Stolpersteine Motzstraße 81

Hausansicht Motzstr. 81

Die Stolpersteine für Therese Türk und Alice Türk wurden am 30.09.2010 verlegt.

Die Stolpersteine für Dr. Egmont und Judith Wolff van Wezel wurden am 8.11.2021 verlegt und von Manuela Wojciechowski und Falko Rister gespendet.

Stolperstein für Alice Türk

Stolperstein für Alice Türk

HIER WOHNTE
ALICE TÜRK
JG. 1892
DEPORTIERT 3.10.1942
THERESIENSTADT
ERMORDET 1944 IN
AUSCHWITZ

Alice Türk wurde am 12. Juli 1892 in Gnesen (Gniezno), etwa 50 Kilometer östlich von Posen/Poznan) geboren. Sie war eine Tochter von Therese Türk geb. Kantorowicz, geboren am 27. September 1864 in Posen. Sie hatte eine Schwester namens Ruth. Alice war als Kind an Kinderlähmung erkrankt und lebte wegen ihrer bleibenden Behinderung auch als Erwachsene zusammen mit ihrer Mutter in der Motzstraße 81. Sie war nicht verheiratet. Der Vater, ein Staatsanwalt, war gestorben. Am 3. Oktober 1942 wurde sie über die Sammelstelle Große Hamburger Straße 26 vom Güterbahnhof Moabit wie auch ihre Mutter nach Theresienstadt deportiert und von dort am 23. Oktober 1944 nach Auschwitz weiterdeportiert. In Auschwitz wurde sie ermordet, das Datum ist nicht überliefert.

Stolperstein für Therese Türk

Stolperstein für Therese Türk

HIER WOHNTE
THERESE TÜRK
GEB. KANTOROWICZ
JG. 1864
DEPORTIERT 3.10.1942
THERESIENSTADT
ERMORDET 3.7.1944

Therese Türk wurde als Therese Kantorowicz am 17. September 1864 in Posen (Poznan) geboren. Sie hatte zwei Töchter: Alice und Ruth. Bei der Volkszählung 1939 war sie in der Motzstraße 81 gemeldet, allerdings war sie nicht im Adressbuch eingetragen. Ihr Mann war Staatsanwalt gewesen. Sie war seit den 1920er Jahren verwitwet, als sie zusammen mit ihrer behinderten Tochter Alice, geboren am 12. Juli 1892 in Gnesen (Gniezno), am 3. Oktober 1942 über die Sammelstelle Gerlachstraße 18 mit 995 Menschen vom Güterbahnhof Moabit nach Theresienstadt deportiert wurde. Dort ist sie am 3. Juli 1944, kurz vor ihrem 80. Geburtstag, ermordet worden.

Text: Stolpersteine-Initiative Charlottenburg-Wilmersdorf, ergänzt mit Informationen von Sigrun Marks, die zur Verlegung eine kurze Ansprache hielt.

Stolperstein Dr. Egmont Wolff van Wezel

HIER WOHNTE
DR. EGMONT WOLFF
VAN WEZEL
JG. 1874
FLUCHT 1938 HOLLAND
INTERNIERT WESTERBORK
DEPORTIERT 27.4.1943
SOBIBOR
ERMORDET 30.4.1943

Stolperstein Judith Wolff van Wezel

HIER WOHNTE
JUDITH WOLFF
VAN WEZEL
GEB. VAN WEZEL
JG. 1877
FLUCHT 1938 HOLLAND
INTERNIERT WESTERBORK
DEPORTIERT 4.5.1943
SOBIBOR
ERMORDET 7.5.1943

Egmont Wolff, 1874 in Frankfurt/Main geboren, studierte Zahnmedizin und erhielt 1897 seine Approbation als Zahnarzt.
Im Jahr 1901 heiratete er in Bussum die Niederländerin Judith van Wezel (1877 in Amsterdam geboren). Das Ehepaar wohnte mit der 1901 geborenen Tochter Ellen Mary am Nürnberger Platz in Berlin Wilmersdorf, bis 1934 in der Trautenaustr.9, wo zunächst auch die Praxis des Zahnarztes war.

