern in der Kommunalverwaltung sah er seine berufliche Zukunft. 1931 berichtete die Magdeburgische Zeitung im Zusammenhang mit Goldschmidts Wahl zum Bürgermeister über seinen beruflichen Werdegang und seine zahlreichen Aufgaben im Rathaus:
„Am 13. Januar 1912 bestand er die erste juristische Prüfung, am 13. März 1917 die Staatsprüfung für Gerichtsassessoren. Am 26. März 1917 trat er in die Stadtverwaltung Neukölln als juristischer Hilfsarbeiter ein. In der Zeit vom 1. November 1918 bis 17. Mai 1919 verwaltete er in Lyck (Ostpreußen) die Beigeordnetenstelle. Vom 15. August 1919 bis 30. November 1919 war er als juristischer Hilfsarbeiter bei der Stadtverwaltung in Potsdam tätig. Seit 3. Dezember 1919 ist er in der Verwaltung der Stadt Magdeburg tätig. Zunächst wurde er als juristischer Hilfsarbeiter beim Magistrat beschäftigt und zwar beim Mieteinigungsamt. Dann folgte die Anstellung des Assessors Goldschmidt als Magistratsrat. Im November 1923 erfolgte die Wahl des Magistratsrates zum besoldeten Stadtrat,als Nachfolger des Stadtrates Dr. Reichert, dessen Wahlzeit am 8. März ablief. Seine Einführung in das Amt des besoldeten Stadtrates erfolgte am 20. Dezember 1923. Während seiner Tätigkeit als besoldeter Stadtrat verwaltete er u.a. folgende Dezernate: Das Dezernat der Krankenhausverwaltung, Flug- und Kraftverkehrangelegenheiten, Arbeiter- und Gewerbegerichtsangelegenheiten, Gewerbe- und Innungssachen, die Dezernatsführung über das gesamte Badewesen, Nahrungsmitteluntersuchungsamt, das Gesundheitsamt, das Arbeiterdezernat, Wirtschaftsamt, Ausstellungen, städtische Veranstaltungen, Verwaltungsschule, Elektrizitätswerk, Gaswerk, Wasserwerk, Rothenseer Industriegründungen, Personalamt.“

Herbert Goldschmidt heiratete am 30. April 1928 Marion Mieschel, eine städtische Behördenmitarbeiterin.

1931, als Ernst Reuter (SPD) Oberbürgermeister von Magdeburg war, wurde Goldschmidt, Mitglied der liberalen Deutschen Staatspartei (DStP), Bürgermeister und damit dessen Stellvertreter. Beide Männer arbeiteten dienstlich sehr eng zusammen und waren privat befreundet. Aber beiden Amtsinhabern wehte von Anfang an ganz scharf der Wind von Rechts ins Gesicht – sie wurden verleumdet und attackiert. Goldschmidt, der zuvor das Personaldezernat innehatte, wurde beispielsweise unterstellt, er habe Bewerber um eine Anstellung im Rathaus nach dem Parteibuch ausgewählt, rechtskonservative Bewerber hätten grundsätzlich bei ihm keine Chance gehabt. Kein Wunder, dass Reuter und Goldschmidt 1933 im Magdeburger Rathaus zu den ersten gehörten, die ihr Amt verloren. Bei Goldschmidt kamen „erschwerend“ seine jüdischen Wurzeln hinzu.

