Drucksache - 0962/4  

 
 
Betreff: Wie weiter nach dem Bürgerentscheid
Status:öffentlich  
 Ursprungaktuell
Initiator:CDU-Fraktion 
Verfasser:Klose 
Drucksache-Art:Große AnfrageGroße Anfrage
Beratungsfolge:
Bezirksverordnetenversammlung Beratung
19.06.2014 
33. Öffentliche Sitzung der Bezirksverordnetenversammlung Charlottenburg-Wilmersdorf von Berlin beantwortet   

Sachverhalt
Anlage/n
Anlagen:
Große Anfrage
Beantwortung

Wir fragen das Bezirksamt:

Wir fragen das Bezirksamt:

 

  1. Wie bewertet das Bezirksamt den Ausgang des Bürgerentscheids für den Erhalt der Kleingartenkolonie Oeynhausen unter dem Aspekt der direkten Bürgerbeteiligung?
     
  2. Welche Auswirkungen hat das Ergebnis des Bürgerentscheids auf das Handeln des Bezirksamtes?
     
  3. Welche Schritte der Kommunikation / der Einbeziehung der Bürgerinnen und Bürger plant das Bezirksamt?

 

 

Zur Beantwortung Herr BzStR Schulte:

 

Frau Vorsteherin, meine Damen und Herren, Herr Herz, erst einmal freue ich mich, dass Sie einen roten Stift verwenden, das ist ja schon mal ein gutes Zeichen.

Also, Glaubwürdigkeit, das ist in der Tat eine ganz große Frage, die mich auch in den letzten zwei Jahren sehr bewegt hat, weil ich, als ich mit diesem Thema beschäftigt war gesagt habe, dass für mich ein Bebauungsplan tatsächlich nur schwer zu unterschreiben ist, wenn er tatsächlich finanziell nicht abgesichert ist. Es gab andere, die haben das behauptet und haben es nicht umgesetzt. Und da ist die Frage, wo die Glaubwürdigkeit tatsächlich anfängt.

 

Zu 1.:

Es ist eindeutig, dass eine überwiegende Mehrheit derjenigen, die beim Bürgerentscheid in Charlottenburg-Wilmersdorf abgestimmt haben, die Kleingartenflächen der Kolonie Oeynhausen erhalten möchte. Und es ist ja auch nicht das erste Mal, es gab ja schon einmal eine Abstimmung zur Parkraumbewirtschaftung, da war es auch ein sehr deutliches Ergebnis. Insofern ist es nicht das erste Mal. In diesem Votum kommt natürlich auch eine Unzufriedenheit zum Ausdruck, dass es Investoren anscheinend rechtlich möglich ist, alles andere als normale Gewinne zu erwirtschaften, in dem sie erworbenes Land neu beplanen.

Die Firma Lorac oder Lonestar hat in einem Massengeschäft damals Grundstücke von der Post erworben und einen wirklich unverschämt unglaublich niedrigen Preis gezahlt.

Ich finde es moralisch für ein Unternehmen äußerst fragwürdig so vorzugehen und habe das auch bei meinem ersten Gespräch mit den Vertretern von Lorac deutlich vermittelt. Ich teile da auch uneingeschränkt die Kritik von Frau Rouhani, die sie in ihrer persönlichen Erklärung am 10. April 2014 zum Ausdruck gebracht hat. Doch mit einer moralischen Entrüstung ist diese Ungerechtigkeit und Sie bezeichnen Sie wirklich als Ungerechtigkeit, rechtlich leider nicht vom Tisch.

Es ist wichtig und notwendig, dass auf der Bundesebene das Baugesetzbuch angepasst wird, damit es für eine Gemeinde leichter wird, aus ökologischen und Allgemeinwohlinteressen Planungsänderungen risikofreier vorzunehmen.

Denn zur Wahrheit gehört es ja auch, dass die Planungen zum Wohnungsbau in diesem Bereich von Politikergenerationen vor uns in den 1960er Jahren vorgenommen wurden.

Heute auf der BVV wurde und darüber berichtet die Presse leider nicht vorhin mit der Konsensliste der Bebauungsplan für den Bereich Ruhwald beschlossen, auch Flächen der Post, die von den Kleingärtnerinnen und Kleingärtnern in Charlottenburg ungefähr zur gleichen Zeit gekauft wurden als die Lorac in Wilmersdorf kaufte - auch zu einem sehr niedrigem Preis.

Diese Flächen sind mit dem Beschluss heute für die kleingärtnerische Nutzung gesichert.