Ihre Tochter Ellen Mary lebte mit ihrem Ehemann, dem Kaufmann für Import/ Export Bruno Stenszewski (geb.1885 in Potsdam) bis 1934 in der Kaiserallee 190 (heute Bundesallee) in Berlin-Wilmersdorf. Hier wurden vermutlich auch ihre Kinder Gerhard Alexander 1925 und Luise Marte Renate, gen. Rena, 1928 geboren.
Die Familie Stenszewski emigrierte bereits 1935 nach Holland. Seit 11.Januar 1936 ist sie in Amsterdam, Parnassusweg 34, 2.Stock, gemeldet.
Vermutlich haben die Eheleute Judith und Egmont die Bedrohung der jüdischen Bevölkerung in Nazi-Deutschland unterschiedlich eingeschätzt, denn Judith emigrierte bereits 1935 und war seit dem 28.August 1935 in Amsterdam, Michelangelostraat 83, gemeldet. (Unklar ist, ob und wie Judith und Egmont weiter Kontakt gehalten haben. Die Motive für ihre räumliche Trennung sind ebenfalls unklar, ob z.B. für Judith die Wiedererlangung der niederländischen Staatsbürgerschaft bzw. ihrer Unabhängigkeit eine Rolle gespielt hat. Jedenfalls wurden die Eheleute am 26. März 1938 in Berlin geschieden.)

Dr. Egmont Wolff van Wezel bezog 1935 eine Wohnung mit Praxisräumen in der Motzstr. 81 in Wilmersdorf. Noch durfte er als Zahnarzt arbeiten. Als aber im Sommer 1938 die jüdischen Ärzte durch Approbationsentzug ihre Existenzgrundlage verloren und außerdem gezwungen wurden, bis zum 30. September ihre Wohnungen zu verlassen, um sie für „arische“ Ärzte freizumachen, musste auch Dr. Egmont Wolff van Wezel seine Praxis und Wohnung aufgeben und emigrierte zu seiner Familie nach Holland.

Luise Marta Renate Stenszewski, gen. Rena, in ihrer Klasse im Montessori-Lyceum Amsterdam

Am 29. März 1939 ist Egmont mit Judith bei der Familie ihrer gemeinsamen Tochter Ellen Mary in Amsterdam, Parnassusweg 34, 2.Stock, gemeldet. Hier wohnten sie alle offensichtlich 4 Jahre lang zusammen. Aus dieser Zeit ist ein Foto ihrer Enkelin „Rena“ erhalten, im Archiv des Montessori Lyceum, Amsterdam.

Poesiealbum-Blatt für eine Schulfreundin im Montessori Lyceum

Karteikarte Lager Westerbork

Am 20. März 1943 teilt Ellen Mary in einer erhaltenen Nachricht mit, dass ihre Eltern von ihrer Familie getrennt und im Lager Westerbork untergebracht wurden.

Melderegister Amsterdam

Einen Monat später, am 27. April 1943, werden Egmont und Judith im Lager Westerbork getrennt. Egmont wird ins Vernichtungslager Sobibor deportiert. Judiths Transport geht eine Woche später. Die Fahrt im Güterwaggon dauert 3 Tage, die Ermordung in der Gaskammer erfolgt direkt nach ihrer Ankunft: Egmont am Freitag, dem 30. April, und Judith am Freitag, dem 7. Mai.

Das Schicksal ihrer Tochter Ellen Mary und deren Familie ist ebenfalls bekannt: Ellen Mary, Bruno und Rena Stenszewski werden gemeinsam nach Sobibor deportiert und dort am Freitag, dem 9. Juli ermordet.
Gerhard Alexander, offenbar von seiner Familie getrennt, wird am 13. Februar 1944 in Auschwitz ermordet.

Recherche und Text: Falko Rister, Hamburg.

Quellen: Michael Köhn, Zahnärzte 1933-1945, Berlin 1994, Adressbücher Berlin und Amsterdam, Melderegister Amsterdam, Karteikarten und Transportlisten Lager Westerbork, Archiv Montessori Lyceum Amsterdam, Website www.joodsmonument.nl/