Von ihrer Amtsenthebung und Verhaftung („Schutzhaft“!) durch die Nazis am 11. März 1933 berichtete die Mitteldeutsche Zeitung am 13. März: „Am Sonnabendmorgen (hier wird zunächst von der Festnahme Ernst Reuters berichtet) … erschien ein anderer SA-Trupp im Magistratskonferenzzimmer, wo der Personalausschuss tagte. Magistratsrat Bucksch machte die SA-Abordnung darauf aufmerksam, dass sie Hausfriedensbruch begingen, da sie kein Recht besitzen, in die Verwaltungsräume einzudringen. Auch hier blieb der Einwand ohne Erfolg. Die SA-Leute nahmen Bürgermeister Goldschmidt in ihre Mitte und führten ihn … die Treppe herunter. Inzwischen war draußen vor dem Eingang des Rathauses ein Zug der SA in Stärke von etwa 50 Mann mit Musik aufmarschiert, nahm vor dem Rathaus Aufstellung und sperrte sämtliche Zugänge ab. Polizeimajor Beker mit einer kleinen Abteilung Schutzpolizei erschien unmittelbar darauf im Vorraum des Rathauses und nach einer Unterredung begleitete er Oberbürgermeister Reuter in sein Dienstzimmer, wo sich der Oberbürgermeister Hut und Mantel anlegen konnte. In Begleitung von Major Beker fuhr Oberbürgermeister Reuter zum Polizeipräsidium. Bürgermeister Goldschmidt wurde von der SA genötigt, an der Spitze ihres Zuges durch die Straßen der Stadt ohne Hut und Mantel zu marschieren. Der Aufzug erregte in den Straßen großes Aufsehen“.

Bürgermeister Goldschmidt wurde bei diesem Aufzug gezwungen, eine Hakenkreuz-Fahne zu tragen. Er wurde unter ständigen Misshandlungen zum „Braunen Haus“ getrieben. Marion Goldschmidt berichtete später, ihr Mann sei nach wenigen Stunden durch die Vermittlung von Freunden wieder frei gekommen und sie beide hätten auf die Warnung hin, sein Leben sei in Gefahr, fluchtartig Magdeburg verlassen und seien zu Freunden nach Berlin gegangen. Zunächst musste sich Goldschmidt gesundheitlich erholen. Dann wohnte das Ehepaar in einer Pension („Jagdschloss Stern“) in Neubabelsberg. Goldschmidt wurde auf Grund des „Gesetzes zur Wiederherstellung des Berufsbeamtentums“ vom 7. April 1933 entlassen.
Er erhielt eine kleine Pension, die nicht zum Lebensunterhalt reichte, Marion Goldschmidt musste mit Handarbeiten dazu verdienen. Die Goldschmidts kehrten nicht mehr nach Magdeburg zurück. Sie wohnten zunächst bei Freunden und ab 1935 in Charlottenburg, Mommsenstraße 56. Auch die Eltern und der ältere Bruder, Regierungsrat i.R. Hans Goldschmidt gingen schließlich nach Berlin (Kaiserallee 46). Hans Goldschmidt war eine Zeitlang als Manager im Hotel “Berlin” tätig. Emil Goldschmidt starb 81jährig am 31. März 1936, seine Frau fünf Jahre später, am 26. September 1941.

Herbert Goldschmidts Name als „Bürgermeister a.D.“ findet sich von 1936 bis 1939 im Berliner Adressbuch unter der Anschrift Mommsenstraße 56. Seine Frau, die ihn zunächst soviel wie möglich unterstützte und begleitete, ihn auch immer wieder – vergeblich – zur Emigration überreden wollte, begegnete 1936 dem 1901 geborenen jüdischen Fotografen und Journalisten Hans Zellner, der bald ihre ganz große Liebe wurde. So bat sie ihren 14 Jahre älteren Ehemann um die Scheidung. Da es ihr als nicht jüdischer Frau wegen der Nürnberger Rassengesetze in Deutschland ohnehin unmöglich gewesen wäre, mit Hans Zellner zusammen zu leben, brannte sie mit ihm 1937 nach Belgien durch. Das bewegte wohl Goldschmidt, in die Scheidung einzuwilligen, sie wurde im Januar 1939 ausgesprochen. Marion Goldschmidt und Hans Zellner heirateten am 3. Mai 1941.

