Dr. Helga Frisch: 10 Fehlinformationen der Deutschen Bahn AG über den Fernbahnhof Zoo

zur PRESSEKONFERENZ ám 10.8.2006 im A&O-Hotel, Joachimstaler Str. 1-3

Für die Schließung des Fernbahnhofs Zoo wurden von der DB wechselnde Argumente verwendet, die nach dem jeweiligen Echo in der Öffentlichkeit auch öfter wieder fallen gelassen und durch andere Argumente ersetzt wurden.

1. Behauptung der Bahn:
Ein Halt von 4 Minuten verlängert die Fahrzeit, die Kunden der DB sind “zeitsensitiv” und wollen Zeit einsparen.

Die Tatsachen:
a) Die Reisezeit der Fernzüge für die Strecke von Ostbahnhof bis Spandau ist ohne den Halt am Zoo deutlich länger als früher mit dem Halt am Bahnhof Zoo.
b) Die Haltezeiten der Fernzüge mit dem Halt am Zoo betrugen vor der Schließung des Fernbahnhofs für alle Züge von Ostbahnhof bis Spandau 7 Minuten und jetzt nach dem Wegfall des ICE-Halts am Zoo zwischen 9 und 12 Minuten.
c) Die Regionalexpresszüge auf der Strecke vom Ostbahnhof bis Spandau mit mehreren Haltepunkten sind schneller unterwegs als die ICE-Züge ohne den Halt am Zoo mit nur einem Halt am Hauptbahnhof.
d) Die Bahn spricht von einem Zeitgewinn beim neuen Fahrplan bei der Fahrzeit. Sie berücksichtigt dabei aber nicht, dass sich die Reisezeit für alle Fahrgäste aus dem Westen Berlins durch die Anreise zum Hauptbahnhof oder nach Spandau um mindestens 30 Minuten verlängert. Am Hauptbahnhof kommen die langen Wege zum Zug hinzu, da die Rolltreppen nicht durchgehend sind und viele Fahrstühle überfüllt oder nicht funktionsfähig sind.

2. Behauptung der Bahn:
Die Fernzüge sollen am Bahnhof Zoo nicht mehr halten, weil der Halt dort die Gefahr von Staus und Verspätungen mit sich bringt.

Die Tatsachen:
a) Viele Züge kommen mit Verspätungen aus dem Westen in Spandau an (z. B. der ICE 587 vom 14.07. mit 13 Minuten Verspätung, der ICE vom 07.07. um 14:35 Uhr ab Spandau mit 17 Minuten Verspätung).
b) Die Fernzüge von West nach Ost müssen am Bahnhof Zoo ein Signal “freie Fahrt” für den Gleisblock Zoo-Hauptbahnhof abwarten. Wegen der Verspätung von ICE- und RE-Zügen auf dieser Strecke halten immer wieder Fernzüge außerplanmäßig im Bahnhof Zoo, ohne dass die Reisenden aussteigen dürfen. Es hielten im Bahnhof Zoo folgende ICE Züge in West-Ost-Richtung:
am 31.05. der ICE 974
am 06.06. der ICE 843/um 10:05 Uhr am Bahnhof Zoo
am 30.06. der ICE 843 von 10:00 bis 10:12 Uhr
am 07.07. der ICE um 16:00 Uhr im Bahnhof Zoo.
c) Ein Halt am Zoo verursacht also nicht ein Verspätung der ICE-Züge in Berlin, sondern es ist umgekehrt: Die Verspätungen der Fernzüge bringen es mit sich, dass immer mehr Fernzüge außerplanmäßig am Bahnhof Zoo halten oder in einem sehr langsamen Tempo fahren. Wir fordern deshalb, dass die Fahrgäste am Zoo auch aussteigen können, da ein Halt am Zoo ohne Ausstieg widersinnig ist und die Fahrgäste in diesen Zügen empört.

3. Behauptung der Bahn:
Jeder ICE-Halt verursacht Kosten, die Bahn will deshalb den Halt am Bahnhof Zoo einsparen.

Die Tatsachen:
a) Auf der Nord-Süd-Strecke durch den Tunnel ist am Bahnhof Papestraße (Südkreuz) und am Bahnhof Gesundbrunnen jeweils ein Halt für Fernzüge, obwohl dort kaum Fahrgäste ein- und aussteigen. Hier spielen Kosten offenbar keine Rolle.
b) Der Halt am Bahnhof Spandau dient als “Ersatz” für den Fernbahnhof Zoo, er hat aber nicht annähernd so viele Reisende wie der Bahnhof Zoo, zu dem ein Einzugsgebiet von mehr als 1,2 Millionen Menschen gehört.
c) Unsere Mindestforderung an die DB ist es, einen Halt im Wechsel zwischen dem Bahnhof Zoo und dem Bahnhof Spandau zum nächsten Fahrplanwechsel einzuführen.

