Drucksache - 0745/5  

 
 
Betreff: Verkehrspolitik in Charlottenburg-Wilmersdorf - wohin soll die Fahrt gehen?
Status:öffentlich  
 Ursprungaktuell
Initiator:CDU-Fraktion 
Verfasser:Klose/Mattern 
Drucksache-Art:Große AnfrageGroße Anfrage
Beratungsfolge:
Bezirksverordnetenversammlung Beratung
24.05.2018 
20. Öffentliche Sitzung der Bezirksverordnetenversammlung Charlottenburg-Wilmersdorf von Berlin schriftlich beantwortet   
21.06.2018 
21. Öffentliche Sitzung der Bezirksverordnetenversammlung Charlottenburg-Wilmersdorf von Berlin beantwortet   

Sachverhalt
Anlage/n
Anlagen:
Große Anfrage
Große Anfrage - Beantwortung

 

Wir fragen das Bezirksamt:

 

  1. Welches verkehrspolitische Konzept verfolgt das Bezirksamt für den gesamten Bezirk Charlottenburg-Wilmersdorf?
     
  2. Auf Grund welcher Datenlage wurde dieses Konzept entwickelt und wie wird es evaluiert?
     
  3. Welche Formen der Bürgerbeteiligung sind vorgesehen, um für das Verkehrskonzept einen breiten gesellschaftlichen Konsens herzustellen?

 

 

Sehr geehrte Frau Vorsteherin,

die Große Anfrage beantwortet das Bezirksamt wie folgt:

 

Zu 1. 3

 

Die wesentliche Aufgabe der nächsten Jahre wird die Anpassung der Infrastruktur an den rasanten technologischen Wandel der Mobilität sein. Ich verweise dazu auf die Aussagen der Hauptstadtrepräsentantin von BMW beim Kreisparteitag der CDU vor einigen Wochen, die bei ihrem Beitrag davon ausging, dass schon in fünf Jahren Mobilität völlig anders sein wird, als wir es heute gewohnt sind. Selbst wenn man diese These nicht teilt und den Prozess in längeren Zeitabschnitten denkt, so wird doch niemand bestreiten, dass erhebliche Umwälzungen stattfinden werden, die uns alle mit erheblichen Veränderungen konfrontieren werden.

 

Heute geht es also um Infrastrukturen, die diesen Prozess lenken und begleiten. Dazu gehören vorrangig der Aufbau der Ladestrukturen für die e-mobility, sei es mit einem Auto, einem Fahrrad oder einem Lastenrad. Das gleiche gilt für die Schaffung von Flächen für das Car- und Bike-Sharing.

Diese beiden neuen Mobilitätsformen werden erhebliche Flächen benötigen, die nur zu Lasten bisheriger privat genutzter, öffentlicher und halböffentlicher Flächen (Parkplätze) gehen können.

Auch im Rahmen von Neubauprojekten ist dafür Sorge zu tragen, dass auf den privaten Flächen entsprechende Vorsorge getroffen wird.

 

Heute gibt es in Berlin 342 Kraftfahrzeuge pro 1000 Einwohner, also unter 40%. Diese Kraftfahrzeuge nutzen mehr als 85% der Verkehrsflächen in der Stadt. Diese Zahlen machen deutlich, dass die notwendigen Flächen nur zu Lasten des individuellen PKW-Verkehrs geschaffen werden können.

 

Dies trifft auch für die Stärkung des Fuß- und Fahrradverkehrs zu. Viele Verkehrsanlagen für Fußnger und Fahrradfahrer ermöglichen keinen bequemen und sicheren Verkehr. Dies betrifft sowohl die Breite der Wege, die auch ein gefahrloses Aneinandervorbeikommen erglichen müssen als auch Kreuzungssituationen und Ampelschaltungen. Nicht zu Letzt betrifft dies aber auch die immer mehr zunehmenden Behinderungen durch falsch parkende und rücksichtslose PKW-Fahrer.

 

Einen massiven verkehrspolitischen Handlungsbedarf rufen die rasant steigenden Lieferverkehre durch den Onlinehandel zum Kunden und die immer dichter werdenden Lieferverkehre zu den Handels- und Wirtschaftsstandorten aufgrund reduzierter Lagerflächen hervor.  Wenn dieser Tendenz nicht Einhalt geboten wird, blockieren sich die verschiedenen Lieferdienste in den Kiezen demnächst gegenseitig.

 

Aktuelle verkehrspolitische Konzepte müssen also vielfältige Ziele verfolgen.

Dabei ist der Wirtschaftsverkehr ebenso wie der individuelle Verkehr zu berücksichtigen.

Oberstes Ziel ist es dabei, den Mobilitätserfordernissen und -wünschen der Menschen nachzukommen mit möglichst geringen Störungen und Qualitätseinschränkungen für das Leben in der Stadt sowie die Reduzierung der immens hohen Zahlen an Toten und Verletzten, insbesondere unter den Fußngern und Radfahrern.

 

Diesem Ziel, das für das Funktionieren der Stadt und der Wirtschaft unverzichtbar ist, müssen sich im Einzelfall individuelle Sonderwünsche unterordnen.