Zu der Zeit persönlicher Unruhe im Leben von Herbert Goldschmidt kamen die politischen Unruhen und antisemitischen Pogrome des 9. November 1938 hinzu. Goldschmidt, der sich immer als deutscher Patriot gefühlt hatte, wurde zusammen mit vielen jüdischen Männern am 10. oder 11. November 1938 verhaftet und ins KZ Sachsenhausen verschleppt. Dort setzte man die Häftlinge unter Druck, misshandelte sie und ließ sie hungern, damit sie sich schriftlich bereit erklärten, Deutschland so schnell wie möglich zu verlassen. Auch Goldschmidt – Häftlingsnummer 9874 – wird dies erklärt haben. Am 16. Dezember 1938 wurde er entlassen. Seine so gut wie geschiedene Frau setzte sich sehr für ihn ein, um eine schnelle Ausreise zu erwirken. In einem Brief vom 7. Dezember 1938 bat sie seinen Freund Ernst Reuter, der zunächst nach England geflohen war und nun in der Türkei lebte, ihm zu helfen. Sie schrieb: „Haben Sie Dank, daß Sie sich so in der Sache H.G. bemühen und der einzige wirklich freundschaftliche Mensch sind. Die Situation von H. ist unverändert und sieht unsagbar hoffnungslos aus. … Ich nehme an, Sie wissen dass H. und ich geschieden sind. … Sollte Ihnen in der Einladungssache doch noch irgend etwas glücken, bitte teilen Sie es sofort O.K. [vielleicht der Architekt Otto Krause, der wie Goldschmidt in der Mommsenstraße 56 wohnte] in die Mommsenstr. mit. Ich bin noch ca. 14 Tage hier in Berlin u. teils in Magdeburg, vielleicht kann ich dann doch meinen väterlichen Freund im Konsulat noch einmal aufsuchen…“ Doch alle Versuche waren vergeblich.

1939 scheint Goldschmidt – vielleicht wegen der Verordnung über die jüdischen Mietverhältnisse vom Januar 1939 – seine Wohnung in der Mommsenstraße verlassen zu haben. Jedenfalls ist sein Name nach 1939 in den Adressbüchern nicht mehr zu finden. Außerdem scheint er auch eine neue berufliche Richtung eingeschlagen zu haben. Er ließ sich zum Optiker umschulen. Das war auch der Beruf, unter dem sein Name das letzte Mal auftauchte, in der Deportationsliste nach Riga. In seiner Vermögenserklärung vom Januar 1942 gab er an, dass er in der Gemeinschaftswerkstatt der Berliner Augenoptikerinnung (Wallstraße3 /4) tätig sei und 20 RM wöchentlich verdiene. Er wohnte Droysenstraße 18, zunächst als Untermieter von Abraham (Arthur) und Ruth Rahel Lecker. In diesem Haus muss er Margarete Burmeister geb. Ittmann kennen gelernt haben, die am 12. August 1894 in Frankfurt am Main geboren wurde und zu dieser Zeit wie er allein lebte. Ihre Tochter Marion Ittmann war schon 1938 emigriert und lebte in Manila auf den Philippinen, sie selbst wohnte zur Untermiete bei Liese-Lotte Kantorowitz. Bisher war nicht zu erfahren, wann, aber auf alle Fälle nach dem 17. Mai 1939, da Margarete bei der Volkszählung noch den Namen Burmeister trug, haben die beiden geheiratet. Margarete, jüdischer Religion, nur wenig jünger als Goldschmidt, wurde ihm zur letzten Weggefährtin. Wenig ist von ihr bekannt. Ihre Lebensstationen waren Frankfurt/Main, Dresden – dort lernte sie den bekannten Schauspieler Ernst Deutsch kennen und dort wurde 1917 ihre Tochter Marion geboren – und nach dem Ersten Weltkrieg Berlin, wo sie ihren Lebensunterhalt dadurch verdiente, dass sie Familien den Haushalt führte, so dass sie ihre Tochter fremden Händen anvertrauen musste.

Herbert und Margarete Goldschmidt mussten miterleben, dass aus ihrem Haus, das der jüdischen Eigentümerin F. Weiß gehörte und in dem 37 Juden wohnten, immer mehr Menschen deportiert werden. So wurden Ruth Rahel Lecker, und ihre Tochter Edith (geboren 1935) am 27. November 1941 nach Riga deportiert. Alle Menschen aus deren Transport wurden gleich nach der Ankunft am 30. November in Riga ermordet („Rigaer Blutsonntag“).

