Drucksache - 0921/4  

 
 
Betreff: Situation der Kolonie Oeynhausen nach dem Urteil des Verwaltungsgerichts Berlin
Status:öffentlich  
 Ursprungaktuell
Initiator:SPD-Fraktion 
Verfasser:Wuttig/Al Abed 
Drucksache-Art:Große AnfrageGroße Anfrage
Beratungsfolge:
Bezirksverordnetenversammlung Beratung
22.05.2014 
32. Öffentliche Sitzung der Bezirksverordnetenversammlung Charlottenburg-Wilmersdorf von Berlin beantwortet   

Sachverhalt
Anlage/n
Anlagen:
Große Anfrage
Beantwortung

Wir fragen das Bezirksamt:

 

Wir fragen das Bezirksamt:

 

  1. Wie bewertet das Bezirksamt das Urteil des Verwaltungsgerichts Berlin vom 09. Mai 2014, Az. VG 19 K 177.12 im Hinblick auf die Möglichkeit, die Kleingartenkolonie Oeynhausen ganz oder teilweise zu erhalten?
     
  2. Welche Konsequenzen hätte das Urteil nach derzeitigem Kenntnisstand, wenn nunmehr eine Festsetzung der Fläche als Kleingärten durch Bebauungsplan erfolgen würde?
     
  3. Wie bewertet das Bezirksamt den Umstand, dass das Verwaltungsgericht den Bezirk Charlottenburg-Wilmersdorf zur Übernahme der Erschließungskosten für das streitgegenständliche Bauvorhaben verurteilt hat?

 

 

Zur Beantwortung Herr BzStR Schulte:

 

Frau Vorsteherin, meine Damen und Herren,

die Große Anfrage beantworte ich im Namen des Bezirksamtes wie folgt:

 

Zu 1.:

Als Vorbemerkung möchte ich nur kurz darauf hinweisen, dass uns das schriftliche Urteil noch nicht vorliegt, so dass Aussagen an dieser Stelle auch solche der spekulativen Art darstellen.

 

Zwischenfrage BV Rouhani:
Das Verwaltungsgericht hat an die Parteien das Urteil ausgesandt am 20.5.
Bei Herrn Dr. Haas lag es gestern vor, Sie können es per Fax anfordern vom Gericht. Haben Sie das getan?

Frau Stückler:
Frau Rouhani, wir möchten erst einmal zuhören. Dann gibt es die Möglichkeit, drei Nachfragen zu stellen.

 

Beantwortung Herr BzStR Schulte:

Frau Rouhani, das ist genau das, was ich immer so interessant finde, weil ich kann nur sagen, es ist bei uns nicht im Posteingang eingegangen, weder gestern noch heute. Natürlich wäre ich sehr dankbar gewesen, wenn es heute eingegangen wäre. Es ist aber nicht eingegangen. Und wenn Sie mir jetzt damit wieder sagen, ich würde so ein Urteil nicht registrieren so ein Urteil, ich weiß nicht, was solche Nachfragen sollen. Ich kann Ihnen nur sagen: "Das Urteil liegt mir nicht vor!"

Die schriftliche Beurteilung geht dann an meine Abteilungsjuristen und ich habe ihn natürlich heute nach dem Posteingang gefragt, ob das Urteil eingegangen und insofern ist es nicht eingegangen. Das ist auch eine Erfahrung, die wir immer haben, dass der Postablauf an der Poststelle immer sehr viel länger dauert und ich finde, dass man das dann mal abwarten muss und ich gehe dann davon aus, dass es hoffentlich Morgen eintrifft. Insofern ist es auch eine Bitte, vielleicht auch mal an die Abteilung von Frau König, dass die Postabläufe etwas schneller gehen.

 

Sollte das am 9. Mai, also vor knapp zwei Wochen, ergangene Urteil des Verwaltungsgerichtes Berlin rechtskräftig werden, ist davon auszugehen, dass die Lorac dann - gerichtlich belegt -  in bauplanungsrechtlicher Hinsicht über umfassendes Baurecht zur Errichtung des Vorhabens verfügt, das sie in das Bauvorbescheidsverfahren vom Februar 2011 eingestellt hatte, also eine Vollbebauung der gesamten privaten Fläche der Kolonie Oeynhausen.

Insoweit war und ist bei den Planungen der Eigentümerin nur von einer einzigen Abweichung bezüglich der Bauweise auszugehen, ansonsten stellt sich das Bauvorhaben wohl als plankonform dar. Diesbezüglich ist das Verwaltungsgericht Berlin nunmehr zu der Erkenntnis gelangt, dass ein Rechtsanspruch auf die erforderliche Ausnahme besteht, da dem Bauvorhaben keine städtebaulichen Gründe entgegen stehen. Wenn wir das also richtig verstanden haben, heißt es, dass wir hier tatsächlich auch diese Frage positiv beantworten müssen. Das müssen wir aber noch mal im schriftlichen Urteil nachlesen.

Außerdem  hat das Gericht festgestellt, dass von einem zumutbaren Erschließungsangebot der LORAC auszugehen ist und die öffentlich-rechtliche Erschließungslast durch Passivverhalten auf das Land Berlin übergegangen ist, da keine Verhandlungen zum Vertragsabschluss aufgenommen wurden und keine Ablehnung des Erschließungsangebots erfolgte. Die  Erschließung wäre damit als gesichert anzusehen im Sinne des BauGB. Damit stünde das Vorhaben vollkommen in Einklang mit dem BauGB. Und dies finde ich auch noch mal wichtig im Zusammenhang, wie oft und wie lange wir hier über die Frage der Erschließung geredet haben, dass das Gericht, wenn dieses Urteil rechtskräftig wird, bestätigt hat.