 

Um dieses Ziel zu erreichen ist es notwendig, intelligente Mobilitätsangebote im Bezirk in ausreichender Zahl und flächendeckend bereitzustellen. Es muss allen Menschen je nach Bedarf jederzeit möglich gemacht werden, zwischen verschiedenen Mobilitätsformen zu wählen, um das von ihm gewünschte Ziel zu erreichen. Das bedeutet, dass es im Bezirk eine große Anzahl von Mobilitätsstationen geben muss, die den Umstieg zwischen ÖPNV, Regionalverkehr, Car- und Bikesharing ermöglichen. Dazu gehören auch ausreichend sichere Abstellanlagen für Fahrräder, insbesondere auch für E-Bikes und Lastenräder.

 

r Lieferverkehre müssen mindestens fünf Standorte definiert werden, die als Logistik Hubs gelten, von denen anbieterneutral die Feinverteilung in die Wohnquartiere hinein in der Regel mit Lastenrädern gewährleistet werden kann.

 

Fahrradverbindungen müssen zu Netzen ausgebaut werden, die es möglich machen, bequem und sicher auch längere Strecken zurückzulegen.

 

Die wichtigste Aufgabe der nächsten Jahre wird es sein, die Bürgerinnen und Bürger zu aktiven Partner*Innen dieser Wandlungsprozesse zu machen. Letztendlich muss das Bewusstsein dafür wachsen, dass moderne Mobilität weniger Flächen verbraucht, die Städte von Schadstoffen und Lärm entlastet, Unfälle reduziert und Wegezeiten für jeden Einzelnen reduziert. Moderne Verkehrspolitik muss und kann zur Erhöhung der Lebensqualität, insbesondere in den Städten, beitragen ohne die Mobilität der Einzelnen zu beschränken.

 

Es geht also um eine gesamtgesellschaftliche Diskussion, die das Bewusstsein für die notwendigen Umstrukturierungen schafft. Die Unternehmen haben dies zu großen Teilen schon verstanden. Der Auftritt der BMW Hauptstadtrepräsentantin beim CDU Kreisparteitag war dafür ein gutes Beispiel.

 

Die Politik und alle Parteien müssen sich genau überlegen, ob sie schwierige Einzelentscheidungen in diesem Prozess nutzen wollen, um die Gesellschaft zu spalten oder sich der Verantwortung für die Entwicklung auch des Wirtschaftsstandortes Deutschland bewusst sind. Wenn wir diesen Prozess nicht endlich aktiv und mit Kraft beginnen, werden wir von den technologischen Entwicklungen, insbesondere aus dem asiatischen und amerikanischen Raum, schlichtweg überrollt. Die Frage, ob wir die anstehende Mobilitätswende aktiv vorantreiben, wird auch entscheidend sein für einen Großteil der deutschen Exportwirtschaft.

 

In diesem Kontext hat sich das Bezirksamt auf den Weg gemacht und viele verschiedene Einzelmaßnahmen begonnen, die alle als Bausteine auf diesem Weg gelten.

 

Dazu gehören abschließbare Fahrradboxen in einem Projekt mit der GEWOBAG für den Klausenerplatz-Kiez, die Projekte "Distribute" und "Neue Mobilität" auf der Mierendorffinsel, das Projekt Innovationscluster Mobilität in den Kantgaragen, die Bemühungen gemeinsam mit DB Schenker einen ersten Logistik-Hub am Bundesplatz aufzubauen, die Bemühungen mit der BVG am Hardenbergplatz und am Bahnhof Jungfernheide Mobilitätshubs zu errichten.

 

Gemeinsam mit der Stiftung 2Grad prüft das Bezirksamt die modellhafte Umsetzung des Verkehrskonzeptes Westend und einige andere Projekte sind noch in der Pipeline. In Vorbereitung sind BA-Beschlüsse für ein Konzept zur Förderung der E-Mobilität und des Car-Sharings sowie ein Tiefgaragenkonzept für private Baumaßnahmen.

 

Das Projekt Werkbundstadt soll erstmalig in Deutschland Car-Sharing rechtlich an jede Wohnung binden und damit den Bedarf  an privaten PKW in dieser Siedlung überflüssig machen. In Bauvorhaben wie dem Ku`Damm Karree aber auch einigen anderen reden wir über große Fahrradgaragen mit bis zu 1000 Plätzen.

 

Das Bezirksamt nutzt vielfältige Möglichkeiten zur öffentlichen diskussion über Ziele und Auswirkungen neuer Mobilitätsstrategien. So war zum Beispiel die Vorführung des Films "Bikes vs Cars" im Frühjahr dieses Jahres mit rund 100 Zuschauern ausverkauft. Im Rahmen der Veranstaltungsreihe Stadtlabor 2050 wurde das Mobilitätsthema im Mai ebenfalls mit rund 35 Gästen intensiv anhand bezirklicher Beispiele diskutiert.

 

Das alles sind kleine Schritte, die aber in der Gesamtschau dann zeigen, dass der Bezirk sich auf den Weg gemacht hat, die Mobilität der Zukunft zu ermöglichen.

 

 

 

 

Mit freundlichen Grüßen

 

 

 

Oliver Schruoffeneger

 


 

 
 

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