Herbert Goldschmidt an seinem Dienstschreibtisch

Herbert Goldschmidt an seinem Dienstschreibtisch

Auch Herbert und Margarete Goldschmidt wurden nach Riga deportiert. Ihr Transport ging in Berlin am 13. Januar 1942 los und war fast drei Tage unterwegs. Im Ghetto Riga wurden sie in Häusern auf der “Berliner Straße” einquartiert. Sie wurde so genannt, weil dort die aus Berlin Deportierten wohnten, davor hieß sie Mazu Kalna Iela und wurde von lettischen Juden bewohnt, die inzwischen ermordet worden waren. 1035 Menschen kamen mit dem Transport vom 13. Januar 1942 vom Bahnhof Grunewald – 15 überlebten. Herbert Goldschmidt lebte mindestens noch ein Jahr – das letzte Lebenszeichen von dem inzwischen 53jährigen gibt es aus dem März 1943 (Auskunft des Riga-Komitees). Was danach geschah, bleibt im Dunkeln. Im Berliner Landesarchiv gibt es eine Notiz, die davon ausgeht, dass auch Herbert Goldschmidts Bruder Hans nach Riga deportiert wurde. Weder Hans noch Herbert und Margarete Goldschmidt haben überlebt.

Auch Marion Zellner geschiedene Goldschmidt wurde verhaftet, weil sie “vollständig judenhörig ist und kaum zum Deutschtum zurückfinden wird“, so formulierte die Geheime Staatspolizei. Sie kam in das KZ Ravensbrück, konnte aber überleben; ihr Mann Hans Zellner wurde 1942 in Auschwitz ermordet. Hilde Freund geborene Goldschmidt wurde 1944 nach Theresienstadt deportiert. Sie überlebte.

In Magdeburg wurde nach 1945 die Westpreußenstraße, die in der Nähe des früheren Hauses der Goldschmidts in der Heimat-Privatstraße liegt, in Goldschmidtring umbenannt. Und im Rahmen des Jubiläums „75 Jahre Wasserwerk in der Colbitz-Letzlinger Heide“ 2007 wurde der Verdienste des engagierten Kommunalpolitikers Herbert Goldschmidt um reines Trinkwasser für Magdeburg gedacht.

Stolpersteine für Hans und Marion Zellner sind am Bundesplatz 17 verlegt worden .

Text: Waltraut Zachhuber (Magdeburg)

Quellen: Katharina Mensing, Marion, Vortrag zur Ehefrau von Dr. Herbert Goldschmidt (Ms.); Stadtarchiv und Landeshauptarchiv Magdeburg; Archiv der Synagogengemeinde zu Magdeburg; Magdeburgische Zeitung; Gertrude Schneider, Reise in den Tod, Deutsche Juden in Riga 1941-1945; Das Buch der Erinnerung, bearbeitet von Wolfgang Scheffler und Diana Schulle, hrsg. vom Volksbund Dt. Kriegsgräberfürsorge, Riga-Komitee u.a., München 2003; Berliner Landesarchiv; IST Bad Arolsen; Peter Baumann, Wie Magdeburg zum Wasser kam(2006);Recherchen von Helga Fiek, Lehrerin am Ökumenischen Domgymnasium Magdeburg; Familieninformationen zu Margarete Goldschmidt durch Irene Herrmann, Santa Cruz/ USA; Evangelisches Zentralarchiv Berlin

Stolperstein Margarete Goldschmidt

Stolperstein Margarete Goldschmidt

HIER WOHNTE
MARGARETE
GOLDSCHMIDT
GEB. ITTMANN
JG. 1894
DEPORTIERT 13.1.1942
ERMORDET IN
RIGA

Stolperstein Frieda Czarlinski

HIER WOHNTE
FRIEDA
CZARLINSKI
JG. 1862
DEPORTIERT 3.3.1943
ERMORDET IN
AUSCHWITZ

Frieda Czarlinski wurde am 9. Januar 1862 in Bordzichow/Preußisch Stargard in Westpreußen geboren. Henriette Czarlinski wurde am 20. Juli 1866 in Groß Schliewitz/Tuchel in Westpreußen geboren. Über das Leben der Schwestern wissen wir nicht viel. Ebenso wenig wissen wir, ob der Charlottenburger Stadtverordnete Siegfried Czarlinski, geboren am 25. März 1887 in Preußisch Stargard, ermordet am 18. Mai 1944 im Lager Großbeeren, ein Verwandter war. Siehe auch Stolperstein für Siegfried Czarlinski.

