Rede des Bezirksbürgermeister Andreas Statzkowski zur Enthüllung einer Gedenktafel für Hubertus Prinz zu Löwenstein am 14.10.2001, 12.00 Uhr an dem Haus Neue Kantstr.10

Rede des Bezirksbürgermeister Andreas Statzkowski

Zur Enthüllung einer Gedenktafel für Hubertus Prinz zu Löwenstein am 14.10.2001, 12.00 Uhr an dem Haus Neue Kantstr.10

Sehr geehrte Prinzessin Helga zu Löwenstein!
Sehr geehrte Prinzessin Konstanza zu Löwenstein!
Sehr geehrter Herr Dr. Zühlsdorff!
Sehr geehrte Damen und Herren!

In diesen Tagen wird uns drastisch vor Augen geführt, dass unsere freiheitliche Demokratie keine Selbstverständlichkeit ist, dass wir für sie einstehen und sie gegen ihre Verächter und gewalttätigen Zerstörer verteidigen müssen.

In den letzten Jahren haben wir gerade hier, im Berliner Westen, in den Bezirken Charlottenburg und Wilmersdorf viele Gedenktafeln enthüllt, die uns daran erinnern, dass die Weimarer Demokratie scheiterte, weil die aktiven Demokraten am Ende nur noch eine Minderheit waren.

Hubertus Prinz zu Löwenstein gehörte zu dieser Minderheit. Als Mitglied der Zentrumspartei und Abgeordneter im Reichstag war er zugleich führendes Mitglied des Reichsbanners Schwarz-Rot-Gold. Diese Organisation wurde von der SPD, dem Zentrum und der Deutschen Demokratischen Partei gegründet, um die Demokratie zu schützen und sie gegen die Nationalsozialisten zu verteidigen.

Im April 1929 heiratete Hubertus Prinz zu Löwenstein Helga Maria Schuylenburg. Sie wurde nicht nur seine Frau, sondern auch seine engste Mitarbeiterin. Sie emigrierte mit ihm zusammen 1933 zunächst nach Österreich, später in die USA und arbeitete aktiv mit in der von ihm gegründeten Deutschen Akademie der Künste und Wissenschaften im Exil. Auf Vortragsreisen und in Interviews warb sie für das bessere, demokratische Deutschland und wurde bekannt in den USA und im freien Teil Europas.

Nach der Rückkehr der Familie nach Deutschland im Jahr 1946 baute Helga Prinzessin zu Löwenstein mit Hilfe amerikanischer Spenden ein Hilfswerk für Flüchtlinge auf. Sie ist Ehrenmitglied im Freien Deutschen Autorenverband, in der Union Deutscher Widerstandskämpfer und Verfolgtenverbände und in anderen Organisationen. Seit dem Tod ihre Mannes 1984 betreut sie seinen literarischen Nachlass.

Am 27. August hat sie ihren 91. Geburtstag gefeiert, und ich bin sehr froh, dass sie heute bei uns ist. Vielen Dank und herzlich willkommen Frau Prinzessin zu Löwenstein.

Die Gedenktafel, die wir heute enthüllen, wurde angeregt, von der Tochter Konstanza Prinzessin zu Löwenstein. Sie hat mit uns zusammen den Text entworfen, und sie teilt sich mit uns die Kosten. Herzlichen Dank dafür und herzlich willkommen.

Der 1906 auf Schloss Schönwörth bei Kufstein in Tirol geborene Hubertus Prinz zu Löwenstein studierte Rechts- und Staatswissenschaften in München, Hamburg, Genf und Berlin, wo er 1928 seine Referendarprüfung ablegte. Unter dem Eindruck des italienischen Faschismus schrieb er seine Dissertation zu dem Thema Faschismus und Demokratie und formulierte darin seine Auffassung zu einem Widerstandsrecht gegenüber inhumanen Gesetzen bis hin zu einer “Pflicht zur Revolution”.

Als Journalist setzte er sich in seinen Artikeln in der Vossischen Zeitung und im Berliner Tageblatt für die Meinungsfreiheit und für die Demokratie ein. Seit 1930 kämpfte er im Reichsbanner aktiv für die Demokratie und gegen den immer stärker werdenden Nationalsozialismus.

Mit seinen Aktivitäten zog er den Hass der Nationalsozialisten auf sich und konnte sich drohenden Repressalien nach der Machtübernahme Hitlers nur durch die Flucht nach Amerika entziehen. Am 14. März 1933 wurde die Wohnung der Löwensteins hier in der Neuen Kantstraße in Charlottenburg durchsucht. Der Vorsteher des zuständigen Polizeirviers warnte sie persönlich vor der drohenden Verhaftung.

Die Familie floh zunächst nach Österreich. Schon hier in Österreich entwickelte Hubertus Prinz zu Löwenstein den Gedanken, “ein geistiges deutsches Territorium” aufzubauen. Dafür wollte er alle Exilierten gewinnen. Am 1. November 1934 wurde die Familie von den Nazis aus Deutschland ausgebürgert. 1936 schließlich gründete Hubertus Prinz zu Löwenstein in den USA die Deutsche Akademie der Künste und Wissenschaften im Exil als geistige Vertretung Deutschlands. Er hoffte, dass diese Akademie auch politisch wirksam werden und eine Exilregierung bilden könnte.

Präsident wurde Thomas Mann, Generalsekretär Hubertus Prinz zu Löwenstein. Sigmund Freud übernahm 1938 die Präsidentschaft der wissenschaftlichen Klasse. In der Akademie arbeiteten amerikanische und deutsche Wissenschaftler, Schriftsteller und Künstler zusammen, und viele Emigranten konnten unterstützt werden. Ende 1940 musste die Akademie ihre Arbeit einstellen, weil es ihr nicht mehr möglich war, die nötigen finanziellen Mittel zu beschaffen.

Hubertus Prinz zu Löwenstein hat sich in der Weimarer Republik für die Demokratie und gegen ihre Feinde engagiert, er hat im Exil für die Vertreter des demokratischen und geistigen Deutschland eine wichtige Institution geschaffen, und er hat sich in der Nachkriegszeit wiederum für die Demokratie in der Bundesrepublik Deutschland eingesetzt.

Heute, wo uns bewusst wurde, dass wir für unsere freiheitliche Demokratie aktiv einstehen müssen, um sie zu schützen, erinnern wir an seinem 95. Geburtstag an Hubertus Prinz zu Löwenstein als einen vorbildlichen, streitbaren Demokraten.

Schon im Reichsbanner 1930 wurde der 1912 in Finow in der Mark Brandenburg geborene Volkmar von Zühlsdorff engster Mitarbeiter Löwensteins. Ich freue mich sehr, dass Sie, Herr Dr. von Zühlsdorff, heute bei uns sind und uns ihren Freund und langjährigen Weggefährten Hubertus Prinz zu Löwenstein vorstellen. Vielen Dank dafür.