Drucksache - 1661/4  

 
 
Betreff: Können Charlottenburg-Wilmersdorfer Schüler auch weiterhin in unserem Bezirk zur Schule gehen?
Status:öffentlich  
 Ursprungaktuell
Initiator:CDU-Fraktion 
Verfasser:Klose 
Drucksache-Art:Große AnfrageGroße Anfrage
Beratungsfolge:
Bezirksverordnetenversammlung Beratung
16.06.2016 
59. Öffentliche Sitzung der Bezirksverordnetenversammlung Charlottenburg-Wilmersdorf von Berlin beantwortet   

Sachverhalt
Anlage/n
Anlagen:
Große Anfrage
Große Anfrage - Beantwortung

 

Wir fragen das Bezirksamt:

 

  1. Welche Entwicklung hat die Bevölkerungszahl (insbesondere die Zahl der schulpflichtigen Kinder und Jugendlichen) in den vergangen zehn Jahren im Bezirk genommen?
     
  2. Welchen Handlungsbedarf sieht das Bezirksamt hinsichtlich der Schülerzahlen für unseren Bezirk?
     
  3. Weshalb ist der Bezirk in dem von der Senatsverwaltung für Bildung, Jugend und Wissenschaft aufgelegten Schulbauprogramm nicht mit Schulen in bezirklicher Trägerschaft vertreten und war das Bezirksamt in diese Entscheidung miteinbezogen?
     
  4. Welche konkreten Pläne hat das Bezirksamt um erweiterten Raumbedarf kurz- und mittelfristig an allgemeinbildenden Schulen sicherzustellen und welchen Sanierungsbedarf in unseren allgemeinbildenden Schulen wird das bezirkliche Schulamt der Senatsverwaltung bis zum 30.06.2016 melden?
     
  5. Wie will der Bezirk angesichts seiner bisherigen Untätigkeit die Forderung nach einer zentralen Planung des Schulbaus (Bsp. Hamburg) auch in Berlin abwehren?

 

 

Zur Beantwortung Herr BzStR Schruoffeneger:

Frau Vorsteherin, meine Damen und Herren, Sie stellen mich jetzt vor die Herausforderung eine sehr umfangreiche und sehr differenzierte Thematik mit vielen Zahlen in zehn Minuten darzustellen. Man wächst ja an Herausforderungen, daher versuche ich mal das etwas zusammenzufassen und zu verdichten und über die Detailzahlen einzelner Schulen können wir dann sicherlich, so wie besprochen, im September im Schulausschuss noch mal reden.

Etwas mehr Licht, etwas mehr Exaktheit. Ja, ich bin da guter Hoffnung. Es war vor 14 Tage der aktuelle Planungstermin bei der Senatsbildungsverwaltung und in den vergangenen Jahren war das ja immer so, dass die Kritik, die Sie ja auch geäußert haben, zutraf, dass die Analysen oder Planungszahlen der Bezirke und der Senatsverwaltung weit auseinander klafften, weil die Bauvorhaben nicht berücksichtig waren. Das hat sich jetzt ein wenig gebessert. Also, in den neuen Planungszahlen sind auch die absehbaren großen Bauvorhaben schon mal enthalten. Von daher, vielleicht wird es etwas besser. Es ist auch vereinbart, dass diese Analyse jetzt jährlich fortgeschrieben wird, weil die Entwicklung der Einwohnerzahlen im Moment so rasant ist, dass es keinen Sinn mehr macht, in vier oder fünf Jahreszeiträumen zu denken, sondern man muss das jährlich überarbeiten.
 

zu 1.

Gemäß der Auswertung der Daten des Landesamtes für Statistik Berlin-Brandenburg stellt sich die Bevölkerung unseres Bezirks zum Stichtag 31.12.2006 und 31.12.2015 wie folgt dar (Schwerpunkt Gesamtzahl und Kinder und Jugendliche):

 

Bezirk

insgesamt

unter 6

6 - 15

15-18

18-20

C-W (2006)

309.421

13.052

19.001

6.685

4.907

C-W (2015)

330.468

15.304

20.697

6.849

5.282

 

Somit ist in der Altersgruppe 6 bis 15 Jahre ein Zuwachs von 1.696 Personen zu verzeichnen und in der Altersgruppe 15-18 Jahre von 164 Personen.

 

Das wird klar, wenn man sich das anguckt, 10 % ist eine ziemlich dramatische Entwicklung und die wird mit dem Jahr 2015 nicht abgeschlossen sein, sondern alle Prognosen laufen darauf hinaus, dass das so weiter geht.
 

zu 2.

In will mich jetzt in der folgenden Beantwortung in den Details auf die Grundschulen konzentrieren, weil da wird das Problem am ehesten evident.

 

Die Senatsverwaltung rechnet uns vor, dass wir z. Z. ein Überangebot von rund sieben Zügen haben. Rein rechnerisch ist das so. Aber das ist eben eine reine Theorierechnung am Schreibtisch. Man zählt alle Plätze zusammen, man zählt die Kinder und kommt dann zu diesem Ergebnis. Das ist nicht so einfach, die einfach über den Bezirk zu addieren, sondern das man das sehr viel kleinteiliger betrachten muss, fällt dabei unter den Tisch. Deswegen steige ich gleich noch mal in die einzelnen Regionen ein.