Nach Auskunft des Brandenburgischen Landeshauptarchivs ist als Dokument für Frieda und Henriette Czarlinski nur eine Karteikarte der „Vermögensverwertungsstelle“ zu finden, auf der vermerkt worden ist, dass es zu beiden Schwestern keine Akte mehr gab.

Frieda und Henriette Czarlinski wurden am 3. März 1943 mit dem von den nationalsozialistischen Deportationsbehörden so genannten „33. Osttransport“ in das Vernichtungslager Auschwitz deportiert. Mit 81 Jahren (!) war Frieda Czarlinski die älteste Bewohnerin des Hauses Droysenstrasse 18, die deportiert wurde. Über den Todestag der beiden Schwestern gibt es keine Auskunft. Vielleicht haben sie den grausamen Transport nicht überlebt oder sie wurden gleich bei ihrer Ankunft in Auschwitz ermordet.

Da für Frieda Czarlinski als letzter Wohnsitz das von den Nazis beschlagnahmte ehemalige jüdische Altersheim Blumes Hof 15 in Tiergarten angegeben ist und Henriette Czarlinski die letzen Tage vor der Deportation noch zum Umzug in das Haus Mommsenstrasse 65 gezwungen wurde, ist zu vermuten, dass die beiden 81 und 76 Jahre alten Frauen bereits am 12. Januar 1943 aus dem Haus Droysenstrasse 18 zur Deportation abgeholt wurden, aber erst am 3. März 1943 deportiert und ermordet worden sind

Text: Franziska Eichstädt-Bohlig.
Quellen: Bundesarchiv; Brandenburgisches Landeshauptarchiv; Auskunft der Hausverwaltung; Dokumentation zum Schicksal der Bewohner/innen des Hauses (Nach den Recherchen von Monika Herz standen die Schwestern bereits am 12.1.43 auf der Deportationsliste. Sie wurden aber erst am 3.3.1943 deportiert, wie das Bundesarchiv festgehalten hat.)

Stolperstein Henriette Czarlinski

HIER WOHNTE
HENRIETTE
CZARLINSKI
JG. 1866
DEPORTIERT 3.3.1943
ERMORDET IN
AUSCHWITZ

13 Menschen wurden in der Zeit von 1939 bis 1942 nach Sachsenhausen, Lodz, Kowno (Kaunas), Riga, Theresienstadt, Treblinka oder Ravensbrück deportiert. Niemand überlebte. Eine Frau beendete ihr Leben vor der drohenden Deportation durch Flucht in den Freitod. Der grausame und traurige Schicksalstag des Hauses war der 12. Januar 1943: 39 Frauen, Männer und Kinder, das jüngste war zehn Jahre alt, die älteste war 81, wurden an diesem einzigen Tag nach Auschwitz deportiert. Keiner überlebte.