Hier haben sich die Kleingärtnerinnen und Kleingärtner in Charlottenburg durch Kauf beteiligt. In Wilmersdorf wurde dieser Weg abgelehnt.

Bei der Beteiligung von Bürgerinnen und Bürgern ist wichtig, dass auch wirkliche Handlungsspielräume vorhanden sind und deswegen habe ich vorhin das Beispiel des Marktes genannt.

Natürlich, wenn ein Beschluss durch einen Bürgerentscheid kommt und wir diese Handlungsoption haben, dann richtet man sich natürlich nach dem Bürgerentscheid, man muss sich danach richten. Beteiligungsprozesse haben nur dann einen Aussicht auf Erfolg, wenn Alternativen möglich sind und auch alternativ entschieden werden können. Sollen Parkplätze bestehen bleiben oder sollen sie abgeschafft werden. Hier haben wir gute Beispiele im Bereich der Stadtentwicklung, z.B. am Klausenerplatz, am Bundesplatz und beim Güterbahnhof Grunewald.

Die Auslegung von Gesetzen und rechtlichen Vorschriften als Gegenstand von Bürgerbeteiligung zu machen stößt an Grenzen: Soll Herr Engelmann die BAföG-Bezieherinnen und Bezieher über die Ermessensausübung bei BAföG-Vorschriften entscheiden lassen? Ist das eine Form der Bürgerbeteiligung, die jetzt gewünscht wird? Soll Frau König mit den Eigentümerinnen und Eigentümern von Ferienwohnungen über die Anwendung der Zweckentfremdungsverbotverordnung ein konsensuales Ergebnis finden? Wenn das mit Ja beantwortet wird, dann wäre das eine interessante Beantwortung, aber ich glaube, dass wir das nicht wollen und es auch nicht sein kann, dass wir solche Formen der Beteiligung auch tatsächlich umsetzen.

 

Deswegen funktioniert auch nicht, was die Kleingärtnerinnen und Kleingärtner jetzt auf ihrer Website als ihre Art der Bürgerbeteiligung einfordern: Sie lehnen eine Einwohnerversammlung als Alibiveranstaltung ab und schreiben:

"Mit uns reden kann man auch mit weniger Aufwand, z.B. könnte man die Fragen an den Gutachter, die Gutachterauswahl, die Frage der Beantragung der Berufung zu dem VG-Urteil (.) und einiges mehr mit uns besprechen."

Diese Entscheidungen muss und darf die Verwaltung nur nach Recht und Gesetz und nicht auf Zuruf treffen.

Natürlich muss sie in solchen Fällen darüber auch auf Wunsch ausführlich informieren, warum welche Entscheidungen wie gefällt wurden.

 

Zu 2.:

Am Tag nach dem Bürgerentscheid habe ich Herrn Senator Nußbaum geschrieben, ihn über das Ergebnis informiert und ausgeführt: "Das Ziel, in diesem Bereich Kleingärten zu erhalten, wird vom Bezirksamt und der Bezirksverordnetenversammlung vollumfänglich mitgetragen, zudem weist der Flächennutzungsplan diese Fläche als Kleingartenfläche aus."

In einem Schreiben der Fraktionsvorsitzenden der BVV, also von Ihnen an den Präsidenten des Abgeordnetenhauses vom 12. Februar 2014 heißt es : "Für eine unmittelbare Fortführung des Bebauungsplanverfahrens muss gesichert sein, dass die Landesebene mögliche Entschädigungs- oder Übernahmeansprüche trägt, da hierfür im bezirklichen Haushalt keine Deckung vorliegt."

Und im Brief an den Senator Nussbaum weiter:

"Diese Absicherung wurde bisher durch Sie abgelehnt. Angesichts des nunmehr erfolgten eindeutigen Votums der Bürgerinnen und Bürger bitte ich Sie dringend, Ihre Haltung zu überdenken.  Da das weitere Vorgehen von Ihrer Antwort abhängt, bitte ich um eine zeitnahe Beantwortung."

 

Eine Antwort auf das Schreiben, das alle hier mittragen, das auch an die Senatoren Henkel und Müller und an den Regierenden Bürgermeister in Kopie ging, ist bisher nicht erfolgt.

Es liegt aber nunmehr die Beantwortung einer Anfrage des Abgeordneten Evers vor. In der Beantwortung durch den Senat heißt es - ganz aktuell:

"Es liegt allein in der Zuständigkeit des Bezirks, Chancen und Risiken einer Umsetzung des Bürgervotums in die verbindliche Bauleitplanung abzuwägen.

Seiner haushaltsrechtlichen Verantwortung entsprechend wird er auch Vorsorge für etwaige daraus resultierende finanzielle Belastungen zu treffen haben."

