Auszug - Erhöhte Fallzahlen von Kindeswohlgefährdung auch in Charlottenburg-Wilmersdorf?  

 
 
37. Öffentliche Sitzung der Bezirksverordnetenversammlung Charlottenburg-Wilmersdorf von Berlin
TOP: Ö 8.3
Gremium: Bezirksverordnetenversammlung Beschlussart: beantwortet
Datum: Do, 18.09.2014 Status: öffentlich
Zeit: 17:00 - 21:10 Anlass: ordentliche Sitzung
Raum: BVV-Saal
Ort: Otto-Suhr-Allee 100, 10585 Berlin
1010/4 Erhöhte Fallzahlen von Kindeswohlgefährdung auch in Charlottenburg-Wilmersdorf?
   
 
Status:öffentlich  
 Ursprungaktuell
Initiator:SPD-Fraktion 
Verfasser:Wuttig/Neuhoff/Fortong 
Drucksache-Art:Große AnfrageGroße Anfrage
 
Beschluss


 

Zur Beantwortung Frau BzStR'in Jantzen

 

Sehr geehrte Frau Vorsteherin, sehr geehrte Damen und Herren, lieber Herr Neuhoff. Ich bin auch ganz froh über die Anfrage, dass das Thema hier heute Abend diskutiert wird und zur Sprache kommt. Stellt sich ja alles etwas differenzierter dar, was Sie angesprochen haben.

Ich möchte zunächst darauf hinweisen, dass die Zahl der Kinderschutzmeldungen wie auch der Inobhutnahmen berlinweit, das ist schon angedeutet worden, wie auch bundesweit seit einigen Jahren kontinuierlich steigt und ein Grund dafür ist sicherlich auch die Sensibilisierung der Bürger/-innen, auch durch die Aktivitäten, mehr Öffentlichkeitsarbeit, Werbung für frühen Hilfen, sowohl im KJGD als auch im Jugendamt, die einfach die Leute aufmerksam macht und wir gucken genauer hin und das finde ich erst einmal positiv für die Kinder und Familien in unserer Stadt.

zu 1.

Das Jugendamt erhebt im Rahmen der Kosten- und Leistungsrechnung und der Bundesstatistik Meldungen über die Kindeswohlgefährdung und da stellen sich die Meldungen wie folgt dar:

2012 waren es 427, 2013 waren es 483 und 2014 im ersten Halbjahr 516. Sie müssen jetzt nicht erschrecken, weil das z. T. auch was damit zu tun hat, dass in dem letzten Jahr für 2014 über die Zählweise der Fälle im RSD und bei Meldungen viel diskutiert wurde unter den Jugendämtern, was da auch eine Angleichung gegeben hat, d. h. also, dass 2014 wir eine erhöhte Zahl von Fällen haben. Da werden jetzt eben auch Sachen gezählt, wo nur für kurze Zeit ein Kind gemeldet war. Das gilt auch für die nächsten Zahlen, die ich Ihnen hier melde.
 

Einer Kinderschutzmeldung folgt eine Abschätzung einer möglichen Gefährdung und die Initiierung ggf. notwendiger Einzelheiten der Schritte im Vier-Augen-Prinzip, d. h. es sind immer zwei Fachkräfte an der Einschätzung und an der Überlegung, welche Maßnahmen sind, beteiligt. Im Ergebnis zeigt sich dann, dass die Zahl der Meldungen nicht immer identisch ist mit den tatsächlichen Gefährden oder gar sehr akuten Gefährdungen, wo ein Kind aus einer Familie rausgenommen werden müsste. In der Mehrzahl der Fälle wird aber durchaus eine Hilfebedürftigkeit und Unterstützungsnotwendigkeit für die Familien festgestellt, die dann auch eingeleitet werden.

 

Zu 2.