  • Jakob Kamusiewicz, geb. 9.9.1921 in Berlin, deportiert am 26.10.1939 nach Sachsenhausen
  • Walter Schwerin, Arzt, geb. 25.10.1890 in Gleiwitz, deportiert am 18.10.1941 nach Lodz
  • Simon Jacks, Krankenpfleger, geb. 17.10.1887 in Schlochau, deportiert am 17.11.1941 nach Kaunas
  • Bianka Jacks, geb. Goldschmidt, geb. 29.5.1889 in Berlin, deportiert am 17.11.1941 nach Kowno/Kaunas
  • Ruth Lecker, geb. Finn, geb. 12.6.1909 in Berlin, deportiert am 27.11.1941 nach Riga
  • Edith Lecker, geb. 1935 in Berlin, deportiert am 27.11.1941 nach Riga
  • Herbert Goldschmidt, geb. 1.9.1890 in Strehlen, deportiert am 13.1.1942 nach Riga
  • Margarete Goldschmidt, geb. Ittmann, geb. 12.8.1894 in Frankfurt/M., deportiert am 13.1.1942 nach Riga
  • Hans Hirschfeld, Arzt/Wissenschaftler, geb. 20.3.1873 in Berlin, deportiert am 30.10.1942 nach Theresienstadt
  • Rose Hirschfeld, geb. Todtmann, geb. 6.1.1875 in Berlin, deportiert am 30.10.1942 nach Theresienstadt
  • Alfred Marksohn, geb. 30.11.1873 in Berlin, deportiert am 1.9.1942 nach Theresienstadt, 29.9.1942 Treblinka
  • Eugenie Marksohn, geb. Kauffmann, geb. 1.11.1867 in Stuttgart, deportiert am 1.9.1942 nach Theresienstadt
  • Margarete Cohn, geb. Friedmann, geb. 22.8.1881 in Breslau, Freitod am 27.9.1942 in Berlin
  • Cyrb Schiesser, geb. Geldzähler, geb. 12.7.1895 in Tarnow, deportiert am 26.3.1942 nach Ravensbrück
Am 12. Januar 1943 wurden laut Deportationsliste ins Vernichtungslager Auschwitz verschleppt:
  • Johann Schiesser, Kaufmann, geb. 8.7.1885 in Leipzig
  • Lina Cohn, Verkäuferin, geb. 9.4.1894 in Lyck
  • Joanna Anna Cohn, geb. 16.8.1885 in Lyck
  • Frida Cohn, geb. 25.12.1886 in Lyck
  • Paula Magda Chraplewsky, geb. Aron, geb. 16.3.1899 in Tiegenhof
  • Alfred Chraplewsky, Kaufmann, geb. 17.1.1897 in Berlin
  • Rita Chraplewsky, geb. 12.1.1922 in Leipzig
  • Sigrid Chraplewsky, geb. 16.6.1923 in Greiz
  • Regina Dina Rappaport, geb. Weiss, geb. 5.1.1913 in Berlin
  • Walter Meyer, Kaufmann, geb. 25.1.1896 in Ridgefield, USA
  • Irma Meyer, geb. Moses, geb.12.5.1893 in Posen
  • Manfred Meyer, geb. 28.4.1924 in Berlin
  • Michael Weiss, Kaufmann, geb. 23.2.1896 in Sanok
  • Frania Weiss, geb. Beck, geb. 26.4.1904 in Krakau
  • Rudolf Weiss, geb. 1.4.1930 in Berlin
  • Ina Weiss, geb. 26.10.1932 in Berlin
  • Erna Klonower, geb. Landsberger, geb. 11.7.1898 in Gleiwitz
  • Jobst Klonower, geb. 8.1.1924 in Berlin
  • Margot Baruch, geb. Landsberger, geb. 9.7.1901 in Gleiwitz
  • Lilli Krohn, geb. 16.9.1901 in Berlin
  • Käthe Prockener, geb. 25.10.1900
  • Karl Heinz Adler, geb. 27.7.1918 in Berlin
  • Gertrud Adler, geb. Sally, geb. 13.1.1883 in Frankfurt/O.
  • Johanna Irene Levy, geb. 18.8.1921 in Berlin
  • Hanny Levy, geb. 25.10.1881
  • Käte Schoeps, geb. 8.12.1894 in Berlin
  • Samuel Lose, geb. 14.6.1883
  • Ruchla Kamusiewicz, geb. Kamusiewicz, Schneiderin, geb. 16.8.1894 in Lodz
  • Sonja Kamusiewicz, geb. 1.12.1929 in Berlin
  • Julius Stein, geb. 7.5.1885 in Kletzko/Posen
  • Elsbeth Kastellan, geb. Naphtaly, geb. 28.10.1878 in Berlin
  • Frieda Kastellan, geb. Naphtaly, geb. 14.4.1881 in Berlin
  • Max Rappaport, geb. 23.11.1906 in Berlin
  • Hertha Arndt, geb. 20.6.1896 in Breslau
  • Magda Chraplewsky, geb. 16.3.1899
  • Katharina Crohn, geb. Levinson, geb. 6.1.1883 in Berlin
  • Fritz Crohn, geb. 8.1.1907 in Berlin
  • Frieda Czarlinski, geb. 9.1.1862 in Bordzichow
  • Henriette Czarlinski, geb. 20.7.1866 in Groß Schliewitz