 

Die Senatsverwaltung geht davon aus, dass bis zum Jahr 2021/2022 wir bei einem Defizit in Höhe von drei Zügen landen werden. Auch das wäre noch händelbar. In der Realität fehlen dabei zwei Zahlen. Es fehlt eine Prognose, wie sich die Altersstruktur entwickelt, also es gibt einfach Quartiere, die haben jetzt ein sehr hohen Altersdurchschnitt. Da wird es eine Umschichtung geben, dann wird sich auch hier die Zahlen der Schülerinnen und Schüler noch mal anders entwickeln. Und die Senatsverwaltung geht bei ihren Prognosen davon aus, dass die durchschnittliche Nutzung der Schulplätze in einer Region Prozentual so bleibt, wie sie jetzt ist. Wir haben viele Regionen, da kommen in der Einzugsschule nur 60 % der Kinder in dem Einzugsgebiet an. Die anderen gehen woanders hin. Da hab ich die Befürchtung, das wird nicht so bleiben. Weil mit dem zunehmenden Platzmangel in allen Regionen und in allen Bezirken, wird das Ausweichen in andere Regionen einfach nicht mehr so einfach sein. Deshalb werden die auch bei uns ankommen.
Diese beiden Entwicklungen sind hier nicht prognostiziert.

 

Die Senatsverwaltung setzt ferner voraus, dass all das, was wir in unserer Investitionsplanung haben, auch umgesetzt wird. Also, das was so als Plan des Bezirk für die nächsten Jahre steht, nehmen die schon mal als gegeben und kommen dann zu dem Ergebnis, dass wir in der Region Charlottenburg-Nord im Jahr 2025 ein Defizit von rund 100 Plätzen, also 0,6 bis 0,7 Zügen haben werden.
Sie kommt zu dem Ergebnis, dass wir in Charlottenburg-City ein Defizit von 620 Plätzen, also 3,9 bis 4,3 Züge haben werden. Da macht die Senatsverwaltung uns den Vorschlag, dass Problem im Wesentlichen dadurch zu lösen, dass wir die Einzugsgebiete verändern und die Region Charlottenburg-City anders schneiden. Zwei Schulen, davon die Region Charlottenburg-West zu schlagen, um dort die Überkapazität zum Ausgleich zu nutzen. Ich mach da mal ein großes Fragezeichen, ob das von den Raumstrukturen her sinnvoll ist?

Für die Region Charlottenburg-West prognostiziert man ein Überschuss von zwei Zügen, 300 Plätzen. Für die Region Wilmersdorf City ein Defizit von 0,7 Zügen und für Region Schmargendorf-Grunewald ein Defizit von 0,7 bis 0,8 Zügen.

Angesichts dieser Zahlen, die in jeder Region, bis auf die Region 3, relativ einfach händelbar erscheinen, hat uns die Senatsverwaltung wenig Hoffnung gemacht, dass wir angesichts des Problems in Pankow oder Lichtenberg in Charlottenburg-Wilmersdorf zusätzliche Investitionsmittel oder mobile Ergänzungsbauten bekommen, sondern sie verweist uns in ihrem Schreiben, was am letzten Montag eingegangen ist darauf, dass wir schulorganisatorische Maßnahmen diskutieren sollen. Eventuell bei den Europazügen eher auf die regionalen Kinder achten sollen, also bilinguale Züge reduzieren sollen. Das ist bildungspolitisch ein interessanter Vorschlag. Und sie sagt, der Bezirk muss halt überlegen, in einzelnen Bereichen Gebäude aufzustocken oder ähnliches.

Wir haben, wie gesagt, dieses Schreiben der Senatsverwaltung am letzten Montag bekommen. Wir hatten ja schon besprochen, dass wir an hand dieser Zahlen, dass wir jetzt selber noch mal mit unseren Werten abgleichen und darüber dann im September im Schulausschuss ausführlich gemeinsam diskutieren. Wie gesagt, ich bin bei einigen der Vorschläge skeptisch.

 

zu 3.
Ist der Bezirk eingebunden in das Modellprogramm Beschleunigung von Bauvorhaben? Nein, bisher nicht. Die Senatsverwaltung hat mit uns darüber nicht kommuniziert und im Bezirk bisher lediglich zwei Oberstufenzentrum in diesem Beschleunigungsprogramm vorgesehen. Sie hat allerdings signalisiert, dass auf Wunsch der Bezirke, wenn entsprechende, konkrete Vorhaben benannt werden, hier zusätzliche Maßnahmen ins Programm aufgenommen werden könnten.