Bei den Inobhutnahmen, die Zahlen, die ich jetzt Ihnen nenne, resultieren nicht alleine aus den Kinderschutzmeldungen, sondern kommen z. T. auch aus den laufenden Betreuungen der Familien durch unsere Sozialarbeiter. Da hatten wir 2012 102, 2013 58 und 2014 bis Juni 2014, also auch im ersten Halbjahr 23.
Diese vergleichsweise niedrigen Zahlen für die Jahre zeigen, dass einerseits die Sozialarbeiter des RSD gut vernetzt sind und viele Bedarfe von Familien in den Sozialräumen auch frühzeitig erkennen und dass die Familien auch oft bereit sind, die Hilfen, die Ihnen angeboten werden, in Anspruch zu nehmen, so dass diese Meldung bzw. Inobhutnahmen nicht erforderlich waren.

 

Also, die Zahlen bei uns sind im Vergleich niedrig. Das hat, außer der Arbeit vom RSD und auch bei den frühen Hilfen im KJGD auch was mit der insgesamt guten sozialen Lage unseres Bezirks zu tun aber auch mit der guten sozialen Infrastruktur, die wir im Bezirk ja, trotz aller Schwierigkeiten aufbauen. Das sind einmal die bereits erwähnten frühen Hilfen. Das Haus des Säuglings, wir haben das Haus der Familie und weitere Einrichtungen der Familienförderung bis zu den Einrichtungen der Jugendarbeit in öffentlicher und freier Trägerschaft.

zu 3.

Es ist häusliche bzw. partnerschaftliche Gewalt, Vernachlässigung, Versagen der Eltern, Misshandlungen, sowohl seelisch als auch körperlich. Eine Zuarbeit vom Kinder- und Jugendgesundheitsdienst, der Abteilung Gesundheit, die uns heute etwas später erreicht hat und die in meiner Antwort so direkt eingepflegt worden ist, nennt dann noch natürlich besondere Gefährdungen Psychische und Suchterkrankungen von Eltern, die einfach das Risiko erhöhen.
 

Zu 4.

Die Einzelfall unabhängige Kooperation basiert auf folgenden Regelungen: Mit dem Gesundheitsamt, den Jugendhilfeträgern und der Charité gibt es Kooperationsvereinbarungen im Rahmen des Netzwerks Kinderschutz, die auch regelhaft gelebt werden. Für Kitas und Tagespflegestellen und Schulen gibt es Handlungsleitfäden zur Zusammenarbeit mit dem Jugendamt bei Verdacht auf Kindeswohlgefährdung und mit den Schulen und den Tagespflegestellen sind diese Handlungsleitfäden in allen unser fünf Regionen auch genauestens erörtert worden. Die Träger von Kindertageseinrichtungen machen dies in ihrer eigenen Zuständigkeit. Für kleine Träger, die über keine eigene insoweit erfahrene Fachkraft, das ist der Begriff für die Fachkräfte, die man zur Hilfe und zu Rate zieht, wenn man einen Verdachtsfall in der Einrichtung hat, sei es eine Kita oder eine Jugendeinrichtung, also für diejenigen, die das in ihrem eigenen Bereich nicht haben, gibt es beim Jugendamt die Möglichkeit Unterstützung zu bekommen.

Mit den an dem familiengerichtlichen Verfahren beteiligten Professionen finden zweimonatliche interdisziplinäre Arbeitskreise und mit der Polizeidirektion 2 gibt es ebenfalls eine Kooperationsvereinbarung und regelmäßige jährliche Treffen. Die Zusammenarbeit in Einzelfällen funktioniert gut. Niedergelassene Ärzte suchen dabei die Zusammenarbeit, allerdings nur selten, was auch damit zu tun hat, dass die in ihren Abrechnungen für solche Zusammenhangsarbeiten für Kooperation ja überhaupt nichts drinhaben, im Gegensatz zu uns, die wir zumindest in dem Fall unabhängigen Mitteln für den Fall unabhängige Arbeit für Vernetzung wenigstens ein wenig was an Ressourcen zur Verfügung haben.