In diesen Güterzug wurden 1196 Menschen getrieben, darunter die berühmte Kinderbuchautorin Else Ury („Nesthäkchen“). Von den Bewohner/innen der Droysenstraße 18 waren auch die Eigentümer Michael und Frania Weiss sowie deren Kinder Rudolf (12) und Ina (10) dabei.

Aus der bewegten Geschichte dieses Hauses in den 1930er Jahren: 1931 war im Adressbuch „Eigentümer: unbekannt“ verzeichnet. Bis 1934 wohnte ein „A. Weiß, Fabrikant“ in dem Haus, das einem angeblich „im Ausland“ lebenden Eigentümer namens J. Wright gehörte. Ab 1934 waren dann “Gebr. Weiß”, die im “Ausland” lebten, als Eigentümer der Droysenstraße 18 im Berliner Adressbuch registriert. 1935 war unter dieser Anschrift ein “Gebr. Weiß Wäscheversand” eingetragen. In den Jahren danach stand “Weiß M.” als Eigentümer im Adressbuch, es war wohl Michael Weiß, der Kaufmann war und mit seiner Familie (mal mit ss, mal mit ß geschrieben) im Haus wohnte. 1939 war dann als Eigentümerin “Weiß F.” eingetragen, zweifellos Michaels Frau Frania.

Doch sie wurde 1939 enteignet, neuer Eigentümer wurde der Fabrikant Hugo Frehse, der in Dahlem, Auf dem Grat 12, wohnte. Verwaltet wurde es von Gustav Schielke, Bergmannstraße 2. In der folgenden Zeit wurden die in dem Haus lebenden jüdischen Bewohner systematisch deportiert. Die ersten waren Walter und Else Schwerin, die am 18. Oktober 1941 in den ersten vom Bahnhof Grunewald abgehenden Deportationszug nach Łódź/Litzmannstadt getrieben wurden.

Von 1940 an stand Hugo Frehse als neuer Eigentümer im Adressbuch. Michael Weiß war 1940 und 1941 noch als Mieter der Droysenstraße 18 verzeichnet, in der Ausgabe von 1942 aber nicht mehr. Auch alle anderen einstigen jüdischen Bewohner/innen fehlten. Aus den Akten des Landesarchivs Berlin sind alle Hinweise zu den Mietern von 1932 bis 1950 von Unbekannten herausgeschnitten worden und nicht mehr auffindbar.

Das Grundbuch beim Amtsgericht Charlottenburg enthält die Namen einer am 29.5.1995 eingetragenen Erbengemeinschaft: Ruth Schalev (Schlesinger) geb. Weiss, geb. 23.8.1926, Ralph (Reuben) Weiss, geb. 23.4.1935, Moshe Jitzhak Schimmel, geb. 11.11.1946 und Moshe Michael Shalom Schimmel, geb. 18.3.1950.

Für einige der Opfer sind symbolisch Stolpersteine vor dem Hauseingang verlegt worden. Aller anderen jüdischen Menschen, die in diesem Haus lebten und von den deutschen Nationalsozialisten hinausgetrieben wurden, soll mit dieser Liste ebenfalls gedacht werden.

Zusammenstellung: Monika Herz, Text: Monika Herz und Helmut Lölhöffel

Quellen: Adressbücher, Deportationslisten, Brandenburgisches Landeshauptarchiv, Grundbuch.