Eine Hilfestellung und Unterstützung sieht anders aus.

 

Herr Verrycken hat mit Datum vom 18. Juni 2014 folgende Kleine Anfrage eingebracht, nachdem Herr Nussbaum ja nicht geantwortet hat:

"Welche Auswirkungen hat das Ergebnis des Bürgerentscheids zur Zukunft der Kolonie Oeynhausen im Bezirk Charlottenburg-Wilmersdorf auf die Positionierung des Senats, dem Bezirk keine Absicherung für den Fall einer Entschädigung des Investors zu gewährleisten?"

Insofern werden wir hierzu auch bald eine Positionierung des Senats haben. Und wenn der Senat sagt, ja ich mach es, dann wäre ich der Allerletzte, der nicht den Bebauungsplan unterschreiben würde, das will ich auch noch einmal ganz deutlich sagen.

 

Zudem hat das Bezirksamt eine Anregung aus der AG Oeynhausen aufgegriffen, ein rechtliches Gutachten, und das ist auch kein Auftrag, wie es in der Presse kommuniziert wird, die ich irgendwie selbst getroffen habe, ein rechtliches Gutachten zu der Frage der Höhe der Entschädigung in Auftrag zu geben. Das war das Ergebnis der Diskussion. Sowohl bei der Wahl des Gutachters als auch bei den Fragestellungen wurden die Fraktionen einbezogen und hatten Gelegenheit auch nachträglich noch Fragestellungen nachzureichen. Davon hat eine Fraktion Gebrauch gemacht, trotz der Ankündigung, dass es mehrere Fraktionen sein würden, hat nur eine Fraktion davon gebrauch gemacht, nämlich die Fraktion Bündnis 90/ Die Grünen.

 

Dieses Gutachten liegt seit Montag, dem 16. Juni nachmittags vor und wird gerade ausgewertet. Nun liegt es in der Natur der Sache, dass ein Diskutieren dieses Gutachtens in der Öffentlichkeit natürlich von den Eigentümern sehr genau verfolgt würde um zu überlegen, wie man die Investorenposition stärken kann. Wenn die Mehrheit der BVV meint, die vereinbarte Vertraulichkeit nicht mehr einhalten zu wollen und durch eine Veröffentlichung eines Gutachtens in dieser Frage zu dieser Zeit zwar Transparenz herstellen zu wollen, aber leichtfertig riskieren will, unsere Position ggf. zu schwächen, werde ich das Gutachten veröffentlichen, sage aber hier auch deutlich, dass ich solch ein Vorgehen für einen absoluten Fehler halten würde, da wir uns wirklich in einem laufenden Verfahren befinden. Insofern würde ich mich freuen, wenn die Fraktionen mir eine Rückmeldung bis zum nächsten Ausschuss für Stadtentwicklung geben, damit dann auch dementsprechend ggf. das Gutachten veröffentlicht werden kann und ich werde das im Ausschuss für Stadtentwicklung auch noch mal nachfragen.

Besonders überrascht und entsetzt bin ich darüber, dass am Dienstag bereits Medienanfragen bei mir eingingen, die vermeintliche Details des Gutachtens referierten und mich hierzu um meine Meinung baten. Heute findet sich bereits ein Artikel in den Zeitungen, wo auch vermeintliche Details zitiert werden. Das Bezirksamt und das hab ich auch mit Herrn BzBm Naumann abgesprochen, wird in einer seiner nächsten Sitzungen sehr genau darüber zu diskutieren haben, was diese Weitergabe von vertraulichen Informationen für Folgerungen in der Praxis der Weitergabe von vertraulichen Informationen an die BVV bedeutet.  
Die BVV ist Bestandteil der Verwaltung und es gibt Spielregeln, an die man sich zu halten hat und wenn man etwas vereinbart, muss man sich daran halten.

Für das Protokoll stelle ich fest, dass die Piraten nicht geklatscht haben.

 

Das ist wirklich wichtig, wie sollen wir dann auch eine Diskussion tatsächlich auch führen, vielleicht über sensible Fragen, wenn wir bestimmte Vereinbarungen nicht einhalten. Man kann ja dann auch eine andere Entscheidung treffen, ich habe es ja gesagt, dann kann ja so ein Gutachten auch veröffentlicht werden.

Im Bezirksamt haben wir beschlossen, den Vorschlag des Gutachters aufzugreifen und werden ein Wertermittlungsgutachten beauftragen.

 

Hierzu werden gerade Angebote eingeholt. Über diesen Verfahrensschritt wurden die Fraktionen vorab informiert.