Der Kinder- und Jugendgesundheitsdienst lädt die Ärzte zum regelmäßigen Austausch ein, dazu ist auch das Jugendamt eingeladen. Bedenken, dass die Zusammenarbeit zwischen Jugendamt, Kinderärzten, Kliniken, Zentrum für sexuelle Gesundheit, Schulen, Kitas und Familienhebammen und alle die, die in dem frühen Netzwerk und im Netzwerk Kinderschutz zusammenarbeiten, eine positive Bilanz aufweist. Die Sensibilisierung und die Öffnung des Themas Kinderschutz ist durch viel Öffentlichkeitsarbeit wirksamer geworden und es ist eine Verbesserung der Kooperation und Zusammenarbeit bei den beteiligten Professionen zu erkennen. Festzustellen, es gibt natürlich immer noch Verbesserungsbedarf.

 

Da gibt es Vorschläge aus beiden Bereichen, über die man sich auch weiter austauschen kann, weil nichts kann man nicht auch noch besser machen.

zu 5.

Wenn Sie mit der Frage eine Antwort darauf wissen wollen, dass das Jugendamt eingehende Meldungen zu den möglichen Kindeswohlgefährdungen im erforderlichen Standard abarbeiten kann, so können wir dies bejahen. Abgesehen von punktuellen Personalengpässen und wenn es, wie wir alle wissen, noch keine 100% ige Sicherheit gibt, wir die nicht garantieren können. Das ist zum einen der guten fachlichen Qualifikation der Sozialarbeiter geschuldet. Es findet kollegiale Fallberatung statt, Fortbildungsmöglichkeiten, Supervision im Einzelfall und wir achten auch auf die Organisation und wertschätzen die Arbeit unserer Mitarbeiter und bringen das auch zum Ausdruck. Kinderschutz ist aber nicht allein das Abarbeiten von eingehenden Meldungen, sondern heißt natürlich, dass man in der laufenden Arbeit mit den Familien zugewandt, stringent und transparente Kooperation mit den Eltern, den Kindern und den Jugendlichen pflegt, Zeit für Beratung hat, die differenzierte Diagnostik machen kann und eine zielgenaue Hilfeplanung machen kann. Und diese auch immer wieder überprüfen und dies in Zusammenarbeit mit den freien Träger, mit den anderen Abteilungen und allen Kooperationspartnern, die da sind. Es wird immer häufiger Stellungnahmen gegenüber Familiengerichten abgegeben, die Kooperationspartner in Einzelfällen und insgesamt im Bezirk werden mehr und das nimmt dann auch Ressourcen für die Kinderschutzarbeit und manchmal kann es dann auch passieren, dass die Mitarbeiter das nicht in der Qualität, die sie selber für richtig halten, auch die Meldungen und die Betreuung der Familien gewährleisten können. Und das macht natürlich auch was mit unseren Mitarbeitern, das die einfach eine andere Arbeit machen wollen, auch für die Familien und die Kinder hier und das dann nicht schaffen.

 

Insofern kann ich sagen, dass das Jugendamt für alle Aufgaben, die es zu gewährleisten hat und Priorität hat dann immer der Kinderschutz, das hat Vorrang, da bleiben andere Sachen manchmal liegen, also für alles insgesamt die entsprechende Ausstattung vor dem Hintergrund steigender Fallzahlen hat und auch der wachsenden Bevölkerung, Stichwort: Wachsende Stadt, dass wir von einer Mindestausstattung ausgehen müssen und dringender Verbesserungsbedarf aus unserer Sicht besteht.

Da das, wie Sie wissen, nicht nur in Charlottenburg-Wilmersdorf so ist, sondern in allen Bezirken und auch in anderen Bereichen unseres Bezirksamt, hat die Senatsbildungsverwaltung mit den Jugendstadträten eine Maßnahmeplanung zur Sicherung der nachhaltigen Aufgaben "Erfüllung der Berliner Jugendämter" aufgelegt, also ein Projekt dazu aufgelegt mit Zielstellung und Arbeitsgruppen eingerichtet. Die Ergebnisse sollen zum Jahresende vorliegen. Wir hatten im Jugendhilfeausschuss darüber schon berichtet und werden auch über Zwischenergebnisse oder die Ergebnisse zum Jahresende hier berichten und auch wie ggf. auf Landesebene da weiter verfahren werden muss oder sollte. Danke.

 

 
 

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