Das Haus der Wannsee-Konferenz

Wannsee: Kindheitserinnerungen kommen zu mir zurück, wenn ich an Wannsee denke: Wochenendausflüge mit den Eltern zu Freunden, die dort ein Häuschen hatten. Ich kannte den Ort als ein kleines Dorf, wo die Berliner ihre Freizeit verbrachten. Heute ist Wannsee fast eine Stadt, mit Hotels, Luxuschalets, Hochhäusern und Marinas. Mit der S-Bahn ist es knapp eine Stunde Fahrt von Berlin aus.

Doch Wannsee ist auch aus einem anderen Grund bekannt: Hier versammelten sich am 20. Januar 1942 in einer eleganten, herrschaftlichen Villa 15 hohe Vertreter der SS, der NSDAP und diverser Ministerien um die Deportation und die Ermordung der Juden zu organisieren. Der Vorsitzende dieser Versammlung, die heute „Wannsee-Konferenz“ genannt wird, war Reinhard Heydrich, der Chef des Reichssicherheitshauptamtes; Adolf Eichmann, der „Deportationsexperte“, war für das Protokoll zuständig, das 1947 unter verschiedenen Dokumenten gefunden wurde. Es zeigt mit schrecklicher Übersichtlichkeit den sorgfältig erarbeiteten Plan zur Ermordung der europäischen Juden.

Heute befindet sich in der Villa die ständige Ausstellung „Die Wannsee-Konferenz und der Völkermord an den europäischen Juden“. Mit 250 Fotos, Dokumenten, Briefen, Listen – sogar Belege aus der Buchhaltung – wird der Besucher über die Ausgrenzung und Verfolgung der Juden informiert, über die Ghettos, die Deportation und Ermordung der Juden – nicht nur in Deutschland, sondern auch in den von den Nazis beherrschten Ländern während des Zweiten Weltkrieges. Ein Großteil der Exponate befasst sich mit jener Konferenz, die im einstigen Speisezimmer der Villa stattfand.

Selten hat mich eine Ausstellung über die Shoa so beeindruckt wie diese. Auf der einen Seite eine herrliche Villa, die wie ein elegantes Hotel, oder wie ein „Haus der Ruhe“ aussieht, inmitten eines großen Parks. Auf der anderen Seite innen die Zeugnisse eines Massenmordes. Die Fotos zeigen, außer den Szenen in deutschen Städten, viele andere aus Ungarn, Holland, Frankreich, Polen, Russland… und Dokumente mit erläuternden Texten in deutscher und englischer Sprache.

Dieses Haus, heute eine Gedenkstätte, enthält auch eine Bibliothek mit Forschungsliteratur, Augenzeugenberichten, Nachschlagewerken u.a. und eine Mediothek mit einer Dokumentensammlung auf Mikrofilm und audiovisuellen Medien. Durch die ständige Ausstellung werden Führungen veranstaltet, von sachkundigem Personal geleitet, außerdem gibt es verschiedene Seminare und Fortbildungsveranstaltungen für Erwachsene. Junge Leute und Schulklassen haben hier die Gelegenheit, sich mit der Geschichte des Nationalsozialismus, dessen Vor- und Nachgeschichte und mit der Verfolgung und Ermordung der Juden, zu befassen.

Die Säle, in denen die Ausstellung zu sehen ist, sind voller Menschen. Viele Deutsche – darunter auffallend viel Jugend – und Touristen aus aller Welt. Schweigend und beklommen geht man durch die Räume, steht vor den Bildern des Grauens, und denkt mein Gott, wie konnte so etwas geschehen.

Marion Kaufmann
Chiffre 115101

  • Fundstellen – Spuren von NS-Verfolgten in Berliner Archiven

    Die Sonderausstellung, die derzeit im Haus der Wannsee-Konferenz zu sehen ist, thematisiert, dass die Recherche nach Schicksalen von Verfolgten des Nationalsozialismus sehr schwer ist. Spuren sind manchmal schwer zu verfolgen, Ausgrenzung, Verfolgung, Mord und Krieg sorgten auch für Lücken in den Archiven.

    Adress- und Gedenkbücher können zwar erste Hinweise zu Schicksalen geben, doch keine umfassende Auskunft. Zu der zweisprachigen Ausstellung, die die Gedenk- und Bildungsstätte Haus der Wannsee-Konferenz in Kooperation mit der Koordinierungsstelle Stolpersteine Berlin und dem Landesarchiv Berlin erarbeitet hat, ist eine Broschüre erschienen, die das Thema vertieft. Sie kann als Leitfaden für eigene Recherchen dienen und in deutscher und englischer Sprache in der Gedenkstätte erworben werden (80 S., ISBN 978-3-9813119-6-9, 3,50 € zuzüglich Porto).

    Haus der Wannsee-Konferenz
    Am Großen Wannsee 56-58
    14109 Berlin
    Tel.: +49 30 8050010
    Fax: +49 30 80500127
    E-Mail