Am Dienstag haben wir zudem im Bezirksamt einstimmig entschieden, dass die Zulassung zur Berufung beantragt wird. Der Antrag wurde gestern gestellt. Für das Einreichen der Begründung haben wir nunmehr noch einen Monat Zeit. Allein dieser Verfahrensschritt kostet das Bezirksamt über 30.000 Euro, falls wir mit dem Antrag auf Zulassung scheitern sollten aufgrund des hohen Streitwertes.

Wir haben auch die Landesebene gebeten, die zuständige Mitarbeiterin uns auch noch mal sozusagen Futter zu geben, weil es ja die Widerspruchsbehörde ist, sie haben uns auch geantwortet und mitgeteilt, dass sie uns aus Kapazitätsgründen keine Zulieferung geben können und uns keine Argumente liefern können. Wohlbemerkt von der zuständigen Mitarbeiterin, die das Widerspruchsverfahren geführt hat, auch das zeigt nicht so, als ob der Senat nun tatkräftig hier uns unterstützen würde.

Es kam jetzt gerade ein Zuruf, ob es SPD sei. Ja - ist richtig. Aber es ist auch die CDU an der Regierung und insofern ist die Frage, ich warte auf Initiativen sowohl der SPD als auch der CDU. Die kommen nicht und ich habe sie auch noch nicht angekündigt bekommen. Ich bin selbst Mitglied im zuständigen Arbeitskreis der Abgeordnetenhaus-Fraktion, wo ich das auch noch einmal eingefordert habe und dort wurde mir signalisiert, dass weder die CDU noch die SPD beabsichtigen, solche Einträge einzubringen. Wenn sich das ändern würde, wenn tatsächlich Herr Evers nicht nur heiße Luft machen würde und endlich einen Antrag einbringen würde, dann wäre ja was gewonnen. Insofern würde ich mich freuen, wenn so etwas mal passieren würde.

 

Solange es keine Entscheidung der Landesebene zur Risikoübernahme gibt, solange die BVV als Haushaltsgesetzgeber die Übernahme des Risikos nicht endgültig abgelehnt hat, solange besteht noch eine Hoffnung, dass der Bebauungsplan zur Sicherung der Kleingärten festgesetzt werden kann. Deswegen wiederhole ich das, was ich hier und im Ausschuss schon mehrmals gesagt habe: Sollten Bauvorbescheide, Baugesuche oder Bauanträge für Oeynhausen eingehen, werde ich diese zum jetzigen Zeitpunkt zurückstellen lassen.

Klar ist aber auch, dass wir in dieser Frage nicht willkürlich handeln dürfen. Deswegen wird das Bezirksamt auf eine Antwort des Senats und auch von Ihnen als BVV drängen, um dann, und ich wiederhole, dann in Folge einer positiven Entscheidung entweder vom Land oder vom Haushaltgeber BVV eine Veränderungssperre zu erlassen, um den Bebauungsplan zur Sicherung der Kleingärten festsetzen zu können. Denn nur bei einer positiven Beantwortung gäbe es einen Anlass für eine Veränderungssperre.

Um jetzt eine Veränderungssperre zu verhängen, dafür fehlt ein Anlass, da sich die Sach- und Rechtslage durch den Bürgerentscheid nicht geändert hat.

 

Eine Veränderungssperre verändert in keiner Weise die Erfolgsaussichten für den Antrag auf Zulassung der Berufung, da für den im Verfahren stehenden Antrag auf Bauvorbescheid dieses Mittel schlicht und einfach nicht mehr greift. Dieser Schritt hätte weitaus vorher gemacht werden müssen. Er ist damals versäumt worden.

Und genau so deutlich soll es hier gesagt werden: wenn es nur negative Rückmeldungen gibt und wir mit dem Antrag auf Zulassung der Berufung vor dem OVG nicht Erfolg haben sollten, oder mit der Berufung nicht erfolgreich sind, werden wir die Zurückstellung auch wieder aufheben müssen.  

 

Zu 3.:

Die Sitzungen der BVV und ihrer Ausschüsse sind öffentlich und erfreuen sich beim Thema Oeynhausen auch immer eines großen Zuspruchs von Bürgerinnen und Bürgern. Auch Presse und Fernsehen berichten ausführlich über das Thema. Insofern sehe ich im Moment keinen besonderen Bedarf, hier weitere Schritte vorzunehmen, da eine Einwohnerversammlung von den Kleingärtnerinnen und Kleingärtnern ja wie vorhin erwähnt explizit abgelehnt wurde.

Herzlichen Dank.

 

 

 


 

 
 

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