Tom Sello: 17. Juni 1953 war ein Aufstand des Volkes für Freiheit und demokratische Rechte

Der Berliner Aufarbeitungsbeauftragte Tom Sello bei seiner Rede im Abgeordnetenhaus am 17. Juni 2021

Der Berliner Aufarbeitungsbeauftragte Tom Sello bei seiner Rede im Abgeordnetenhaus am 17. Juni 2021

Gedenkrede zum Volksaufstand in der DDR im Berliner Abgeordnetenhaus

Zum Jahrestag des Volksaufstands am 17. Juni 1953 hat der Berliner Aufarbeitungsbeauftragte Tom Sello die Gedenkrede im Berliner Abgeordnetenhaus gehalten.

Sello erinnerte an die rund eine Million Demonstrantinnen und Demonstranten, die vor 68 Jahren in der gesamten DDR auf die Straße gingen: „Der 17. Juni 1953 war ein Aufstand des Volkes für Freiheit und demokratische Rechte. Damals kämpften Menschen um ihre ureigensten Rechte, die ihnen vom kommunistischen Regime vorenthalten wurden. Sie wollten nicht mehr, aber auch nicht weniger als ein selbstbestimmtes Leben. Dafür hatten Demokratiebewegungen schon oft gekämpft: für das Recht auf freie Meinungsäußerung, das Recht auf politische Teilhabe, das Recht auf freie Wahlen. Das Streben nach Freiheit und Demokratie war das Leitmotiv der Beteiligten des Volksaufstandes und das war es auch, was uns 1989 auf die Straßen brachte.“

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Formate: video/youtube

Der Berliner Aufarbeitungsbeauftragte wies darauf hin, dass die Ereignisse des 17. Juni in der DDR totgeschwiegen wurden: „Für die SED blieb die Erinnerung an den Volksaufstand bis 1990 eine Gefahr. Mit aller Macht ging sie dagegen vor. War von den Ereignissen überhaupt die Rede, so galt bis 1989 die Formel vom ‘faschistischen Putsch’.“

SED-Diktatur muss im Unterricht behandelt werden:

Sello forderte, die Auseinandersetzung mit der SED-Diktatur in den Schulen und Hochschulen deutlich zu verstärken. „Ich kann mich des Eindrucks nicht erwehren, dass die Beschäftigung mit der SED-Diktatur im Bildungsbereich gegenwärtig nachlässt. Zwar ist die DDR in den schulischen Lehrplänen verankert. Doch wir alle wissen, dass sie aus den unterschiedlichsten Gründen oftmals eben doch nicht im Unterricht behandelt wird.“ Zudem zeige ein Blick in die Vorlesungsverzeichnisse der Berliner Universitäten, dass es kaum noch Angebote zur Auseinandersetzung mit der SED-Diktatur, ihren Hintergründen und Folgen gebe.

Den kompletten Redetext können Sie hier herunterladen

  • Gedenkrede zum 17. Juni 1953

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Gedenkveranstaltung zum 68. Jahrestag des 17. Juni 1953 am Berliner Steinplatz

Gedenkveranstaltung zum 68. Jahrestag des 17. Juni 1953 am Berliner Steinplatz

Kranzniederlegungen und stilles Gedenken

Gedenkveranstaltung am Steinplatz in Berlin-Charlottenburg

Am Morgen hatte der Berliner Aufarbeitungsbeauftragte zum Gedenken an den Volksaufstand des 17. Juni am Bodendenkmal vor dem Bundesfinanzministerium einen Kranz niedergelegt. Sein Stellvertreter, Dr. Jens Schöne, nahm an der Gedenkveranstaltung am Gedenkstein „Für die Opfer des Stalinismus“ auf dem Steinplatz in Berlin-Charlottenburg teil.

Der 17. Juni in der Forschung

Die Ereignisse des 17. Juni 1953 waren auch Thema beim Campus-Forum auf dem Campus für Demokratie, auf dem sich früher das DDR-Ministerium für Staatssicherheit befand. Vize-BAB Dr. Jens Schöne diskutierte am historischen Ort mit Dr. Anja Schröter, wissenschaftliche Mitarbeiterin der Robert-Havemann-Gesellschaft, über neue Erkenntnisse zum Volksaufstand, die Rolle von Frauen und Jugendlichen und über die Bedeutung des Themas an Berliner Schulen und Hochschulen.

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Schöne verwies in der Diskussion auf die bislang wenig beleuchtete Rolle der Frauen während der Ereignisse im Sommer 1953. Dies sei ein gutes Beispiel dafür, dass auch bei scheinbar intensiv erforschten Themenfelder wie dem Volksaufstand auch nach mehreren Jahrzehnten noch viele Fragen offen seien: „Hier müssen wir den Blickwinkel weiten.“

Lehrangebot sollte ausgebaut werden

Erheblichen Nachholbedarf sieht der Historiker auch bei der Lehre an Schulen und Hochschulen. „Für die 15- bis 25-Jährigen ist das Thema so weit weg wie das Mittelalter.“ Zeitzeugen im Schulunterricht seien für die Vermittlung sehr wichtig, aber nicht der einzige Weg. „Wir müssen neue Wege finden, das Wissen zu vermitteln. 30 Jahre ist der Zeitraum, nach dem man noch mal neu an die Dinge herangehen muss.“

Aus seiner eigenen Erfahrung als Dozent an der Humboldt-Universität berichtet Schöne, dass es stets mehr Anmeldungen als Plätze für die Teilnahme an Seminaren gibt. Deshalb sei eine Erweiterung des Lehrangebots dringend notwendig.