4. Behauptung der Bahn:
Der Bahnhof Zoo ist für den Fernverkehr nicht geeignet, da die Bahnsteige zu eng und zu schmal sind.

Die Tatsachen:
Die Bahnsteige am Hauptbahnhof sind neben den Rolltreppen und den Fahrplantafeln so eng, dass viele Fahrgäste Angst davor haben, durch eine Berührung auf die Gleise gestoßen zu werden. An einigen Stellen ist der Bahnsteig nur ca. 1,25 Meter breit.

5. Behauptung der Bahn:
Am Bahnhof Zoo ist auf den Bahnsteigen ein zu großes Gedränge, es ist den Reisenden nicht zuzumuten, wenn neben den Regionalzügen auch noch Fernzüge dort halten.

Die Tatsachen:
Da ein großer Teil des Fernverkehrs jetzt durch den Nord-Süd-Tunnel geführt wird, fällt die Hälfte der Fernzüge für den Bahnhof Zoo ohnehin weg und damit entfällt auch das Gedränge. Im Augenblick ist der Bahnhof Zoo manchmal gähnend leer.

6. Behauptung der Bahn:
Auf der Nord-Süd-Strecke gibt es kürzere Fahrzeiten durch die neue Route durch den Tunnel.

Die Tatsachen:
Die Bahn gibt zum Beispiel die Fahrzeit Berlin-Leipzig mit einer Stunde an. Tatsächlich war der ICE auf dieser Strecke fast nie unter 75 Minuten unterwegs.

7. Behauptung der Bahn:
Wenn am Zoo keine Fernzüge mehr halten, kann der Bahnhof in Ruhe saniert und restauriert werden, gewinnt an Attraktivität.

Die Tatsachen:
Die Bahn hat seit der Schließung des Fernbahnhofs Zoo nichts für den Bahnhof Zoo getan. Vielmehr hat die Sauberkeit und damit die Anziehungskraft für die Kunden deutlich nachgelassen. Nicht nur die Häufigkeit, sondern auch die Art der Reinigung hat sich wohl geändert (trocken statt feucht). Die Schmuddelecken am Bahnhof Zoo haben zugenommen, auch der Bahnhofsvorplatz droht teilweise zu verwahrlosen.

8. Behauptung der Bahn:
Da von 120.000 Fahrgästen durch den Wegfall der Fernzüge nur 20.000 Fernreisende weniger zum Zoo kommen, wird sich für die Geschäftsleute im und am Bahnhof nicht viel ändern.

Die Tatsachen:
Die Lage der Geschäftsleute im Bahnhof Zoo und im Umkreis von ca. 1 km um den Bahnhof Zoo herum hat sich dramatisch verschlechtert und ist existenzbedrohend und katastrophal. Dies gilt für die Geschäfte am Hardenbergplatz und an der Hardenbergstraße, in der Joachimsthaler Straße, in der Budapester Straße, im Europacenter, in der Tauentzienstraße und in der unteren Hälfte des Kurfürstendamms.
Die Umsatzeinbußen betragen zwischen 40 und 70 %, die Geschäfte im Bahnhof Zoo haben täglich ca. 400 Kunden verloren, befürchten die Geschäftsaufgabe, haben Mitarbeiter/innen entlassen und die Öffnungszeiten verkürzt. Die Bahn weigert sich, über Mietsenkungen zu sprechen.

9. Behauptung der Bahn:
Die Ansage der DB für die Fernzüge in Ost-West-Richtung lautet am Hauptbahnhof: “nächster Halt Braunschweig”. Der Fernbahnhof Spandau wird wahrheitswidrig ausgeblendet.

Die Tatsachen:
Die ICE-Züge halten fast alle am Bahnhof Spandau. In West-Ost-Richtung gibt es ein Schild mit der Aufschrift: “nicht einsteigen”. Warum unterschlägt die Bahn in Ihren Aussagen den Fernbahnhof Spandau?

10. Behauptung der Bahn:
Der Bahnhof Zoo ist kein repräsentatives Gebäude und liegt in einer unattraktiven Gegend.

Die Tatsachen:
Der neue Hauptbahnhof ist zweifellos ein attraktives Gebäude und verdient Anerkennung. Leider sind aber die Treppenanlagen nicht großzügiger als am Zoo, die Bahnsteige sind nicht breiter, das Reisezentrum ist kleiner als in allen anderen deutschen Städten. Die Hinweisbeschilderung ist mangelhaft, die Aufgabe von Reisegepäck ist mit langen Wartezeiten verbunden. Im Bahnhof Zoo ist man sehr schnell im Zug, der Hauptbahnhof ist ein Bahnhof der langen Wege.
Der Bahnhof Zoo liegt im Zentrum der westlichen City, der Hauptbahnhof liegt in einem Niemandsland ohne Geschäftsstraßen, Hotels oder Restaurants.