 

zu 4.
Welche konkreten Pläne hat das Bezirksamt für die Erweiterung und welchen Sanierungsbedarf haben wir gemeldet? Wir haben im SIWA-Bereich drei konkrete Baumaßnahmen abgesichert. Das ist der Campus Schmargendorf mit 2,5 Mio. Euro. Das ist die Sporthallenmaßnahme Otto-von-Guericke-Schule mit knapp 5 Mio. Euro Investitionsvolumen und das ist die Erweiterung und ergänzende Förderung und Hort in der Carl-Orff-Grundschule mit rund 300.000,-- Euro zusätzlich. Steht in der Investitionsplanung des Bezirks mit einem Beginn ab 2018, die Planung der Erweiterung Erwin-von-Witzleben-Grundschule mit einem Gesamtvolumen von 4 Mio. Euro.

 

Wir haben am Dienstag auch im Bezirksamt auch für die Vorlage des Gebäudescan beschlossen. Der kommt zu einem Ergebnis, dass im Bezirk ein Sanierungsbedarf an den Schulen in Höhe von 368 Mio. Euro besteht. Wir haben das gestern auch öffentlich gemacht und dies hat zu einer mich etwas überraschender Reaktion des Schulstaatssekretärs geführt. Wir werden darauf Morgen, Frau König und ich, gemeinsam einen Antwortbrief schreiben. Da gibt es viele objektive Fragen, die kann man klären. Also, wie wir zu bestimmten Bewertungen kommen. Was mich irritiert hat ist der Vorwurf von Herrn Rakles, dass man diese Zahlen hätte nicht öffentlich machen dürfen. Das wundert mich. Weil ich war eigentlich sehr erfreut, als der Regierende Bürgermeister angekündigt hat, innerhalb von zehn Jahren wird das alles saniert und ich glaube, dass es, wenn man es ernst meint, politisch mit zu dem transparenten Verfahren gehört, dass man über die Summen, die dann hinter einer solchen Zusage stehen, auch offen diskutiert.

zu 5.

Bisherige Untätigkeit! Naja, wer so eine Frage stellt weiß, dass er da die Antwort bekommt, dass das Bezirksamt natürlich nicht untätig war. All diese Maßnahmen, die im Schulentwicklungsplan 2012 – 2017 aufgeführt wurden (Aufstockung von Zügen etc.) sind umgesetzt. Und wie gesagt, an der Fortschreibung arbeiten wir jetzt. Sie haben dann aber auch gefragt, was das Bezirksamt gegen die Diskussion zur Zentralisierung unternimmt. Und ich will Ihnen mal aus der Morgenpost vom 24.4. einen Absatz vorlesen, der sich auf die Klausurbeschlüsse der CDU-Fraktion im Abgeordnetenhaus bezieht:

„Damit hat sich die Fraktion dafür entschieden, die Verantwortung für Schulsanierung und Neubauten in den Bezirken zu belassen. Sie will aber auch Erfolge sehen. Also, in Zukunft schneller Planung und schnelleres Bauen. Nach drei Jahren soll das neue Verfahren auf den Prüfstand, sollte es bis dahin zu keinen Verbesserungen gekommen sein sollte, will die Union die Verfassung ändern und ein gänzlich neues Modell in Angriff nehmen. Das wäre dann ein Landesamt für Schulbau.“

Ich finde es auch immer richtig, mit Forderungen zu arbeiten und auch zu sagen, Leute, wenn ihr das nicht packt, dann muss irgendwann auch strukturelle Konsequenzen ziehen. Aber zur Ehrlichkeit der Debatte gehört dazu, wenn wir die Zahlen, die wir jetzt ermitteln ernst nehmen und sagen, das soll in zehn Jahren gemacht werden. Dann heißt das, dass wir die bisherigen Mittel in der Schulbausanierung verfünffachen müssen pro Jahr. Und jeder von uns weiß, dass das weder mit dem Personal der bezirklichen Hochbauämter geht, noch einfach so über Vergaben. Das heißt, wir müssen dann massiv auch dort Aufrüsten, um überhaupt die Bedingungen zu schaffen und dann kann man nicht einfach sagen, liebe Bezirke, macht das mal, sonst nehmen wir euch die Aufgabe weg, sondern dazu muss man dann auch die Voraussetzungen schaffen. Die fehlen bisher und in diesem Sinne war es ärgerlich, dass bei dem Gebäudescan die Frage, welche Rahmenbedingungen braucht man, um das umzusetzen, nicht ermittelt wurden. Alle Bezirke gehen davon aus, dass rund 20 % der ermittelten Sanierungskosten zusätzlich benötigt werden für Planungsleistung, für Honorare. Das wäre dann noch mal ein beträchtlicher Betrag, der bisher dabei nicht erwähnt ist. Ich will es an einer Zahl deutlich machen: Hamburg hat 350 Schulen und 1.500 Stellen, die sich nur mit dem Thema „Unterhaltung der Schulen“ befassen. Berlin hat 850, knapp 900 Schulen und auch nicht viel mehr Stellen, also da ist unser größtes Problem im Moment, überhaupt die Verwaltung fit zu kriegen, um ein solches Programm zu stemmen. Ich glaube, da müssen Alle auf Landesebene noch heftig nacharbeiten, um das möglich zu machen.

 


 

 
 

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