 

Zu der Fragestellung, ob auch eine Kompromisslösung (seinerzeit ausgehandelt: 50%ige Bebauung und dauerhafter Erhalt der Restfläche für eine Kleingartennutzung) noch möglich wäre, kann ebenfalls nur spekulativ Stellung bezogen werden. Das gerade dargestellte Szenario ließe sich für die LORAC sehr zeitnah abschließen, mündend in eine Baufreigabe nach § 63 BauO Bln oder in eine Baugenehmigungserteilung gemäß § 64 BauO Bln.

Würde man an dieser Stelle etwas anderes planen, wie es z.B. der ausgehandelte Kompromiss vorgesehen hatte, so würde ein Planerfordernis begründet. Es müsste dann ein neues Bebauungsplanverfahren durchgeführt werden mit allen Verfahrensschritten und der späteren Möglichkeit der Normenkontrolle und parallelen Anfechtung von Verwaltungsakten bzw. Baufreigaben, die auf Grundlage des Plans ergehen würden.

Unabhängig davon, dass dies einen Zeithorizont von mindestens zwei Jahren in Anspruch nehmen würde, wäre dies natürlich auch mit einer sehr großen Rechtsunsicherheit für die Eigentümerin verbunden, was die späteren Anfechtungsmöglichkeiten angeht, die dann neu eröffnet würden.

Zudem müsste sie bei einem solchen Verfahren mit dem Land Berlin einen städtebaulichen Vertrag/einen Erschließungsvertrag bzw. einen Durchführungsvertrag abschließen, in dem ihr weitere Verpflichtungen auferlegt würden und die sie Geld kosten würde (z. B. Errichtung einer KITA; flankierende Maßnahmen hinsichtlich des Grundschulbedarfs, etc.). Das wäre bei einer Vollbebauung der Fläche nicht der Fall, da ein Rechtsanspruch auf baurechtliche Legalisierung bestünde.

 

Aufgrund dessen erscheint es unwahrscheinlich, dass die LORAC jetzt noch ein Interesse nach einer solchen  planungsrechtlichen Lösung aufbringen würde. Das ist bitter, aber das ist leider die Konsequenz aus diesem Urteil.

 

Zu 2.:

Nach jetzigem Kenntnisstand würde dies die Entschädigung nach § 42 Abs. 2 BauGB auslösen, wenn wir jetzt tatsächlich den Plan festsetzen und die Fläche als Kleingarten festsetzen. Zudem würde bei einem rechtskräftigem Urteil der Eigentümerin zudem potenzielles Baurecht zur Vollbebauung der Fläche entzogen werden, da das Bauplanungsrecht vollkommen geklärt wäre, die erforderliche Ausnahme als erteilt gelte und die Erschließung als gesichert anzusehen ist. Dass der Finanzsenator bisher eine Deckung des Entschädigungsrisikos abgelehnt hat, ist bekannt. Dass auch das Abgeordnetenhaus eine Unterstützung des Bezirkes abgelehnt hat mit einem Beschluss im März 2014, ist auch bekannt.

Dass der Finanzsenator von dieser Haltung aufgrund eines positiven Bürgerentscheids abrückt, erscheint leider und ich sage ausdrücklich leider eher unwahrscheinlich, der Versuch würde aber natürlich vom Bezirksamt am Montag, wenn der Bürgerentscheid positiv ist,  noch einmal unternommen werden.

Festzuhalten bleibt auch Folgendes: Die Ausnahme hätte bereits im Jahr 2011 erteilt werden müssen, da die Behörde selbst aktenkundig verfügt  hat, dass die für die Prüfung erforderlichen Unterlagen am 1. März 2011 vollständig vorlagen und eine unmittelbare Zurückstellung damals nach § 15 BauGB seinerzeit nicht erfolgte. Dies war ein gravierender Fehler.

 

Zu 3.:

Dazu kann erst abschließend geantwortet werden, wenn der Behörde die Urteilsbegründung vorliegt.

Nach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichtes ist es jedoch so, dass die Behörde es sich grundsätzlich zuzurechnen hat, wenn ihr ein zumutbares Erschließungsangebot vorgelegt wird und sie nicht in Vertragsverhandlungen mit demjenigen eintritt, der das Angebot eingereicht hat, oder aber das Angebot auch nicht ablehnt, sondern dazu schweigt. Dann verdichtet sich dieses "Nichtverhalten" zu einer Erschließungslast zu Ungunsten der Gemeinde.

 

Das Erschließungsangebot lag der Gemeinde im Februar 2011 vor. Die Bauvorlagen-Vollständigkeitserklärung der Behörde erfolgte am 1. März 2011; das Erschließungsangebot war Bestandteil der Bauvorlagen. Man hätte dann seinerzeit auch zeitnah solche Verhandlungen aufnehmen müssen oder aber das Angebot ablehnen müssen, wofür es letztendlich aber keine Begründung gab. Insofern stehen wir wirklich vor einer Entscheidung, die katastrophal ist, was die Rechtsposition auch angeht. Ich will auch noch mal deutlich machen, dass wir als Bezirk im Sinne der Kleingärtner, gegen diesen Bauvorbescheid auch vorgegangen sind, uns die Senatsverwaltung auch darin unterstützt hat und wir tatsächlich in diesem Verfahren versucht haben, die Interessen der Kleingärtner durchzusetzen. Das Verwaltungsgericht hat uns hierzu ein klares Nein gesagt und gesagt, das war rechtlich nicht der korrekte Weg. Dies muss man feststellen und wir stehen jetzt vor diesem Dilemma, in der dargestellten Form.

 

 


 

 
 

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