Erinnerungen an Berlin

Ich habe wie immer die letzte Nummer von aktuell vom Anfang bis zum Ende gelesen und habe mich an meine Vergangenheit in Berlin erinnert. Ich bin in Berlin im Jahre1912 geboren. Als mein Vater 1918 am Ende des Krieges nach Hause kam, beschloss er, eine Wohnung am Kurfürstendamm Ecke Fasanenstraße zu mieten. Es war eine 7-Zimmerwohnung im ersten Stock und wurde elegant eingerichtet. Mein Vater war Importeur von Perserteppichen.

Nach einigen Jahren 1920/21 eröffnete im Parterre die Firma Kempinski ein Restaurant, das sich scheinbar sehr schnell zu einem guten Geschäft entwickelte. Auf jeden Fall beschlossen die Inhaber des Restaurants, aufzustocken und boten meinem Vater an, irgendwo in der Gegend eine Wohnung zu mieten und alle Kosten des Umzugs zu bezahlen. Mein Vater war auf keinen Fall bereit, die Wohnung zu verlassen und daraufhin einigten sie sich, meinem Vater eine entsprechende Wohnung im zweiten Stock mit Lift auszubauen. Das Restaurant entwickelte sich wie bekannt zu einem der besten Restaurants in Berlin. Das Haus wurde ausgebombt und Kempinski baute auf diesem Platz eines der bekanntesten und besten Hotels und Restaurants in Berlin und vielleicht in Deutschland. Ganz unabhängig davon lernte ich in der Goethe Oberrealschule und erhielt mein Reifezeugnis mit der Bemerkung: will Medizin studieren. Entsprechend schrieb ich mich in der medizinischen Fakultät der Humboldt Universität ein. Gleich am Anfang bat ich darum, im Physiologischen Institut an der Forschungsarbeit teilzunehmen. Es gelang mir, unter der Leitung des damaligen Leiters Dr. Feldberg, eine überraschende Entdeckung zu machen bezüglich Acetylcholin. Die entsprechende Arbeit wurde von der Universität in einer Fachzeitschrift veröffentlicht unter folgender Überschrift „Der Nachweis eines acetylcholinartigen Stoffes im Pfortaderblut“. Das war im Jahr 1933, damals wusste man noch nichts über die Wichtigkeit dieses Stoffes. Ich habe natürlich über Acetylcholin weiter geforscht. Aber im April 1933, als ich in mein Labor gehen wollte, fand ich dort alles zerstört mit der Aufschrift „Jude“. Ich konnte nicht weiter studieren und forschen. Bei dieser Gelegenheit möchte ich nur erwähnen, dass die Forscher Loewy und Dale im Jahr 1936 den Nobelpreis erhielten für die Tätigkeit des Acetylcholin im menschlichen Körper.


Dr. Paul Rosenfeld
Chiffre 206202